Dienstag, 31. Juli 2012

Diese Zauberflöte ruckelt

(so schrieb die österreichische Zeitung Die Presse ) oder von den Freuden des "modernen Regietheaters".
Die konnte man heuer bei der Eröffnungsvorstellung* der Zauberflöte bei den Salzburger Festspiele erleben.
Es scheint da ein kleines, verbindliches Manual für Opernregisseure zu kursieren, in dem die essentiellen Schritte, die zur Adelung durch dieses Etikett führen, aufgelistet sind.
Natürlich gibt es da absolute No-Go s , die zum sofortigen Ausschluß vom Wettbewerb führen, wie z.B. Werktreue  und Texttreue. , die ich deshalb nur ganz klein schreibe, weil sie so schlimme Begriffe sind, die unter ein absolutes Tabu gestellt wurden.
Falls da jetzt jemand auf die Idee kommt, auf einen der allfälligen Tabubrecher zu warten: der soll das sofort vergessen. Davor steht mit einem Flammenschwert das deutsche Feuilleton und davor steht die Do-it-yourself-Gehirnwäsche, der sich alle Regieanwärter freiwillig unterzogen haben.
Nun also zum Handbuch:
das to do listet kurz auf, wie man sein Ziel kräftesparend in kurzer Zeit und wenigen Schritten erreicht.
- Szenenbild und Kostüme sollen so wenig wie möglich oder besser noch gar nichts mit der Zeit, dem Ort  in denen es spielt, oder dem Inhalt  des Stückes zu tun haben





-die Charaktere müssen zumindest unkenntlich gemacht, gern auch in ihre Gegenteil verkehrt werden. Bösewicht = bspw. Macbeth oder Richard III  werden  zu guten, engelsgleichen Wesen, die Guten zu finsteren Vertretern des Bösen, schleimigen Monstern, gern mit Nazianklang.
-Klischees sind auch in großer, ja unbegrenzter Anzahl erlaubt und erwünscht, wenn sie denn der korrekten politischen Ideologie entsprechen. Hier darf dann tief in die Klamottenkiste gegriffen werden ( irre Wissenschaftler gehen immer,
Nazischergen dto, und finstere und/oder lächerliche katholische Würdenträger, wenn man sie irgendwie einarbeiten kann,auch)
-unbedingt zu beachten: Verhäßlichung des Schönen, quasi eine conditio sine qua non.
(Regisseur merke: der Kritiker arbeitet genau diese Liste ab, macht nach jedem Kriterium ein Häkchen oder nicht. Die Summe dieser Häkchen ergibt das Gesamturteil )

Wenn einem sonst nichts mehr einfällt, bleibt immer noch die Veralberung- so wie sie der gemeine Prekariatsfernseh-comedian versteht. Echter Humor allerdings ist strikt und unbedingt  zu vermeiden!

Die Zauberflöte in Salzburg, hat alle Kriterien erfüllt-also die volle Punktzahl erreicht, sogar bei der musikalischen Darbietung ausgerechnet des Concentus Musicus, der doktrinären Urmutter aller Werktreue, unter seinem Altmeister Harnoncourt, konnte man Versuche erkennen,  einen Originalitätspreis durch nicht partiturgestützte Tempoeskapaden, das Weglassen einzelner Instrumente, nebst ihnen zugedachter -sogar signalhafter Akkorde u.ä. zu erringen.

Warten wir also weiter hoffnungsvoll auf einen mutigen Tabubrecher, der  als tapferer Ritter auf seinem Streitross den Drachen ModernesRegietheater in librettogeeignetem Zweikampf erlegt. Ob ihm dabei dann mit magischen Kräften begabte Damen -lieblich terzettierend- rettend zu Hilfe kommen oder nicht, soll uns nicht weiter kümmern.

* ich habe die Direktübertragung auf arte erlebt und teilweise erlitten.

8 Kommentare:

  1. Ich habe mir das gestern abend auch in Teilen angesehen. Der Regisseur hat sich ja auch schon in Dortmund einiges geleistet. Ist halt ein Waldorfschüler, also sind wir froh, dass die Arien nicht eurythmisch getanzt wurden...

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    1. ach eines noch: hab mir das noch mal genau überlegt- ob es wirklich schlimmer gewesen wäre, wenn sie die Arien eurythmisch getanzt hätten....ich glaube ja.-:)

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  2. Hat m.E.mit Waldorfs nix zu tun. Ich habe in einer Waldorfschule Superinszenierungen -auch werktreu im guten Sinne- gesehen, an denen sich manches Staatsschauspiel hätte ein Beispiel nehmen sollen. Nein, es ist das zwangsneurotische Provozieren und auch Zerstörenmüssen, das hier vom Feuilleton zur Doktrin erhoben wurde, das befällt leider regieführende Menschen jeder Herkunft und Schulbildung.
    Daß man alles auch eurytmisch aufführen kann ( und sich lieber ersparen sollte), steht auf einem anderen Blatt.
    Wo nur bleiben die gewerbsmäßigen Tabubrecher, die sonst so zuverlässig auch noch die kleinste liebgewordene Tradition aufstöbern und zerstören?

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  3. Was mich an der ganzen Sache immer verwundert ist.
    So ein Opern und Theater Publikum, das sind doch meist anständige Bürgersleut, die zuhause penibel drauf achten, das alles ordentlich und sauber ist, und auf der Rasenfläche im Vorgarten alle Halme gleich groß sind ordentlich und in Reih und Glied stehen..
    Och frage mich immer, warum die sich sowas antun können.

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    1. Das hat was mit des Kaisers Neuen Kleidern zu tun. Sie wollen dazugehören- zur "Elite" und da trauen sie sich nicht,den mit Ketten festgeschmiedeten ehernen Gesetzen modernen Kunst-und Feuilletonwesens zu widersprechen oder ihre eigenen Meinung oder die Wahrheit (er hat ja gar nichts an)zu artikulieren. Abweichende Ansichten zur gängigen modernen Kunstrezeption sind als spießig, bourgeois und reaktionär dektretiert und dogmatisiert worden und werden mit Ausschluß aus dem Kreis derer, die in sind, geahndet.

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  4. ja vielleicht ist es wirklich so, der Spießer und Bourgeois (das waren die Leute, die ich im Blick hatte) fürchtet nichts so sehr, als spießig und bourgeois betitelt zu werden.
    Und dadurch wird er erst so richtig spießig. Nennt sich, glaube ich, Negation der Negation.

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  5. Am letzten Samstag, 28. 7. gab's in der Sendung "Meine Musik" in BR-Klassik ein Interview mit dem Bariton Bernd Weikl.
    www.br.de/radio/br-klassik/sendungen/meine-musik/meine-musik108.html
    Er äußerte sich auch zu den Regisseuren, die glauben, dass sie mit "Provozieren" etwas ganz besonderes tun würden:
    "Da unten im Publikum sitzt nicht der Klassenfeind, der provoziert werden muss, sondern Leute, die mit einem angenehmen Erlebnis nach Hause gehen wollen". Das haben offensichtlich die meisten Regisseure in ihrem Akt der Selbstüberhöhung noch immer nicht verstanden. Auch einer, der die Zauberflöte verhunzt, wird nie so groß sein, wie Mozart.

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  6. Gerade gab es in "ttt" einen Bericht über die Salzburger Aufführung. Und das Resultat des Kommentars war: "Diese Zauberflöte ist ohne Zauber".

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