Sonntag, 1. November 2015

Ross Douthat über Sieger und Besiegte bei der Synode

Ross Douthat, Kolumnist der NYT, dessen Kopf die Liberalen und Progressisten, vor allem aber Theologen, zur Zeit wegen seiner Kommentare zur gerade zuende gegangenen Synode in Rom vehement fordern, fragt in einem neuen Beitrag nach dem Sieger des synodalen Kräftemessens.
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                               "WER HAT DIE SYNODE GEWONNEN?"
"Natürlich niemand - weil es keine zwei "Seiten" oder Lager oder (der Himmel helfe uns) Fraktionen oder irgendetwas so Häßliches wie all das gab. Es war alles Dialog, ein Moment der Begegnung und der Unterscheidung, eine Öffnung zum Heiligen Geist hin, der die Römische Kirche frei setzte, eine neue Kirche für das dritte Jahrtausend zu sein. Es war der Beginn einer Ouvertüre, das erste Kapitel einer neverending story, der erste Schritt bei einer permanenten Reise, weil wir alle zusammen unterwegs sind.

Wie der Hl. Athanasius sagen würde, LOL. Nein, sehen Sie, was wirklich passiert ist, ist daß die Konservativen das gewonnen haben, was wahrscheinlich der knappste Sieg war, auf den sie hoffen konnten, wenn man bedenkt, daß 1. der Papst gegen sie war und 2. der Papst die leitenden und schreibenden Komitees und die Ränge der Wähler auffüllte- und habe ich schon erwähnt daß 3. der Papst gegen sie war?

(Leute die immer noch behaupten, daß der Papst betont neutral war, daß er nur den Dialog wollte, oder daß man seine Ansichten nicht kennt, sollten sich hinsetzen und die Standpauke lesen, die er in seiner Abschlussrede den Konservativen hielt - und im Kontrast dazu, wie er auf sehr viel ausgeglichenerer Weise die Synode des vergangenen Herbstes beendete - als der konservative Widerstand gegen die Ziele der Synode viel weniger organisiert war.)
Soll heißen, sie haben ein Dokument verfaßt, in dem so unmoderne Worte wie "Unauflöslichkeit" bei der Rede über die Ehe vorkommen, das Thema Homosexualität fast komplett vermieden wird. Und das einige wenige dichte - manchmal undeutliche aber leicht - undurchdringliche Paragraphen über das Willkommenheißen und die Begleitung der wiederverheirateten geschiedenen Katholiken anbietet, ohne den Weg zur Kommunion ohne eine Annullierungserklärung zu öffnen oder die Frage der nationalen Bischofskonferenzen weiterzuentwickeln, wie es die Deutschen Bischöfe und der Rest der progressiven Clicque bei der Synode ganz klar wünschten.

So haben die Journalisten, die über das Synodendokument als "Rückschlag für die Innovatoren" (und weil er sie "erhöht" hat, auch für den Pontifex) berichteten, fast Recht - betrachtet man ihre zwiespältige Annäherung.
Aber deshalb - auf gewisse Weise - auch die Journalisten, die es als eine Art von "Türöffnung zur Erneuerung" beurteilen, weil die Konservativen nicht die Stimmen oder die Macht hatten, jede Zweideutigkeit im Zaum zu halten.




Die direkteste Lesart des Synodentextes untermauert die erste Interpretation - wegen der Gründe,
die George Weigel und Robert Royal aufführen: Es gibt keine Abschaffung des alten Kommunions-Banns für die Wiederverheirateten und viele Formulierungen, die anzeigen, daß der Bann noch in Kraft ist.
Gleichzeitig aber ist der Text- wie Royal bemerkt- nicht so klar, wie das Dokument, das er zitiert: Johannes Pauls II "Familiaris Consortio"  und er verbringt so viel Zeit damit, über "Unterscheidung" und individuelle Fälle zu sprechen, daß er manchmal "fast an den Rand" der Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen kommt- wie es Royal formuliert- ohne ihn mit diesen vielen Worten zu überschreiten."

Wie man diesen Zehenspitzenakt interpretiert, hängt dagegen davon ab, wie man ihn interpretieren will.
Wenn man ihn in Kontinuität mit der katholischen Vergangenheit lesen will, und das Synodendokument im Licht der vorhergegangenen Lehre interpretiert, landet man - naja - bei einer konservativen - auf der Kontinuität basierenden Lesart.

Wenn man ihn ihm Sinne der Ruptur lessn will, wird man die Richtung der Bewegung betonen, die Tatsache, daß der neue Text etwas unklarer und etwas zweideutiger ist als vorhergegangene und so einen bescheidenen Wandel suggerieren, der durch seine Natur, die Tür für weitere Änderungen öffnet.

Das ist grob gesagt die Art, wie am Ende viele liberale Katholiken die Vatican II Dokumente verstanden und interpreitert haben - wie der englische Lateinische Messe-Champion Joseph Shaw hier beschreibt:  "Der "Geist - von VaticanII-Interpretationen, wohin die Kirche nach dem Konzil gehen sollte" - notiert er - "kam nach der Promulgierung der Dokumente, die sehr in die konservative Richtung gedrängt worden waren und die die eher konservativen Bischöfe - nach allem - unterstützen zu können glaubten, weil man sie durchaus in einer mit traditionellen Ansichten konsistenten Weise lesen konnte,
Z.B. erlangte dieser eine berühmte Satz erst sehr spät im Verlauf der Prozeduren im Dokument über die Liturgie "sacrosanctum concilium"- seine endgültige Form:
"... es muß keinerlei Neuerungen geben, außer das Wohl der Kirche erfordert sie wahrhaft und und sicher." Mit dem Zusatz der Worte "vera und certa". Mit ihnen im Dokument, was konnte man mehr verlangen?

Aber die dann folgende liberale Lesart des Dokumentes betonte die Bewegung als Schlüssel zu den Zielen des Konzils - am Text vorbei und über ihn hinweg - was auch immer er ausdrücklich sagte.

So betonten die Liberalen im Fall der Liturgiereform, daß "das Konzil die Kirche von der Bevorzugung des traditionellen religiösen Habits mit allen Ornamenten oder einer ausschließlich lateinischen Liturgie dahin bewegt habe, daß wir fragen, ob alle Ornamente den modernen Bedingungen angemessen sind oder daß wir den Gebrauch der Landessprache für einige Teile der Messe überdenken. Was wir aus dem Konzil mitnehmen müssen, - forderten die Liberalen - ist nicht die finale Position des Dokuments - daß Habit und Latein unbedingt erhalten bleiben sollen, sondern die "Richtung der Bewegung."

Es ist deshalb eine Sache des Gehorsams gegenüber dem Konzil, diese Bewegung fortzusetzen, es ist gehorsam gegenüber dem Konzil, die klaren Worte des Konzils zu verletzen, und Habit und das Lateinische ganz und gar abzuschaffen. Darauf zu beharren, was das Konzil wirklich sagt, ist - ihm nicht zu gehorchen,

A
ls Traditionalist hat Shaw offensichtlich eine feindliche Sicht auf diesen Interpretationsweg, aber ich denke, wenn man das in ihrem bevorzugten Idiom wiederholte. würden viele liberale Katholiken es wieder erkennen und freudig akzeptieren.

Füge niemals einen Punkt ein, wo Gott ein Komma gesetzt hat - ist einer der Refrains des liberalen Protestantismus und wenn man die postkonziliaren Dokumente liest, sind liberale Katholiken hauptsächlich daran interessiert, etwas zu finden, das 1. aussieht wie ein Komma und dann 2. zu erklären, daß das Komma weitere Klauseln beinhaltet - in ihrer bevorzugten Weise geschrieben.

Und das ist es, was bereits mit den Dokumenten dieser Synode gemacht wird, zu allererst von Kardinal Kasper - aber auch von vielen anderen.

Jedoch: indem wir ein Dokument haben, das von liberalen Bischöfen (und einem Vatican, der sie nicht disziplinieren oder für diese Interpretation zurechtweisen wird) so interpretiert werden kann, unterscheidet sich das dennoch davon, ein Dokument zu haben, das - aus einer konservativen Perspektive gesehen - den Irrtum lehrt - oder im Fall der "Devolution" - solchen Lehren auf nationaler oder lokaler Ebene Autorität verleiht.

Das frühere kippt das spätere. Die Sicht von 1960 ging mehr in Richtung liberaler Katholizismus - aber sie versprach weder eine sofortige theologische Krise für die Konservativen noch eine Art Erdrutsch (auch keinen langsamen  und sanften) zu einer Art Anglikanismus. Stellt man die Uhr auf 1975 zurück - könnte man sagen - läßt das einige der Gewinne verschwinden, die die Konservativen gemacht zu haben glaubten und es verändert den Sinn dessen, was Weigel "die Belagerung von 1968" nennt (eine Belagerung, die ich mit mehr Sympathie betrachte als er -) um sie für liberale Katholiken annehmbarer zu machen...aber Johannes Paul II und Benedikt XVI haben die Termini in eine konservative Richtung verändert, so daß dieser swing für die Post-Vatican II-Kirche kein unbekanntes Territorium ist.

Unkartiertes Land wäre, wenn der Papst wegen seiner Irritation über die Konservativen und/oder wegen seiner Vision der Dezentralisierung entscheidet, zu handeln und seine postsynodale Exhortation dazu zu benutzen, den Spalt, den die Liberalen schon sehen, zu erweitern, nicht zu leugnen, und für jeden sichtbar zu machen.
Dafür ist die Zeit der Vorhersagen vorbei. Der Teil von mir, der glaubte, daß er so etwas nicht wagen wird, dachte auch, daß seine liberale Annullierungsreform sein Glühen für den Wechsel abkühlen würde und ich kann mir ehrlich nicht vorstellen, daß er willens ist, noch mehr zu riskieren,.
Den Rest des Herbstes werde ich damit verbringen, Pferderennen vorherzusagen. Die Pläne des Vikars Christi kennt nur Gott.

Quelle: NYT, Ross Douthat

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