Dienstag, 9. Februar 2016

"Laudato si´"-zu argentinisch?

Sandro Magister läßt anläßlich des Videos mit dem päpstlichen Gebetsanliegen für Februar bei www.chiesa den australischen Priester und Wirtschaftswissenschaftler Paul McGavin noch einmal zu Laudato Si´zu Wort kommen.Hier geht´s zum Original:   klicken

              "LAUDATO SI´" EINE ZU ARGENTINISCHE  ENZYKLIKA"
"Der Einfluss der lateinamerikanischen "Vorurteile"  auf die Lösungsvorschläge, die Papst Franziskus zur Heilung der Welt machte, in einer kritischen Analyse eines australischen Theologen und Wirtschaftsfachmannes.

"Das ist das Magisterium der Kirche und dem Magisterium muß gehorcht werden," so antwortete am vergangenen 5. Dezember der argentinische Prälat Marcelo Sanchez Sorondo, Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, bei einer vom Acton.Institut der Päpstlichen Universität vom Hl. Kreuz organisierten Pressekonferenz derb den Wirtschaftsfachleuten und Wissenschaftlern, die die Umweltthesen von Laudato Si´ als ohne Basis kritisiert hatten

Weiter unten folgt eine kritische, zugleich theologische und wissenschaftliche Analyse der Enzyklika von Papst Franziskus, die sich auf  Wirtschafts-Politik- und Umweltwissenschaften stützt.
Autor ist ein australischer Priester, Paul Antony McGavin, Kaplan der Universität von Canberra, der theologisch-philosophische Kompetenzen und Studien mit 30 Jahren Forschung auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Arbeitswelt - als Professor und Präsident der Australischen Akademie der Streitkräfte in Canberra in sich vereint.
Seine letzte Veröffentlichung stammt von 2015, ist das Ergebnis penibler Forschungsarbeit und trägt den Titel "Grappling afresh with Labour Ressource Challenges".
Der Startpunkt der Kritik  Pater McGavins an Laudato Si´ ist die typisch lateinamerikanische Perspektive, von der Jorge Mario Bergoglio bei der Ökologie des Menschen und der Umwelt und bei  Fragen wie Armut, Gleichheit und Gerechtigkeit ausgeht. Ein Vorurteil, das die rationale Analyse der Phänomene blockiert und die vorgeschlagenen Lösungen wertlos macht.

Darüber hinaus - wieder nach Aussage McGavins- ist das nichts anderes als das unglaubliche Talent von Papst Franziskus, individuelle Beziehungen von Mensch zu Mensch zu einem Netz verweben, das sich wie ein Schleier über seine Fähigkeiten legt, globale, systematische Fragen, die die Menschheit als Ganzes betreffen, zu stellen.

Wie der Zufall es will, kommt diese Kritik einige Tage nachdem Franziskus zum -zigsten mal in der Förderung eines neuen Umwelt-Lebensstils die Antwort auf die Verbindung zwischen Armut und Zerbrechlichkeit des Planeten anzeigte. Zu sehen in dem Video, in dem der Papst sein Gebetsanliegen für den Monat Februar darlegte.

Hier geht´s zum Video:  > "Creyentes y no creyentes…"

Pater McGavin kann sicher nicht als Traditionalist angesehen werden und er hat es nicht an fundierten positiven Urteilen über andere Aspekte des Pontifikates und Lehramtes des aktuellen Papstes mangeln lassen.


                           "WAS IST FALSCH AN LAUDATO SI´?"

"Ich achte generell auf die Interviews des Hl. Vaters während der päpstlicher Flüge, weil ich daran interessiert bin, weniger editorisch bearbeitete Texte kennen zu lernen, ohne die Stimmen von Ghostwritern -so wie sie in päpstlichen Enzykliken auftauchen. Die Gespräche sind oft kurz und manchmal tendenziös. Ein Abschnitt aus "Afrika überrascht uns", einem Artikel im Osservatore Romano vom 4. Dezember, ragte für mich heraus.
Der Papst wurde zum kurz vorher erfolgten Regimewechsel in Argentinien befragt und antwortete:
"Ich habe einige Meinungen gehört, aber diese geopolitische Frage zu dieser Zeit, ich weiß nicht was ich sagen soll, ich weiß es einfach nicht. Weil es Probleme wie diese in vielen Ländern gibt, aber ich weiß wirklich nicht, warum oder wie es begann. Wirklich - viele lateinamerikanische Länder sind in dieser Wechselsituation, das ist wahr, aber ich bin wirklich nicht in der Lage es zu erklären."

Dem schreibe ich eine Tendenz zu, weil die Beziehung Jorge Mario Bergoglios zu den Kirchners nicht konfliktfrei war, während der  Aufstieg einer Macri-Regierung kaum mit Bergoglios klar links von der Mitte angesiedelter Weltsicht zu vereinen ist. Diese Weltsicht und die seiner Ghostwriter wird in Laudato Si` ausgespielt, mit Schreibern, die sich der Dysfunktionalität ihrer Positionen für ihre erklärte Agenda augenscheinlich nicht bewußt sind. Wenn der Papst nur diese "ich weiß es wirklich nicht"-Linie  beibehalten hätte, hätte Laudato Si´ ein glaubwürdigeres Dokument werden können.

Laudato Si´weist klar die Bergoglio-Handschrift auf, (der am öftesten zitierte nichtkirchliche Text ist "Das Ende der modernen Welt" von Romano Guardini, über dessen Schriften Bergoglio eine Dissertation begonnen hatte)  aber der Beweis einer nicht gelungenen Integrierung weist auf mehr als einen Ghostwriter hin. Was in dem Dokument herausragt, ist seine Lateinamerikanische Kultur - wenn man die Nationen Zentral-und Südamerikas, die dem spanischen Katholischen Imperialismus entstammen, als "Lateinamerika" versteht. Lateinamerika ist wirtschaftlich für sein Zurückgebliebensein und für den Opportunismus, der unter den schwachen Regierungen vorherrscht, bekannt.

Der Papst und seine Ghostwriter (ab jetzt sage ich einfach "der Papst")  würden eine solche Beschreibung ihres kulturellen Milieus nicht gern hören, aber traurigerweise ist es so. Zu der Zeit als die Föderation der autonomen Britischen Kolonien 1901 Australien bildeten, lag das pro-Kopf-Einkommen in Argentinien höher als in Australien. 2014 zeigen die IWF-Daten, daß das argentinische Durchschnittseinkommen bei 48% des australischen liegt. Die letzten Weltbankschätzungen zur Streuung der Einkommen, zeigen für Argentinien eine Verschiebung zugunsten der höheren Einkommen, die 30% höher sind als in Australien- das bedeutet in Relation, daß es den Armen in Argentinien um ein Drittel schlechter geht als denen in Australien.
Nimmt man die Zahl der Mordfälle auf 100.000 Personen, zeigen die letzten UNO-Daten, daß die Mordrate in Argentinien 5mal höher liegt als die in Australien- das bedeutet, daß Argentinien eine viel gewalttätigere Gesellschaft hat.

Indem ich diese Daten zitiere, will ich nicht Australien herausstellen (auch wenn ich glaube, daß unser britischer Regierungsstil bessere Ergebnisse erzielt als andere) noch Argentinien herabsetzen.
Ich will nur zeigen, daß der Papst, indem er die vorherrschenden lateinamerikanischen Standpunkte einnimmt, sich ihnen selbst auf gewisse Weise anschließt, eine rationale und vernünftige Einschätzung beim Ansprechen der Themen wie Human- und Umweltökologie, Armut, Gleichheit und Gerechtigkeit verhindert.

In gewissen Punkten liest sich Laudato Si´ wie ein Pamphlet gegen die Art Rationalität, die zu menschlichem Fortschritt führt. Der Papst erklärt sich ausdrücklich als dem Instrument der Rationalität entgegenstehend.
"Ein instrumenteller Weg der Diskussion führt zu einer rein statischen Analyse von Realitäten im Dienst der aktuellen Erfordernisse" (Mr. 19115, auch 106-109)
Er spricht gegen ein techno-ökonomisches Paradigma- mit Begriffen wie "überwältigend", "dominierend" und "vom Diktat der Effizienz - getriebenen Technokratieparadigmen unterworfen" (Nr. 53,104,109,189) Dennoch ist es die instrumentelle Rationalität, die-z.B. zu einer Erhöhung der Ernteproduktivität, zu einer Reduzierung der Schäden durch Pflanzenseuchen bis hin zu öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen führten, die sowohl quantitative als auch qualitative Verbesserungen für die Bedürftigsten der Welt mit sich brachten.

"Finanz" ist eine anderes Wort, dessen fehlendes Verstehen den Papst zur Herabsetzung führt. Der Papst denkt, daß "die Finanzen die reale Wirtschaft überwältigen" und daß die "Finanz" die globale Krise auslöste (Nr. 109) Aber "Finanz" ist nur eine Komponente der menschlichen Institution, die wir "Wirtschaft" nennen und Finanz ist ebenso real als Komponente der Wirtschaft, die reale Produkte umfaßt - genauso wie die Wunder die Jesus im 6. Kapitel des Johannes-Evangeliums vollbringt, so real sind, wie das Brot von dem die Menge die Fülle hatte.

Heutzutage sprechen die Finanziers über das, womit sie handeln, als "Produkten" auch wenn er vielleicht nur elektronische Berichte von Transaktionen sind, die in der Papierdokumentation keine Realität haben die globale Finanzkrise ist vielleicht am besten zu verstehen als Resultat der Schwächung der vorsichtigen finanziellen Regulierungsmechanismen, die den ideologischen wirtschaftlichen Paradigmen der Reagan-Administration entstammen ("Reagonomics"). Wären diese Art institutioneller Vorkehrungen im UK oder in Australien angewandt worden, wären die Auswirkungen auf die Finanzen und Märkte kaum so dramatisch und weitreichend ausgefallen.
In "Evangelii Gaudium" sprach der Papst gegen die eine vorherrschende moralische Botschaft.
Sicher gründen sich die Billigpreis-Märkte im USA-Stil auf unerträgliche häusliche Ansammlung von Eigentum (Gier) Aber in Begriffen öffentlicher Politik ist das Heilmittel nicht Moralisierung sondern gutes Regieren, das eine vorsichtige finanzregulierende Übersicht behält.

Durch Laudato Si´ hindurch wettert der Papst gegen den Konsumismus (34, 215) als etwas, das Kurzzeitgewinne und private Interessen in den Vordergrund stellt (184), wo Märkte extremen Konsumismus fördern, in dem Bemühen ihre Produkte zu verkaufen und Menschen leicht in einem Wirbelsturm von unnötigen Käufen und Ausgaben gefangen werden können ( 203). Bauern sind Konsumenten, sie konsumieren, was sie produzieren. Und in ausgeklügelten Produktionssystemen ist Konsum hauptsächlich der Handel mit Gütern und Dienstleitungen (Gütern oder Produkten). Der Papst zieht ganz klar weniger spezialisierte Produktionsaktivitaten und weniger Markt vor.
Was eine globale Reduzierung der Produktion von Gütern und weniger Zugang zu den verschiedenen Gütern mit sich bringt.

Sicher, man stellt tragischerweise weniger Freude an den einfachen Vergnügen des Lebens fest, die oft außerhalb der Marktsysteme zu finden sind (oder richtiger den Marktsystemen entgegengesetzt).
Aber Werte, die zu Veränderungen bei dieser Wahl führen, werden eher durch Attraktivität und Anziehungskraft bewirkt, als durch Predigen (wie der Papst in Evangelii Gaudium argumentierte Nr. 35, 38) . Weitgefächerte Versorgung der Haushalte mit Elektrizität, Wasser, Abwasserentsorgung wird nur durch ein breites Engagement der Marktaktivitäten, die die steuerliche Basis für die Bereitstellung öffentlicher Dienste bilden, ermöglicht- besonders im Erziehungswesen des Umfanges, der benötigt wird, um soziale Mobilität und komplexere soziale und technische Fähigkeiten zu vermitteln, die zur Verbesserung des Lebensstandards benötigt werden,

Die institutionelle und administrative Basis für eine breite Verbesserung der menschlichen Wohlfahrt werden in der vorherrschenden Unpraktizierbarkeit, die Laudato Si´ charakterisieren, nicht erkannt.
Der Papst ist gegen schreibtischgebundene Theologie.
Und mein 20-jähriges Engagement in der Forschung und im Schreiben praktischer und angewandter Theologie führt mich dazu, mit den pastoralen und praktischen Instinkten zu sympathisieren,  die in Evangelii Gaudium ausgedrückt werden.
Aber in Laudato Si´ ist der Papst schreibtischgebunden, oder sogar lehnstuhlgebunden, weil er keine Erfahrung in der intellektuellen und praktischen Arbeit auf organisatorischer und gesellschaftspolitischer Ebene für sozialen Fortschritt hat.
In dieser Enzyklika erkennt er zu oft nicht, daß er "es nicht weiß" und er spricht ausführlich über Dinge, die "er nicht kennt."

Erfahrungsmangel zeigt sich im zentralen Angriff der Enzyklika wegen der Umweltverschmutzung. Diese Enzyklika beinhaltet eine Linie, die ich nicht Bergoglio oder seinen Hauptghostwritern zuschreibe, wo wir bezüglich der menschlichen Faktoren lesen, die zur Klimaerwärmung führen. "Es ist wahr, daß es auch andere Faktoren gibt, wie Vulkanaktivitäten, Verschiebungen der Erdumlaufbahn und -Achse, des Sonnenzyklus (23) - Diese Wahrnehmung des Klimawandels als Komplex hält nicht stand und statt dessen behält der Papst die Linie der Journalisten und Politbürokraten bei, die den Klimawechsel auf einen jungen und einzigen Grund zurückführen. Wenn das von einem Papst kommt, ist es merkwürdig.
Die Lektüre des Alten Testamentes bezeugt klar die Wirkung des Menschen auf die Umwelt und das Erleben klimatischer Veränderungen, einschließlich extremer Varianten.

Das Phänomen der Klimaveränderung mag zunehmen, aber es ist nicht neu und es ist nicht monokausal.
Im Jahrzehnt vor der Föderation erlebt Australien erhebliche Mißernten und einen Mangel an Lebensmittelproduktion, die aus der mangelnden Langzeiterfahrung der Klimaveränderungen, die für Australien typisch sind, resultierten. Es gab kürzlich ähnliche Erfahrungen und das Australische Büro für Meteorologie berichtet, daß 2015 der fünft-heißeste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen 1910 war, aber, daß das auf den laufenden aber beständigen Einfluss von EL Nino zurückzuführen sei." (.....)

Den weitern Text lese man hier: klicken

Pater Paul McGavin beendet seinen Beitrag so:

"Kurz gesagt, ich denke, daß diese Initiative von Papst Franziskus dem guten Vorsatz entspringt und von einem Mann kommt, der sich selbst als Sünder betrachtet. Aber dieser begrenzte kulturelle und Bildungshintergrund und seine Persönlichkeit mit dem-von-Mensch-zu-Mensch-Genius, die ihn nur unzureichend befähigen, sich in generellen Fragen zu engagieren, eher mit der Menschheit als  mit Menschen und mit abstraktem und systematischen Verstehen, das für einen rationalen Zugang zu den Problemen die anderer Art sind als der päpstliche Genius erforderlich ist, und die vielleicht auch anderer Art sind als die des päpstlichen Auftrags.

Meine Meinung: eine ganz andere, viel kürzere, technisch besser informierte und theologisch genauere Enzyklika wäre hilfreicher gewesen und würde eine bessere Basis geliefert haben, um in den Dialog mit allen Menschen in unserem gemeinsamen Heim zu treten."

Quelle: Paul McGavin, www.chiesa, Sandro Magister




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