Sonntag, 7. Oktober 2018

Magister: Theologieprofessor sieht die Gründe für die aktuelle Kirchenkrise im Modernismus und seinen Folgen.

Sandro Magister läßt heute bei Settimo Cielo  den Theologen Serafino Lanzetta zur aktuellen Kirchenkrise zu Wort kommen , der in seinem Beitrag besonders auf deren Verbindung zur innerkirchlichen Opposition gegen die Enzyklika "Humanae Vitae" eingeht.
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"DIE KIRCHENKRANKHEIT HEISST POSTMODERNISMUS.  DIAGNOSE EINES THEOLOGEN."

Veröffentlicht wie erhalten. Der Autor, früheres Mitglied der FFI,  lehrt dogmatische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Lugano in der Schweiz und verrichtet in England in St. Mary´s Church in Gospord in der Diözese Portsmouth seinen pastoralen Dienst, Unter seinen Büchern ist "Vatican II, ein pastorales Konzil: Hermeneutik der Konzils-Lehre" , Gracewings 2016, besonders bemerkenswert.

Von besonderer Bedeutung ist für die Wurzeln der aktuellen Krise seine Bezugnahme auf die innerkichliche Opposition gegen die Enzyklika "Humanae Vitae", den herausragenden Text des Lehramtes Pauls VI, des Papstes, der am 14. Oktober  heilig gesprochen wird.

Zu den Wurzeln der heutigen Kirchenkrise
von Serafino M. Lanzetta

"Die Heilige Mutter Kirche sieht sich einer in ihrer gesamten Geschichte präzedenzlosen Geschichte gegenüber. Mißbräuche aller Art- besonders in der sexuellen Sphäre -hat es im Klerus immer gegeben. Die aktuelle Epidemie jedoch ist in ihrer Vermischung einer moralischen und doktrinalen Krise, deren Wurzeln tiefer sind als nur einfaches Fehlverhalten einiger Mitglieder der Hierarchie und des Klerus, untypisch. 
Wir müssen an der Oberfläche kratzen und tiefer graben. Doktrinale Verwirrung erzeugt moralische Unordnung -und umgekehrt- sexueller Mißbrauch konnte so viele Jahren unter der Decke der Selbstzufriedenheit gedeihen, daß er die Sexualmorallehre leise in eine anachronistische Geschichte umdrehen konnte.
Zweifellos besteht diese Krise- wie Bischof Philip Egan von Portsmouth, UK, sagte, aus drei Ebenen: "zuerst - aus dem angeblichen Sünden- und dem Verfehlungskatalog gegen junge Mitglieder der Klerus, zweitens aus den um Erzbischof Theodore McCarricks zentrierten homoxesuellen Kreisen
aber auch in anderen Teilen der Kirche- und dann drittens- auf der falschen Handhabung und der  Vertuschung alles dessen durch höchste Kreise der Hierarchie."




Wie weit müssen wir gehen, um die Wurzeln dieser Krise  zu identifizieren? Wir können u.a. bedenken, daß hauptsächlich zwei moralische Gründe als Hauptwurzeln zu betrachten sind
Einer ist entfernt mit dem Problem, das heute die Kirche betrifft, verbunden, der andere nahe.

Der erste Grund kann der innerkirchlichen Opposition gegen "Humanae Vitae"  angelastet werden.
Indem dem dem unauflöslichen Bund zwischen dem vereinenden und procreativen  Prinzip der Ehe widersprochen wurde, war der Weg, jede andere Form von Verbindung zu tolerieren, geebnet  und im Namen der Liebe gerechtfertigt. Liebe mußte vor und über die Festlegung durch die Natur gesetzt werden. Kontrazeption würde für ein legitimes moralischesMittel gehalten werden, das die Priorität der Verantwortung des Menschen über Gottes natürliches und göttliches Recht sichern sollte. 
Aber in Wirklichkeit war das Szenario, das sich dann entwickelte, ein ganz anderes.

Tatsächlich war Procreation nicht länger die erste und höchste Segnung der Ehe, sie wurde nicht nur von der Liebe getrennt sondern im Gegenteil- die Liebe mußte von der Procreation getrennt werden- bis dahin, Procreation ohne Vereinigung als logisch und als logische Schlußfolgerung Liebe ohne Procreation zu erklären. Eine sterile Liebe, isoliert von ihrem natürlichen und sakramentalen Kontext wurde der Gesellschaft und der Kirche  gewaltsam aufgezwungen.

Die Identität der Liebe steht auf dem Spiel. Wie vor kurzem, von Bischof Kevin Doran, dem Vorsitzenden des Komitées für Bioethik der irischen Bischöfe gesagt wurde, gibt es eine direkte Verbindung zwischen der Verhütungs-Mentalität und der überraschend großen Zahl von Meschen, die bereit zu sein scheinen, die Ehe heute als eine Beziehung unterschiedlos zwischen zwei Menschen zum Sex neu zu definieren". Und er fügte hinzu, daß wenn der Liebesakt von seinem procreativen Zweck getrennt werden kann, "es dann auch sehr schwierig wird, zu erklären, warum zu einer Ehe ein Mann und eine Frau gehören."

Die heutige Krise der Kirche ist einerseits die Manifestation einer Krise der sexuellen Identität, einer ideologischen Rebellion gegen das immerwährende Lehramt der moralischen Tradition und andererseits die Unfähigkeit, das wahre Problem anzusprechen, besonders Homosexualität und homosexuelle Kreise innerhab des Klerus. Mehr als 80% des bekannt vewordenen sexuellen Mißbrauchs durch Priester sind in der Tat nicht Fälle von Pädophilie sondern von Päderastie. Die Überzeugung, daß jede Form von Liebe akzeptiert werden muß, ist mehr als Konsequenz, das Verbot der Empfängnisverhütung aufzuheben -sogar auch ohne die dogmatischen Formulierungen zu ändern- allgemeingültig geworden.
Die wahre Essenz des Modernismus besteht darin, die Theorie mit der Praxis zu vertauschen,
indem man die Leute sich an die von der Mehrheit akzeptierten Sitten gewöhne läßt.
"Humanae Vitae" wurde zum Ziel präzedenzloser Proteste innerhalb der Kirche.
Ein Buch mit dem Titel "Das 68-er Schisma" beschreibt u.a. wie Katholiken für ein "sexielles Aggiornamento" kämpften. "Aggiornamento" war einer der Schlüssel um das II.Vaticanische Konzil und seine Dokumente zu erschließen.

Kardinäle, Bischöfe und Episkopate haben bei dieser Rebellion eine aktive Rolle eingenommen: 
Dem Primas von Belgien, Kardinal Leo Joseph Suenens, gelang es nach der Veröffentlichung der Enzyklika, eine Gegenerklärung gegen "Humanae Vitae" zu formulieren und den gesamten belgischen Episkopta dazu zu bringen, eine Erklärung gegen "Humanae Vitae " zu veröffentlichen- angeblich im Namen der Freiheit des Gewisse

Diese Erklärung-zusammen mit der von den deutschen Bischöfen formulierten, dienten als Versuch, die anderen Episkopate zu Protesten anzuregen. Kardinal John C.Heenan von Westminster hat die Veröffentlichung der Enzyklika von Papst Giovanni Battista Montini zur Weitergabe des Lebens als "den größten Schock seit der Reformation" beschrieben. Kardinal Bernard Alfrink stimmte gemeinsam mit neun anderen holländischen Bischöfen zugunsten der Unabhängigen Erklärung ab, die das Gottesvolk dazu einlud, das Verbot der Empfängnisverhütung abzulehnen. 


In England hatten mehr als 50 Priester einen Protestbrief unterschrieben, der in der Londoner Times veröffentlicht wurde. "Zu diesen Priestern gehörte auch Michael Winter, der seine Entscheidung, das Priesteramt aufzugeben als "von der Krise wegen HumanaeVitae ausgelöst" beschrieb. Winter hat später geheiratet und schrieb 1985 "Was ist aus dem II.Vaticanum geworden?", um die Lehre des Konzils von dem, was von den römischen Autoritäten als ihr Begräbnis wahrgenommen wurde, wieder herzustellen. 
Vielleicht war er überzeugt, daß die Wurzel der Empfängnisverhütung -wahrgenommen als Herrschaft der Liebe- in der Lehre des II.Vaticanischen Konzils zu finden sei. Winter ist auch Gründungsmitglied der Bewegung Verheirateter Priester. Was wirklich überrascht, -Winter ist nicht der einzige Fall vom klerikalen Standpunkt aus:  das Drama, das sie erlebten als -mit ihren Worten- die Bürde über das Verbot der Empfängnisverhütung den Laien auf die Schultern gelegt wurden. Wie konnten sie -wenn es so war- einen solchen Schmerz wirklich verstehen? 

Aber es gibt noch einen anderen Punkt, der hier erwähnt werden muß: "wenn ein "offizieller" Protest gegen "Humanae Vitae" -angeführt von Kardinälen und Bischöfen- durch seine Harmonie mit der Ideologie des Augenblicks legitimiert- vergessen wir nicht, daß in jenen Jahren die 68-er Bewegung beabsichtigte. die Christliche Moral im Namen des freien Sex umzuwerfen-  dann ist es schwer zu verstehen, warum eine "offizielle" Mentalität, die Homosexualität innerhalb des Klerus rechtfertigt ebenso wie alle Arten sexueller Verbindungen- nicht übernehmen kann und eines Tages sogar die Mehrheitsmeinung darstellen kann. Die Vertuschungs-Kultur, die heute in den Episkopaten und im Klerus so verbreitet zu sein scheint, stammt ursprünglich von dort.

"Wenn die Sache vor den Schranken des Gewissens steht" wie Tom Burns in "The Tablet" am 3. August 1968 (im selben Leitartikel, der gerade am 28. Juli 2018 wiederveröffentlicht wurde) kommentierte- kann es immer ein Gewissen geben, das die Schranke als solche ablehnt. Ein Gewissen ohne vorherige Aufklärung durch die Wahrheit, ist wie ein vom Meer geschlagenes Schiff. Es kentert, "Gewissen allein" das heißt "Gewissen ohne die Wahrheit" ist überhaupt kein Gewissen. Es muß gebildet werden, um dem Guten zu folgen und das Böse abzuweisen.

Es ist kein Geheimnis, daß jene, die daran arbeiten, "Humanae Vitae" endgültig zu begraben, sich jetzt über die Promulgierung von "Amoris Laetitia" freuen, als irgendeine Liebeslücke in der Lehre der Kirche, die endlich aufgefüllt worden ist. Der heutige theologische Versuch "Humanae Vitae" durch "Amoris Laetitia" auf die Art zu überwinden, daß dies die jüngste Lehre von Papst Franziskus zur Liebe in der Familie sei -ist direkt mit "Gaudium et spes" verbunden, ohne den leisesten Bezug zu "Humanae Vitae"  und "Casti Connubii". Die Versuchung das II.Vaticanum, von der gesamten Tradition der Kirche zu trennen, ist immer noch groß. So wie mit "Gewissen allein" ist es auch mit einem einzelnen Dokument des Lehramtes (entweder "Gaudium et Spes" oder "Amoris Laetitia") kein Dokument kann im eigenen Licht gelesen werden, sondern nur im Licht der gesamten Tradition der Kirche.

Nach einer sehr lauten Rebellion begann das Schweigen über die Doktrin. Und so kommen wir zur nahen Wurzel dieses Vertuschungsskandals: der Vertuschung der Lehre von der Sünde.
Das Wort Sünde begann nach dem II.Vaticanum aus den Predigten zu verschwinden. Sünde- als eine Trennung von Gott und ein Angriff auf IHN, als Abwendung von Gott und eine Fixierung auf die Geschöpfe- wurde ignoriert. Der außerordentliche Graben, den die Sündenlehre hinterließ, wurde jetzt durch psychologische Bewertungen multikausaler Bedingungen der Schwäches des Menschen aufgefüllt. Die spirituelle Theologie wurde durch die Lektüre Freuds und Jungs ersetzt. den wahren Meistern in vielen Seminaren. Sünde wurde irrelevant, während Selbstzufriedenheit und die Überwindung aller Tabus -besonders im sexuellen Bereich- die neuen kirchlichen Passwörter wurden. 

Andererseits hat eine neue Theologie der Barmherzigkeit- besonders die von Kardinal Kasper geförderte- geholfen, Gottes Barmherzigkeit als ein seinem Göttlichen Sein innewohnendes Merkmal neu zu fassen (wenn es so ist, gibt es da ein Göttliches Vergeben für sich selber, weil Gnade Reue und Vergebung erfordert?) als ob die Bestrafung durch Gerechtigkeit überwunden werden könne, indem man sie in eine immer-vergebende Liebe umdreht. Spielt in dieser neuen Definition die ewige Höllenstrafe  noch irgendeine Rolle? Barmherzigkeit ist zu einem theologischen Surrogat geworden, um die Sünde zu verdecken, sie zu irgnorieren und sie unter den Mantel des Vergebens zu nehmen.
Luthers Idee von der Rechtfertigung ist davon nicht weit entfernt.

Es wäre interessant, jene unter dem Kleru zu fragen, die diese schrrecklichen Verbechen begehen, ob sie an Sünde denken. Die schriftliche Lehre des Hl. Paulus "..jene die Christen sind haben ihr Fleisch gekreuzigt -mit Lastern und Lüsten gekreuzigt" (Gal 5:24) können leicht als altmodische Moralität erscheinen, nicht weil die Schrift falsch oder nicht vom Hl. Geist inspiriert ist, sondern einfach, weil unserer modernen Gesellschaft eine solche Lehre anzubieten nur anachronistisch, altmodisch wäre. Dem Weltgeist- oft mit dem "Geist der Konzils" vermischt- wurde gestattet, die wahre Doktrin des Glaubens und der Moral zu ersticken.

Ist auch Klerikalismus die Wurzel der aktuellen sexuellen Mißbraichskrise? Papst Franziskus hat das wiederholt gesagt. Sicher hat klerikale Macht zur sexuellen Versklavung von Seminaristen und Männern in der Ausbildung geführt. Aber es ist sehr schwer zu verstehen, wie durch Klerikalismus die Angriffe auf Generationen von Seminaristen erklärt werden kann, wenn Homosexualität überhaupt keine Rolle spielt. Das wäre so, als ob man sagen würde, ein Mann ist immer betrunken, nicht weil er trunksüchtig ist, sondern weil er genug Geld hat, um allen Alkohol zu kaufen, den er möchte-

Klerikalismus kann nicht die einzige Antwort sein, auch weil es noch eine andere, oft ignorierte  Form davon gibt- die viel schlimmer ist: seine klerikale Macht dazu benutzen, um die gute Lehre zu pervertieren.  Der Klerus fühlt sich leicht als Besitzer des Evangeliums und erlaubt sich, von den Geboten Gottes und der Kirche zu befreien -in Übereinstimmung mit der Modetheologie des Augenblicks.Wenn man aufhört, an der wahren Doktrin der Kirche festzuhalten, kann man leicht in die Falle der Selbstbelustigung und Sünde tappen. Andererseits ist ein Leben in Sünde, ohne Gottes heiligende Barmherzigkeit der beste Verbündete, um die Lehre zu manipulieren. Glaubenslehre und Moralleben gehören immer zusammen.

Zusammengefaßt: die wirkliche Wurzel dieses schmerzhaften Skandals liegt offen im Modernismus, der heute bereits zum Post-Modernismus geworden ist. Vom Bevorzugen der Änderung dogmatischer Formulierungen sind wir im Laufe der Zeit dazu übergegangen, sie komplett zu ignorieren. Die Lehre ist so sicher wie ein wichtiges Buch in einem sehr staubigen Bücherregal, hat aber kein Wort zum Puls unseres täglichen Lebens zu sagen.

Es darf keinen Zweifel über das Ausmaß dieser Krise und die Notwendigkeit zum Handeln, um dieses gegenwärtige Übel auszurotten, geben. Aber diese drastische Aktion, auf deren baldiges Eintreten wir hoffen. wird weit von einer Wirkung entfernt sein, wenn wir nicht zuvor zur Wahrheitsliebe zurück kehren, die klug versteht, daß eine Mentalität der Verhütung eine sterile Liebe ist, die die Möglichkeit zu einer Liebe außerhalb dieses Kontextes zuläßt, über sich hinaus, unreif.  Eine tote Liebe, die jetzt mit ihren sichtbaren Auswirkungen im sexuellen Mißbrauch und in klerikalen Skandalen die Kirche bedroht. Die weltliche Mentalität hat einen gewaltsamen Einfluss auf das Leben der Kirche.

Schließlich sollten wir dahin zurückkehren, die Dinge beim Namen zu nennen. Sünde ist immer noch Sünde: wenn wir nicht die Stärke haben, das zu tun, ist das ein Zeichen, daß die Sünde gesiegt hat.
Wenn wir die Sünde nicht bei ihrem Namen nennen, ist ihr der Weg bereitet, anstatt sie auszumerzen."

Quelle: Settimo Cielo, S. Magiste

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