Samstag, 13. Oktober 2018

Sandro Magister über die Jugendsynode, die "Benedikt-Option" und die Moderne

Sandro Magister läßt bei Settimo Cielo den italienischen Historiker zum Thema Jugendsynode, dem Dreher-Buch "Die Benedikt Option"  und Michel Houellebecqs Sicht der Dinge zu Wort kommen. Hier geht´s zum Original: klicken


"EINE SYNODE ZUR "BENEDIKT OPTION"? DIE ANALYSE EINES KIRCHENHISTORIKERS" 

"Die Jungen halten den Schlüssel für die Zukunft in Händen. Es wäre also natürlich bei der kommenden Jugend-Synode in Rom die Zukunft des Christentums in einer immer mehr post-christlichen Zeit zu bedenken.

Das ist der selbe Gedanke, der hinter der "Benedikt Option" des Amerikaners Rod  Dreher steht, dem meistdiskutierten Buch mit einem religiösen Thema der vergangenen Jahre.

Der folgende Kommentar trifft ins Zentrum dieser Diskussion-mit eigenen und durchdringenden Überlegungen.

Autor ist  Roberto Pertici, 66, Professor für Gegenwartsgeschichte in Bergamo und Spezialist für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat. Im vergangenen April hatten die Leser von Settimo Cielo die Gelegenheit, seine erhellende Analyse zum "Ende des Römischen Katholizismus", das das aktuelle Pontifikat in Gang gesetzt hat, schätzen zu lernen.
Und deshalb muß man bereit sein "das christliche Erbe intakt zu halten, um es in einer veränderten Welt erneut zu prsäentieren."
Er ist an der Reihe.




Rod Dreher, Konservativer und Christ
von Roberto Pertici

1. Über das jetzt berühmte, auch ins Italienische übersetzte Buch von Rod Dreher "Die Benedikt Option" hat es in Italien  viele Diskussionen gegeben, besonders nach der Tour des Autors zur Präsentation und Diskussion des Buches. Aber ich bekomme den Eindruck, daß die Debatte sich vor allem auf den Vorschlag konzentriert hat, durch den der amerikanische Schriftsteller sich hervorgetan hat: die Schaffung von Gemeinden, die sich mühen, die Christliche Tradition zu bewahren und zu fördern  und auf irgendeine Weise den Blick auf eine kübftgie Wiederkehr am Leben zu erhalten, während die Umwelt nicht nur klar ihre christlichen Wurzeln verliert sondern sie auch durch feindseliges Verhalten bedroht.
Genau diese Funktion wurde durch die Benediktinischen Klöster im späten Mittelalter ausgeübt.
Mir scheint, daß man dem politisch-kulturellen Hintergrund dieses Vorschlags und seiner zugrundeliegenden historischen Analyse weniger Aufmerksamkeit hätte widmen sollen.

Das ist keine Überraschung: von der ersten Zeile des Buches an, bezeichnet sich Dreher als "gläubigen Christen und engagierten Konservativen".  Die Galaxie des politischen, kulturellen und religiösen Konservativismus ist dem italienischen Publikum und seinen Medien zu großen Teilen unbekannt. Einer der großen Siege der Gegenkultur war de facto semantischer Art- um dieses Wort immer und in jedem Fall mit einer negativen Meinung zu umgeben und seinen wahren Zweck zu verbergen. 

Das war nicht immer so: im 19. und 20. Jahrhundert war es noch möglich, sich als "konservativ" zu definieren, ohne Angst zu haben, deligitimiert zu werden: wie jene mehr oder weniger "liberale" Katholiken, die eine Inklusion in die Italienische Politik durch eine Art Versöhnung zwischen Kirche und Staat zu erreichen versuchten. Dieser Prozess der Deligitimierung begann sicher- und ist- wenn nicht während des Faschismus begonnen- dann doch zumindest akzenutiert worden (der sich nicht zufällig selbst als revolutionär präsentierte) und erreichte nach dem II. Weltkrieg  seine Erfüllung, als die "konservative" Kultur mit dem besiegten Faschismus gleichgesetzt wurde. Und das war ein weiterere großer errfolg seiner Gegner: als ob De Gaulle, Churchill, Benedetto Croce und Thomas Mann, die polnische Exilregierung in London und die Verschwörer des 20. Juli 1944 keine "Konservativen" gewesen wären.

Das Gleiche geschah auf kirchlichem Gebiet. Der vielleicht größte Erfolg einiger Journalisten, die die Konzilsitzungen engmaschig verfolgt haben (unter den Italienern Giancarlo Zizola und Raniero della Valle)  war es, den Medien vom Konzil das Bild eines Aueinanderprallens von "Konservativen" und "Progressiven" zu vermitteln- und die Ersteren mit einer  negativen Aura zu umgeben, weil die außerhalb der Kirche, die sich auf der Seite des "Fortschritts" fühlten, von vornherein mit den Letzteren kooperierten: denken Sie an die hinterhätige Intervention des kommunistischen  Führers Palmiro Togliatti in der Konzilsdebatte in seiner berühmten Rede am 20. März 1963 in Bergamo.

2. Ein "Konservativer" glaubt, daß der Mensch ein soziales Wesen ist, eingebettet  in eine Gemeinschaft, die ihm einen "Status" gibt und fast eine Idenetität, daß er gegenüber dieser Gemeinschaft Pflichten hat, die mindestens ebenso wichtig sind wie seine Rechte, daß wahre Moral nicht so sehr in Selbstverwirklichung besteht als vielmehr in der Überwindung seines Individualismus im Hinblick auf das Allgemeinwohl, das aber nicht abstrakt ist, sondern als etwas Konkretes identifiziert wird: Familie, Land, Nation.
Diese Einheiten bleiben nicht fixiertr und starr; wie alles andere auch entwickeln undverändern sie sich, aber langsam und harmonisch: sie erlauben keinen im Fantasieland geplanten Aufruhr-auf der Basis abstrakter Forderungen von Sozialwissenschaften.

Innerhalb dieser Perspektive ist sich der Konservative der Wichtigkeit von Autorität und Ordnung bewußt, er hat eine organische Sichtweise der Gesellschaft, in der jeder eine Funktion hat zum guten Funktionieren des Ganzen hat. Er reduziert Beziehungen nicht auf rein wirtschaftliche oder utilitaristische Werte, weil er Mißtrauen gegen das reine Gesetz des Marktes  (sogar wenn es "Markt-konservative" sind).  Für ihn setzt sich die Gesellschaft aus Gebräuchen und Traditionen zusammen, die weit über das hinausgehen, was unmittelbar vernünftig und nützlich ist.
Eine wichtige Rolle spielt de facto das religiöse Element, dessen Zerbröckeln für die ganze soziale Struktur katastrophale Folgen hat. Der moderne Mensch- zumindest im Westen- ist deshlab entfremdet, indem er von einer positiven Beziehung mit anderen Menschen und den moralischen Zielen, die die Gemeinschaft ausgibt, abgeschnitten ist.

Wie Dreher zeigt, verläßt der "Entwurzelte" (déraciné) die objektiven moralischen Normen; er weigert sich, irgendein "Rahmenwerk" zu akzepztieren, das in religiöser oder kuktureller Hinsicht bindend ist, das aber nicht seinem eigenen Willen entspringt;
Er weist das Gedächtnis an die Vergangenheit als irrelevant zurück, er distanziert sich auch von jeder anderen sozialen Verpflichtung, die er nicht selebst gewählt hat.
In diesem Kontext unterliegt sogar das Chrisentum, sogar das Katholische, einer analogen Verwandlung: es wird ein therapeutischer, moralistischer Deismus, in dem Gott eine Art "imaginärer Freund" oder gutwilliger Psychologe ist, der uns Hilfe garantiert, wenn wir sie brauchen, uns nicht unter übermäßigen Lasten zerbricht, weil das fundamentale Ziel des Lebens ist, glücklich zu sein, ein gutes Selbstwertgefühl zu haben, und so die Sicherheit, daß uns nach dem Tod ein Paradies erwartet.
Die Hölle muß leer sein.

3. Rod Dreher ist daher ein Kritiker der Moderne, er verwirft sie nicht als Ganzes, aber er skizziert eine kritische Inhaltsliste. Dieser Aspekt steht auch im Gegensatz zur vorherrschenden Kultur unseres Landes, in der eine positive Beziehung zur berühmten "Moderne" fast zur Verpflichtung geworden ist um den Kulturen und politischen Positionen Würde zu verleihen.
Die Moderne identifiziert keine historische Phase, sondern ist zu einem ethisch-politischen Wert geworden. Die Schlüsselwörter der "Benedict Option" haben einen beabsichtigten kritischen Wert; Regeln, Ordnung, Gebet, Arbeit, Askese, Stabilität, Gemeinschaft, Gastfreundschaft, Ausgeglichenheit.
Selbst ein Ungläubiger, der sich entscheiden würde, zu leben als ob es Gott nicht gäbe, hätte keine Schwierigkeiten, sie sich zu eigen zu machen. Wie viele große und kleine Persönlichkeiten aus Vergangenheit und Gegenwart haben - ohne sich selbst tout court als Christen zu bezeichnen- gelebt und sie in die Praxis umgesetzt!

Ein analoger kritischer Rahmen wird durch das von Dreher vorgeschlagene pädagogische System dargestellt. Der amerikanische Schriftsteller zeigt ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber den Bildungsprioritäten, die heute in den öffentlichen Schulen vorherrschen, aber er macht sich auch keine großen Illusionen darüber, wie die "katholischen" Schulen geführt werden, von der Grundschule bis zur Universität. Angesichts der Überflutung der "Erasmus-Generation" durch
technologischen Kultur und kulturellen Konsum schlägt er die klassische Pädagogik vor, die 1947 von Dorothy Sayers in "The Lost Tools of Learning" erarbeitet wurde:
in der Praxis eine christlich-klassische Schule, basierend auf einer Rückkehr zu den Wurzeln der westlichen Kultur, sowohl der griechisch-römischen als auch der christlichen, die bereits in der Spätantike und dann im italienischen Humanismus aufeinander getroffen waren.
Ja-  "westlich", denn unsere jungen Leute - Dreher besteht darauf - müssen in die Geschichte der westlichen Kultur eingetaucht sein, nicht dagegen geimpft sein: in der Überzeugung, daß sie die grundlegenden Konzepte des Lebens ausgearbeitet hat, deren Ignorieren enorme Kosten in der Entwicklung unserer Gesellschaften verursachen wird.

Fortsetzung folgt.....

Quelle: Settimo Cielo, S. Magister, R. Pertici

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