"NACH DEN URTEILEN GEGEN DIE KARDINÄLE PELL UND BARBARIN. DIE BELAGERTE KIRCHE, FASSUNGSLOS"
In Australien landete Kardinal Pell im Gefängnis. In Frankreich wurde Kardinal Philipee Barbarin, Erzbischof von Lyon zu einer zur Bewährung ausgesetzten 6-monatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Und es ist möglich, daß weitere prominente Kardinäle und Bischöfe bald unter dem Urteil von säkularen Gerichten stehen - beschuldigt sexuellen Mißbrauch Minderjähriger begangen oder vertuscht zu haben.
Für die Katholische Kirche stellen sich hier bemerkenswert schwerwiegende Fragen, angesichts derer sie keineswegs zuversichtlich ist und weiß was zu tun ist.
Insbesondere zu folgenden drei Fragen:
1. EIN SONDERTRIBUNAL UM DEN PAPST VOR GERICHT ZU STELLEN?
Sowohl Pell als auch Barbarin sind auf Grund fragwürdiger Beweise für schuldig befunden worden, beide in einem zweiten Prozess, nachdem dem ein erster ohne Schuldspruch endete.Für Barbarin hatte sogar der Staatsanwalt Freispruch gefordert. Beide sagen, daß sie unschuldig sind und haben Revision eingelegt.
In der Kirche jedoch wurde -während der Prozess noch lief- Ersterem verboten sein Amt öffentlich auszuüben und der Kontakt zu Minderjährigen untersagt. Und vor einigen Tagen hat Letzterer seinen Rücktritt angekündigt-sicher, daß der Papst den annimmt.
In Pells Fall wurde bekannt gegeben, daß die Glaubenskongregation einen kanonischen Prozess eröffnen wird. Und es sit wahrscheinlich, daß das auch für Barbarin gelten wird.
Aber welche Art Prozess? Und wie? Entlang der allgemeinen Richtlinien für Bischöfe, die verdächtigt werden, eines Mißbrauchsvergehens oder seiner Vernachlässigung zu sein, hat Papst Franziskus im Juni 2016 einen apostolischen Brief geschrieben "Wie eine liebende Mutter" in dem -wie er später bei der Pressekonferenz auf dem Rückflug von Irland am 26. August 2018 erklärte- "gesagt wird, daß es gut wäre, wenn es für Bischöfe Sondergerichte gäbe"-eines für alle.
Bald jedoch behauptete Franziskus selbst "daß das nicht praktizierbar sei" und stimmte dafür, sich in jedem Fall einer Jury anzuvertrauen. Wie in dem Fall- den er als beispielhaft bezeichntete- des Erzbischofs von Guam Anthony Sablon Apuron - der in erster Instanz von der Glaubenskongregation verurteilt wurde, aber um dessen Einspruch sich dann Papst Franziskus mit Hilfe einer Gruppe von Kirchenrechtlern selbst kümmerte.
Alle diese Prozeduren bleiben weiterhin unsicher. Im vergangenen November hat Franziskus der us-amerikanischen Bischofskonferenz verboten, über die Schaffung einer unabhängigen Körperschaft aus Laien abzustimmen, die mit einer ersten Anhörung beschuldigter Bischöfe beauftragt werden sollte. Aber die von Kardinal Cupich vorgehaltene Alternativlösung und durch ihn auch vom Papst- die erste Anhörung dem Metropoliten der Kirchenprovinz des Beschuldigten zu übertragen, ist auch weit davon entfernt, kodifiziert worden zu sein- trotz der Tatsache, daß sie von Cupich beim vaticanischen Gipfeltreffen vom 21.-24. Februar, dazu gedacht, zu klären, wie man die Mißbrauchsseuche bekämpfen könne- erneut vorgebracht wurde.
Gegen Cupichs Vorschlag wurde u.a. vorgebracht, daß die erste Befragung dem Metropoliten -oder einem anderen Bischof- aus der Provinz des Beschuldigten -aufzutragen, läuft Gefahr, das Urteil in die Hände von Klerikern zurückzulegen, die oft zur selben Clique gehören und deshalb in Versuchung sind, einander beizustehen.
Aber da ist mehr. Wenn es Unsicherheit im Umgang mit des Mißbrauchs oder dessen Vernachlässigung verdächtigen Bischöfen gibt, was wenn der Beschuldigte der Papst selber ist?
Im Prinzip ist es das, was passiert. Papst Franziskus hat denen noch nicht geantwortet, die- wie der frühere Nuntius in den USA, Carlo Maria Viganò -ihn beschuldigt haben, den damaligen Kardinal Theodore McCarrick zu unterstützen und zu befördern, trotz der Tatsache, daß er von seinen zahlreichen Mißbräuchen wußte. Und er schweigt seit mehr als 6 Monaten, nachdem er Journalisten bei der Pressekonferenz auf dem Rückweg von Irland am 26. April 2018 versprach, "studieren Sie das, dann werde ich sprechen."
Inzwischen lastet der Fall des argentinischen Bischofs Gustavo Oscar Zanchetta noch schwerer auf Papst Franziskus, der Fall seines Freundes und spirituellen Sohnes -seit er Untersekretär der Argentinischen Bischofskonferenz war und den er im Sommer 2013 zum Bischof von Orán ernannte und der später "aus nicht näher erklärten "Gesundheitsgründen" im Sommer 2017 zurücktrat aber vom Papst sofort- im Dezember- auf den maßgeschneiderten Posten des Assessors der APSA des Hl. Stuhls beförderte- trotz der Tatsache, daß bei verschiedenen Gelegenheiten zwischen 2015 und 2017 sehr detaillierte Beschuldigungen über sein Fehlverhalten von Klerikern der Diözese Orán an die zuständigen Autoritäten in Argentinien und Rom geschickt wurden.
Auch dazu schweigt Franziskus. Die einzige Entscheidung die bisher zu Zanchetta bekannt gegeben wurde, ist, daß von Rom eine Voruntersuchung in Argentinien angeordnet wurde.
Und wenn diese Untersuchung- nach Rom zurückberichtet - die Verantwortung von Papst Franziskus bestätigen sollte, wird man sehen müssen, wie die Forderung nach einem fairen Prozess mit den Vorschriften von Kanon 1404 zu vereinen ist, der vorschreibt, daß "über den Ersten (Hl.) Stuhl niemand urteilt" der aber in § 2 von Kanon 1405 klar macht, daß "ein Richter keine Handlung des Römischen Pontifex aufheben kann,...ohne zuvor von ihm dazu beauftragt worden zu sein."
2. EIN REGULÄRER ODER "ADMINISTRATIVER" KANONISCHER PROZESS?
Im Fall McCarrick hat am vergangenen 15. Februar die Glaubenskongregation am Ende eines Strafprozesses vom administrativen Typ (also verkürzt und vereinfacht) seine Zurückversetzung in den Laienstand angeordnet.
Die Kongregation geht fast immer so vor- auf außergerichtlichem Weg, in den Tausenden von Mißbrauchsfällen die unter ihre Jurisdiktion fallen. Bei McCarrick war es möglich, schnell zum Urteil der Rückversetzung in den Laienstand zu kommen, vor dem für die Zeit 21. -24.Februar in den Vatican einberufenen Gipfeltreffen.
Aber das brachte -vielleicht geplant- einen schweren Nachteil mit sich: die Unmöglichkeit in einem juristischem Vorgehen das Netzwerk von Komplizenschaft und Gefallen bis in die höchsten Ebenen der Hierarchie zu rekonstruieren, dessen sich McCarrick durch die erfreute, die trotzdem von seinen Missetaten wußten.
Nicht zu reden von der unverständlichen Verzögerung bei der Veröffentlichung alles dessen, was bzgl.McCarricks in den Archiven der Dicasterien und Büros des Hl. Stuhls dokumentiert worden war.
Die Ankündigung der Veröffentlichung dieser Dokumente, wie der Ergebnisse der Voruntersuchung, die zu seiner Entfernung aus dem Kardinalskollegium geführt hatten, wurde am 6. Oktober gemacht. Und am folgenden Tag bestätigte Kardinal Marc Ouellet, Präfekt der Bischofskongregation, in einem Brief an den früheren Nuntius Viganò, daß McCarrick seit 2006 unter vertraulichen "Restriktionen" stand, nicht reisen und nicht in der Öffentlichkeit erscheinen zu dürfen, "weil es Gerüchte über seinen Verhalten gab" , Einschränkungen, denen er nicht gehorchte. Aber seit dem 6. Oktober sind mehr als 5 Monate vergangen und immer noch ist das Dossier nicht- wie angekündigt- veröffentlicht worden.
Welche Prozedur wird dann die Glaubenskongregation bei einem kanonischen Prozess gegen Kardinal Pell anwenden?
Angesichts der Tatsache, daß die Kongregation auf alle Fälle das Resultat des Revisionsprozesses - dessen Eröffnungsanhörung auf den 5. und 6. Juni festgesetzt ist- abwarten wird, bevor sie ihr eigenes Vorgehen festlegt, darf man nicht vergessen, was der Hl. Stuhl in diesen Fällen üblicherhweise tut, das heißt, wenn er den administrativen Weg beschreitet, nachdem ein säkulares Gericht schon sein Urteil gesprochen hat.
In Fällen dieser Art pflegt der Hl. Stuhl als Grundlage die Erkenntnisse des Weltlichen Gerichts zu nehmen, Und deshalb - falls der mögliche Revisionprozess wieder mit einer Verurteilung endet, folgt dem üblicherweise eine kirchliche Verurteilung ebenso wie die Reduzierung Pells in den Laienstand.
Deshalb ist es wahrscheinlich, daß Pells Anwälte darauf bestehen werden, daß der Hl. Stuhl für ihren
Klienten nicht den administrativen Weg wählt sondern einen regulären kanonischen Prozess, der weniger von den Ergebnissen des Australischen Gerichts beeinflußt wird, mit anderen Worten-autonomer, freier und souveräner ist.
3. FREISPRUCH ODER VERURTEILUNG - BEIDES HAT EINEN HOHEN PREIS
Und was passiert, wenn der Hl.Stuhl sein Vorgehen in Pells Fall bekannt gibt?
Wenn es zu einer Verurteilung kommt, auf gleicher Ebene, wie das, was das Australische Berufungsgericht entscheidet, kann man sicher annehmen, daß es Beifall von der weltlichen Öffentlichen Meinung und den Vertretern der "Null-Toleranz" in der Kirche geben wird.
Aber Proteste wird es von denen geben, die das als Niederlage der Grundrechte auf ein faires Verfahren sehen werden- angesichts der Inkonsistenz der Beschuldigungen- wie der ruinösen Unterwerfung der Kirche unter weltliche Mächte.
Wenn das Urteil dagegen ein Freispruch ist, wird es im Gegensatz zu dem, was das Australische Gericht vielleicht entscheidet, es jene geben, die die Autonomie und den Mut der Kirche bewundern, trotz des praktischen Nichtvorhandenseins von Beweisen, die die Vorwürfe stützen, eine solche Entscheidung zu treffen.
Aber es wird sicher nicht nur von Seiten der säkularen Öffentlichen Meinung, sondern auch von den Bereichen in der Kirche hitzige Reaktionen geben, die den Bischof für alle Fälle als nicht zu retten beurteilen, der vielleicht einfach nur beschuldigt worden sein könnte, "Mißbrauch" vertuscht zu haben- egal ob er später vor Gericht freigesprochen wird.
Das ist z.B. schwarz und weiß im Hinblick auf Kardinal Barbarin vom früheren Amtsrichter des Interdiözesanen Gerichts von Lyon, Pierre Vignon, geschrieben worden, der im vergangenen Sommer öffentlich seinen Rücktritt verlangte, bevor noch der zweite Prozess gegen ihn zuende gegangen war, nachdem der erste mit einem Freispruch endete:
"Ich bin wiederholt gefragt worden, wie ich reagieren würde, wenn der Kardinal vom Gericht für unschuldig erklärt wird. Das Gewissen eines Christen muß nicht auf das Urteil eines Gerichts warten, um zu wissen, was zu tun ist. Wenn Kardinal Barbarin nicht verurteilt wird, ist er auf alle Fälle nicht länger eine Person, die sich den Opfern präsentieren kann."
Das ist auch die Botschaft des Films "Grâce à Dieu", dessen Thema und Ziel kein anderer als Kardinal Barbarin ist , der herauskam, kurz bevor das Lyoner Gericht sein Urteil fomulierte,
Zurück zum Fall Kardinal Pells- es gibt einige, die sogar Angst haben, daß die Australische Regierung -unter dem Druck der Öffentlichen Meinung. einen kirchlichen Freispruch des Kardinals als ausdrückliche Verurteilung des Australischen Rechtssystems interpretieren könnte und die Beziehungen zum Hl. Stuhl abbrechen und auf seine Entfernung aus der Versammlung souveräner Staaten drängen könnte.
Ob sich diese dramatische Folge als wahr erweist oder nicht, für die Kirche ist diese Zeit eine Zeit der Belagerung."
Quelle: Settimo Cielo, S. Magister
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