Donnerstag, 25. April 2019

Ein weiterer bisher unveröffentlichter Text des Papa emeritus.... Lesen!

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo einen weiteren, bisher unveröffentlichten Text des Papa emeritus, - den Brief an den Wiener Oberrabbiner Arie Folger vom August 2018.  Der ist jetzt Teil eines gerade veröffentlichen Buches von Elio Guerriero - über den Dialog Benedettos mit dem Rabbiner.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"DIE BEIDEN PASCHA-FESTE VON JUDEN UND CHRISTEN- EIN UNVERÖFFENTLICHTER BRIEF DES PAPA EMERITUS. "

92 Jahre nach seiner Geburt und 6 Jahre nach seinem Rücktritt vom Papstamt ist Joseph Ratzinger immer noch sehr aktiv. Einige Tage nach der sensationellen Veröffentlichung seines Essays über den Skandal des sexuellen Mißbrauchs in der Katholischen Kirche, erblickt ein anderer unveröffentlichter Text das Licht, von dem man wußte, daß es ihn gibt, der aber erst jetzt im gerade veröffentlichten Buch von Elio Guerriero in Gänze gelesen werden kann.

Benedetto XVI im Dialog mit Rabbiner Arie Folger `"Juden und Christen" in der Edition San Paolo, Cinisello Balsamo, 2019"

Der jetzt veröffentlichte Text ist der Brief, den der Papa emeritus im August 2018  an den Wiener Oberrabbiner Arie Folger  geschrieben hat. 
Rabbi Folger hat ihm darauf am 4. September mit einem Brief geantwortet, der ebenfalls in diesem Buch veröffentlicht wurde. 

Diesem Briefwechsel folgte am 16. Januar dieses Jahres ein Besuch Rabbi Folgers, des Darmstädter Rabbiners Josh Ahrens und des sächsischen Rabbiners Zsolt Balla, Mitgliedr der Orthodoxen Rabbiner-Konferenz in Deutschland bei Ratzinger in seiner vaticanischen Einsiedelei. 

"Es war ein intensives Gespräch, das eine Stunde dauerte" kommentiert Folger im Vorwort des Buches, "Ich habe in ihm einen sehr genialen und tiefen Denker gefunden, der vom Antisemitismus und Anti-Judaiismus in jeder Form abgestoßen ist." 

Und dennoch sind die vom  Papa emeritus und den Rabbinern diskutierten Themen nicht belanglos. Sie haben immer zu den kontroversesten in der Beziehung zwischen Judentum und Christentum gehört: der Messias, das Gelobte Land, der Bund, Anbetung, die Gebote. 

Ratzinger hatte sie schon intensiv in einem vorhergehenden Text diskutiert, der 2017 an den Schweizer kardinal Kurt Koch, Präsident der Vatican-Kommission für den Dialog mit dem Judentum, geschickt wurde,und im folgenden Jahr in den deutsche, französischen und englischen Ausgaben der theologischen Zeitschrift "Communio" veröffentlicht wurde -und schließlich auch italienisch in der "Rivista di Vita Spirituale" Anfang 2019.

Und diesem Text Ratzingers -mit dem Titel " Gnade ohne Bedenken"  und den Beobachtungen über die Abhandlung "De Judaeis"  folgte ein Dokument, das im Dezember 2015 von der von Kardinal Koch geleiteten Kommission zum 50. Jahrestag der Deklaration "Nostra Aetate" des II. Vaticanischen Konzils herausgegeben wurde.



Dieses Dokument mit dem Titel "Die Gaben und Berufungen Gottes sind endgültig" verwarf auf katholischer Seite die sog. "Theorie der Ersetzung"- nach der Israel, weil es sich geweigert hatte, Jesus Christus als Messias anzuerkennen, aufhörte, der Träger der Versprechen Gottes zu sein- und durch die Kirche ersetzt wurde.

Außerdem wird entschieden daran festgehalten, daß der Bund zwischen Gott und dem Volk Israel fortdauert, der nie widerrufen wurde.

So sind nach Ratzingers Urteil beide Thesen in vielerlei Hinsicht in sich korrekt aber sie sind ungenau und müssen kritisch weiter entwickelt werden."

Und dieser Entwicklung ist dieser gesamte Text von 2017 genau gewidmet,.

Der wurde unmittelbar nach seiner Veröffentlichung im Sommer 2018 von katholischer Seite mit einem Sturm der Kritik empfangen, besonders von deutschsprachigen Theologen, die in ihm "Eine Gefahr für den katholisch-jüdischen Dialog" sahen und sogar "die Grundlage für einen neuen Antisemitismus."

Ratzinger antwortete einem seiner Kritiker, dem Wuppertaler Theologen Michael Böhnke, in der Zeitschrift "Herder Korrespondenz" vom Dezember 2018.

Zur selben Zeit erweckte Ratzinger auf Grund des selben Textes Interesse und Zustimmung im jüdischen Lager, u.a. ausgedrückt von Rabbi Folger in einem in der Jüdischen Allgemeinen veröffentlichten Kommentar vom 16. Juli 2018- unter dem fragenden Titel "Gefahr für den Dialog?"

Genau als Antwort auf diesen Kommentar hat Ratzinger Rabbi Folger den Brief geschrieben, der jetzt öffentlich gemacht wurde.

Das von Elio Guerriero, der 20 Jahre lang Direktor der Italienischen Ausgabe von "Communio" war- und Autor einer in viele Sprachen übersetzten, gefeierten Biographie von Benedikt XVI,  sammelt diese Reihenfolge von Briefen und Dokumenten - unter denen von Jüdischer Seite die Erklärung "Zwischen Jerusalem und Rom" einen prominenten Platz einnimmt, die von drei der wichtigsten religiösen jüdischen Organisationen, der Konferenz der Europäischen Rabbiner, dem Rat Amerikanischer Rabbiner und dem Staat Israel unterschrieben wurde.

Aber hier sollte es genügen, die suggestivsten Passagen aus Ratzingers Brief vom August 2018 zu zitieren. Beginnend mit dem Satz, der von Folger und den beiden anderen Rabbinern mit warmer Zustimmung begrüßt und mit großem Nachdruck auf der Rückseite des Umschlags abgedruckt wurde.

Nach menschlichem Ermessen wird dieser Dialog nie zur Einheit der beiden Interpretationen in der laufenden Geschichte führen. Diese Einheit ist am Ende der Zeit Gott vorbehalten."

Im Hinblick auf die messianische Hoffnung Israels schreibt Ratzinger:

Ich habe versucht, ex novo die gesamten messianischen Versprechen in ihrer Vielfalt zu erfassen und so das "schon"  und das "noch nicht" der Hoffnung in ihrer intimen Interpretation zu verstehen. Die  Form der messianischen Erwartung, die auf der Figur von David beruht, bleibt gültig, ist aber in ihrer Bedeutung begrenzt. Die endgültige Form der Hoffnung ist für mich Moses- von dem die Schrift sagt,daß er von Angesicht zu Angesicht mit Gott gesprochen hat, wie ein Freund. Jesus von Nazareth erscheint uns Christen als zentrale Figur der Hoffnung, weil er zu Gott mit Vornamen spricht.
In dieser neuen Vision erscheint uns die Kirche nicht mehr als die Zeit einer endgültig erlösten Welt sondern die Zeit der Kirche ist für uns Christen eher das, was für Israel die vierzig Jahre in der Wüste waren."

Was das Gelobte Land angeht, schreibt Ratzinger, daß der Staat Israel als solcher theologisch nicht als Erfüllung des Versprechens des Gelobten Landes angesehen werden kann, In sich ist es ein säkularer Staat , "der jedoch " völlig legitime religiöse Grundlagen hat." Deshalb "behaupte ich, daß man in der Gründung des Staates Israel auf eine geheimnisvolle Weise, die Treue Gottes zu Israel erkennen kann."

Was endlich die Gebote und den Gottesdienst angeht, schreibt Ratzinger, daß "über dieses gesamte Thema seit Beginn der Neuzeit der Schatten des antijüdischen Denkens Luthers liegt, der einen pseudoreligiösen Marcionismus erzeugt hat, der bisher noch nicht wirklich diskutiert worden ist. Ich behaupte, daß es zu diesem Punkt große Möglichkeiten für einen erneuten Dialog mit dem Judentum gibt."

Im Brief an Rabbi Folger kehrt Ratzinger nicht zur Frage der Erlösung der Juden in Gottes Plan zurück. Aber das hat er in seinem Text von 2017 getan- besonders in dieser Passage:

"Nicht nur schreibt der Hl. Paulus, daß ganz Israel gerettet werden muß" sondern daß die Offenbarung des Hl. Johannes auch zwei Gruppen der Geretteten sieht : sie 144 Tausend der 12 Stämme Israels und außer diesen eine große Menge , die man nicht zählen kann, als Vertreter jener Geretteten unter den Heiden. Vom Gesichtspunkt der Tradition des Neuen Testaments aus, ist diese Perspektive nicht eine Realität, die einfach am Ende -nach vielen Jahrtausenden- stattfindet. Statt dessen ist sie etwas, das irgendwie immer gegenwärtig ist."

Gegenwärtig wie die beiden Pascha-Feste dieses Jahr am selben Tag mit ihrer jeweiligen Interpretation gefeiert werden- sowohl von den 12 Stämmen Israels als auch von der Menge, die an Jesus von Nazareth glaubt. In der Hoffnung, daß die Einheit am Ende der Zeit Gott vorbehalten bleibt."

Quelle Settimo Cielo, S. Magister







 

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