Montag, 4. Mai 2020

Wo sind die katholischen Intellektuellen?

In seiner heutigen montäglichen Kolumne in "Monday in the Vatican" kommentiert Andrea Gagliarducci die Reaktionen und den Umgang der Hl. Stuhls mit der Coronavirus-Pandemie und ihren Folgen. Hier geht´s zum Original: klicken

"ORTE AN DENEN DIE KIRCHE ABWESEND ZU SEIN SCHEINT"
"Die caritative Tätigkeit wurde nicht eingestellt. In vielen Ländern können die Priester wegen der  Corona-Virus Lockdown-Bestimmungen die Hl. Messe nicht feiern. Die caritative Arbeit der Kirche ging jedoch weiter, sogar härter angesichts neuer und vermehrter Notfälle. Weil es keine öffentlichen Messfeiern gibt, haben die Priester tägliche Streaming-Messen organisiert.  Papst Franziskus selbst hat das Beispiel dafür gegeben und läßt seine tägliche Morgenmesse live übertragen.
Die Bischöfe waren nie so sichtbar. Man sieht sie in Gesprächen mit Regierungen und wie sie versuchen die Gesundheitsmaßnahmen abzumildern, um es den Menschen zu ermöglichen an der Messe teilzunehmen, man sieht sie in den Medien auch die Messe feiern und in den Medien über Gott sprechen. 
Der Papst war auch nie so präsent: Das Bild des einsamen Papstes, der über einen regnerischen Petersplatz geht, steht jedermann vor Augen. 
Trotz dieser andauernden Gegenwart war die Kirche auf einem Gebiet abwesend: in der Kultur-Szene. Das darf man nicht unterschätzen.
Papst Franziskus hat oft gesagt. daß die Kirche in Gefahr ist, eine barmherzige NGO zu werden. Während der Morgenmesse am 30. April erinnerte Papst Franziskus daran, daß die Werke nicht zählen, wenn sie nicht aus dem Glauben kommen. Und der Glaube- betonte der Papst- wird durch Anziehung verbreitet.
In der Apostolischen Konstitution Veritatis Gaudium wird für die päpstlichen Universitäten ein neues multidisziplinäres Angehen gefordert. Dieses Angehen sollte durch das  "Universale Programm für Bildung" erreicht werden, das Papst Franziskus im Mai veröffentlichen wollte. Wegen der Corona-Krise wurde die Veröffentlichung auf November vertagt.
Papst Franziskus´ Engagement zur Förderung neuer Ideen ist  nicht in kulturellen Initiativen übertragen worden. Bei den kulturellen Debatten in der Gesellschaft scheinen die Katholiken unsichtbar zu sein. Wenn Sie an den Gesprächen teilnehmen, sind sie Teil des mainstreams.
Sie vertreten kaum abweichende Standpunkte oder neue katholische Perspektiven. 
Ein Beispiel: als die Corona-Virus-Pandemie ausbrach und es für die Patienten zu wenig Plätze auf den Intensivstationen gab, wurde zuerst darüber nachgedacht, jüngeren Patienten den Vorzug vor älteren zu geben. Die selbe Rationale drohte angewendet zu werden, als es genug Platz auf den Intensivstationen gab. Das Dicasterium für die Laien, Familie und das Leben  hat dieses Risiko in einem Dokument unterstrichen.



Nach der Veröffentlichung des Dokuments wurde nichts mehr gesagt. Die Bischöfe haben das dann nicht weiter  kommentiert. Zudem haben die Katholiken in der Gesellschaft  nicht darüber gesprochen- Das Thema einer "versteckten Euthanasie" für die Älteren kam nie auf. Dennoch ist dieses Thema Teil der kulturellen Debatte, das zu einer politischen Frage wird,.Es geht darum den Älteren, die am wenigsten für sich selbst sprechen können, eine Stimme zu geben. Warum waren da keine katholischen Intellektuelle, die sich dieser Herausforderung gestellt haben?

Ein anderes großes Thema, das auf dem Tisch liegt, ist die Kultusfreiheit. Es gibt- das ist wahr- die Notwendigkeit den Sicherheitsmaßnahmen für die Gesundheit zu befolgen. Aber nur wenige Kommentatoren haben gesehen, daß das Verbot, die Messe in Anwesenheit der Gläubigen zu feiern, möglicherweise Thema einer Frage Internationalen Rechts ist. 
In diesem Fall mangelte es an institutionellem Denken, um zu erkennen, daß der Hl. Stuhl die Autonomie besitzt, das zu entscheiden. Nicht der Staat sollte entscheiden, daß es keine religiösen Versammlungen geben darf. Von einem formalen Standpunkt aus, sollte die Kirche formal zustimmen, keine Versammlungen zu gestatten und so den staatlichen Notwendigkeiten entgegen zu kommen. Das ist ein weites, diskussionswürdiges Thema.
Wo waren die katholischen Intellektuellen?
Die Kulturfreiheit ist Teil der Religionsfreiheti. Und bei der Religionsfreiheit geht es um die Möglichkeit seinen Glauben zu bekennen und entsprechend  zu leben. Wer garantiert denn, daß die Kirche und die Gläubigen im Allgemeinen immer die Möglichkeit haben werden, ihren Glauben öffentlich zu verkünden?  Dank der Kurz-und Mittelwelle Sender, die von keinem Staat kontrolliert werden, kann  Vatican Radio die ganze Welt erreichen Vatican Radio hat jedoch beschlossen seine Kurz-und Mittelwellensender zu schließen und hat manchmal sogar Abkommen getroffen, daß soziale Netzwerke sein Programm ausstrahlen. Das bedeutet, daß die Kirche jederzeit zum Schweigen gebracht werden kann. Es war kurzsichtig,bei der Reform der Kommunikation des Vaticans nicht daran zu denken. Es erscheint jetzt noch kurzsichtiger, weil die Priester jetzt nur auf die digitale Sphäre zurückgreifen können. um den Glauben zu verbreiten und die Messe zu feiern.
So wir die digitale Freiheit zu einem großen Thema. Der Hl. Stuhl hat viel über das Thema künstliche Intelligenz gearbeitet. 

Das sind legitime Anliegen. Aber eine Perspektive fehlt: die juristisch-diplomatische. Wie wird die neue Technologie benutzt werden, um den Menschen zu kontrollieren?  Wie kann sie im Kriegsfall benutzt werden?  Was sagt die Soziallehre der Kirche dazu? Und dann: wie kann man der Nutzung von Computer-chips zur Schaffung von Hybrid.Sodaten entgegen treten? Papst Franziskus´ Reise nach Japan wirft ein Licht auf die Nuclear-Gefahr. Das ist nicht die Zukunft, Zukünftige Kriege werden durch Daten-Kontrolle und kleine Waffen geführt werden, den sogenannten " tödlichen autonomen Waffen". Der Hl. Stuhl hat bei vielen internationalen Treffen darüber gesprochen.
Wo sind die katholischen Intellektuellen, die das Thema der Öffentlichkeit präsentieren, die kulturelle Lücke zu füllen und die Zukunft zu blicken?
Schließlich  -Wirtschaftsthemen.  In den 1980-ern hat der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden zwei Dokumente zur globalen Wirtschaft und ihren möglichen Konsequenzen formuliert. 

Diese zwei Dokumente waren prophetisch und haben sogar die Spekulationsblase der 90 Jahre vorhergesagt. Heute bietet der Papst die Wirtschaft von Franziskus an, um junge Wirtschaftsfachleute dazu zu bewegen, über ein neues Wirtschaftsmodell nachzudenken. Zunächst für März vorgesehen, ist das erste Treffen in den November verschoben worden.
Trotz dieser Bemühungen fehlt bisher eine prophetische Antwort auf diese Krise. Katholische Wirtschaftsfachleute können zur Vergangenheit großartige Analysen liefern - versagen aber dabei größere Veränderungen vorher zu sagen. Außerdem sieht es so aus, als ob das vorgeschlagene Wirtschaftsmodell hauptsächlich ein Wohlfahrtsmodell ist. Ein Vorschlag für die Entwicklung fehlt.
Außerdem brauchen wir aufgeschlossene Katholische Unternehmer, die von Katholischen Politikern unterstützt werden- basierend auf einer gesunden katholischen Philosophie.
Dieses ist eine Zeit für pragmatische Entscheidungen und das ist in der Kirche nicht anders.
Von der Kirchenlehre aus handelt die Kirche praktisch. Es sieht so aus. als ob die Kirche ihre Fähigkeit verloren hat, tiefgreifend und über die Zukunft nachzudenken. Alles ist immer nur eine Antwort auf praktische Probleme. Die Kultur ist jetzt vom Tisch. Als ob die Kultur nur eine Theorie ist und aus diesem Grund nicht essentiell.
Kultur schafft jedoch Zivilisation. Kultur schafft Bewußtsein. Kultur mach Geschichte. Kultur hat die Kirche geformt. Und heute scheint Kultur beiseite geschoben zu werden. Hoffentlich wird es im September- wenn alles wieder losgeht- auch einen prophetischen Ausblick auf das geben, was verloren gegangen ist."

Quelle: Monday in the Vatican

1 Kommentar:

  1. Ja, nu, wo sind die katholischen Intellektuellen? Zuerst würde man da auf die Theologie-Fakultäten schauen, dort finden sich aber in der Regel Politfunktionäre, die über „Geistermessen“ schwafeln und transzendent Aspekte der Pandämie möglichst klein reden.
    Der Münsteraner Liturgiewissenschaftler Clemens Leonhard schlug vor, den Ostertermin aufgrund der Corona-Pandemie (wie eine Fußball-EM) einfach zu verschieben (www.feinschwarz.net vom 30. März 2020), sein Dortmunder Kollege Professor Thomas Ruster, möchte allen Erstes Telefon- und Online-Sakramente einführen (www.katholisch.de vom 30. März 2020). Theologieprofessorin Julia Knop1 kritisiert u.a. priesterliche Sakramentsprozessionen durch leere Straßen, die Weihe ganzer Bistümer an das Herz der Gottesmutter, Generalabsolutionen und Ablässe als „magische Restbestände und regressive Muster, die einen fatalen Trost versprechen“ (https://theologie-aktuell.uni-erfurt.de/warnung-vor-retrokatholizismus-knop/).

    Gehaltvoll katholisches Gedankengut findet man i.d.R. nur in THEOLOGISCHES, der Una Voce Korrespondenz oder „Die Neue Ordnung“, bei nominalkatholischen Fakultätsfunktionären wird man nichts finden.

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