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"ERZBISCHOF VIGANÒS HERAUSFORDERUNG DES II. VATICANISCHEN KONZILS"
[Das Folgende sind meine Überlegungen zu einem neuen Statement von Erzbischof Viganò, das er als Antwort auf Fragen abgegeben hat, die ich ihm zu seinen Ansichten über die Autorität des Zweiten Vatikanischen Konzils gestellt habe.]
Anfang Juni machte Erzbischof Carlo Maria Vigano, der im August 2018 internationale Aufmerksamkeit erregte, als er Mitarbeiter des Vatikans, darunter Papst Franziskus beschuldigte, das übergriffige sexuelle Fehlverhalten von Theodore McCarrick vertuscht zu haben, mit einem offenen Brief an Präsident Donald Trump erneut Schlagzeilen. Der ehemalige apostolische Nuntius in den USA lobte Präsident Trump für seine Verteidigung des menschlichen Lebens und ermutigte ihn, sich den Anstrengungen des „deep state" zu widersetzen.
Wie vorhersehbar wurde der Brief des Erzbischofs, weil er ein heißes politisches Thema berührte, zum Gegenstand von Kontroversen - insbesondere, als Präsident Trump (ebenso vorhersehbar) die Unterstützung durch den Erzbischofs auf seinem Twitter-account veröffentlichte.
Leider hat die sich daraus ergebende politische Rhetorik die Aufmerksamkeit von einer anderen Erklärung abgelenkt, die Erzbischof Vigano wenige Tage später veröffentlichte. Diese zweite Aussage (eigentlich die jüngste in einer langen Folge öffentlicher Äußerungen des ehemaligen Nuntius) war meiner Ansicht nach weitaus wichtiger, weil sie die Lehrautorität der katholischen Kirche betrifft.
Die Erklärung von Erzbischof Vigano vom zweiten Juni war sicherlich provokativ, wenn nicht geradezu prophetisch. Darin konfrontierte er direkt mit der verärgerten Frage, wie es dazu kam, daß die Universale Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil aufgesplittert wurde. Er brachte ein starkes Argument dafür vor, daß radikale Katholiken, sowohl die, die sich über die Veränderungen in der Kirche freuen, als auch die Traditionalisten, die diese Veränderungen ablehnen, eine implizite Vereinbarung getroffen haben:
… Daß trotz aller Bemühungen der Hermeneutik der Kontinuität, die schon bei der ersten Konfrontation mit der Realität der gegenwärtigen Krise kläglich Schiffbruch erlitten hat, unbestreitbar ist, daß ab dem Zweiten Vatikanum eine Parallelkirche gebaut wurde, die die wahre Kirche Christi überlagert und ihr diametral entgegengesetzt ist.
Dies war eine direkte Herausforderung für das konventionelle Verständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils und seiner Folgen. Ich für meinen Teil sehe die Erklärung des Erzbischofs als Einladung zu einer breiteren Diskussion und Debatte an. Also kontaktierte ich Erzbischof Viganò und bat ihn, die für mich kritischsten Fragen in seinem Standpunkt zu beantworten. Er hat freundlich mit einer weiteren provokanten Aussage geantwortet, die seine frühere Botschaft klarstellt und erweitert. Ich bin Erzbischof Viganò für seine Antwort dankbar und dafür, daß er uns eine neue Möglichkeit gegeben hat, über die Probleme nachzudenken, die seit dem Konzil in der Kirche aufgetreten sind. Ich empfehle den Lesern erneut nachdrücklich, die vollständige Erklärung des Erzbischofs zu lesen.
Einige Katholiken mit traditionalistischen Sympathien behaupten, daß die Probleme in der heutigen Kirche ihren Ursprung im Zweiten Vaticanum haben. Dieses Argument ist aus zwei Gründen schwer aufrechtzuerhalten. Erstens würde das bedeuten, daß der Heilige Geist, der- wie unser Herr versprochen hat, das Lehramt leitet, beim Konzil irgendwie abwesend war. Zweitens kann nicht erklärt werden, warum diese Bischöfe plötzlich den falschen Weg eingeschlagen haben, als sie sich als Führer einer scheinbar gesunden Kirche versammelten, um ihren zukünftigen Kurs zu planen.
Andererseits ist es auch schwierig, die Behauptung aufrechtzuerhalten, das Konzil sei ein reiner Segen gewesen, und die später aufgetretenen Probleme aus einer anderen Quelle stammen müßten. Vielleicht haben die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils unsere gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht direkt verursacht, aber sicherlich haben sie die Probleme nicht geheilt, und an diesem Punkt kann nur ein hoffnungsloser Optimist noch behaupten, daß das Zweite Vaticanum der Kirche neues Leben und neue Kraft verliehen habe.
Dennoch sehen heute einige "fortschrittliche“ Katholiken das Konzil als Quelle einer neuen Dynamik in der Kirche - und verweisen dabei zustimmend auf genau jene Entwicklungen, die zu starken Spaltungen unter den Gläubigen geführt haben. Wie Erzbischof Viganò bemerkt, "nennen sie es "das Konzil"schlechthin, als ob es das eine und einzige Konzil in der gesamten Geschichte der Kirche wäre." Sie können die Dokumente des Konzils zitieren und tun es, - oder häufiger noch einen amorphen "Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils“ -, um radikale Veränderungen zu rechtfertigen.
Seit vielen Jahren bestehen orthodoxe katholische Schriftsteller - ich selbst eingeschlossen - darauf, daß der "Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils“ im Widerspruch zu den tatsächlichen Lehren des Konzils steht. Wir haben die Anweisung von Papst Benedikt XVI freudig angenommen, daß auf die Erklärungen des Konzils eine "Hermeneutik der Kontinuität“ angewendet werden muss. Aber auch diese Position ist schwer aufrechtzuerhalten, da Lehrneuheiten nicht nur in den Schriften dissidenter Theologen, sondern auch in formellen Dokumenten des Vatikans auftauchen. Erzbischof Viganò fragt, wie das Abkommen von Abu Dhabi mit der beständigen Tradition des kirchlichen Lehramtes in Einklang gebracht werden kann. Ich habe die gleiche Frage zu Amoris Laetitiae gestellt.
Haben die Lehren des Konzils einen Bruch mit der Tradition verursacht oder zumindest zugelassen? Diese Frage kann nicht mehr vermieden werden, weil der Bruch immer deutlicher wird.
Erzbischof Viganò beantwortet diese Frage mit der Feststellung, daß das Zweite Vaticanum keine neue Lehre aufgestellt hat. Es wurde als Pastoralkonzil einberufen. In der Tat erinnert er uns,
… Der Papst, um den herum das Konzil einberufen wurde, bekräftigte feierlich und klar, daß er die Lehrbefugnis nicht nutzen wollte,, die er hätte ausüben können, wenn er gewollt hätte.
Diese Entscheidung von Papst Johannes XXIII könnte selbst ein Fehler im pastoralen Urteil gewesen sein. Erzbischof Viganò schreibt:
.....Ich möchte darauf hinweisen, daß nichts pastoraler ist als das, was als Dogma vorgeschlagen wird, weil die Ausübung des Munus Docendi in seiner höchsten Form mit dem Befehl übereinstimmt, den der Herr dem Hl. Petrus gegeben hat, seine Schafe und Lämmer zu weiden.
Auf jeden Fall, so der Erzbischof, sei es ein Fehler, dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine "vermutete Lehrautorität, ...eine implizite Unfehlbarkeit der Lehre zuzuschreiben, obwohl diese von Anfang an eindeutig ausgeschlossen wurden."
Während dieses Pastoralkonzils, fährt Erzbischof Viganò fort, führten einige Gegner der langjährigen Tradition " geschickt hinter langatmigen und absichtlich getarnten Fehlern zweideutigen Reden" ein.
....Und was den Innovatoren in der Konzils-Aula nicht gelungen ist, haben sie in den Kommissionen und Kommittees erreicht, auch dank des Aktivismus von Theologen und Periti, die von einer mächtigen Medienmaschinerie akkreditiert und anerkannt wurden.
So ist heute der „Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils“ auf dem Vormarsch, der die Lehre des Konzils widerspiegeln kann oder nicht, aber sicherlich nicht im Einklang mit der beständigen katholischen Lehre steht. Diese Situation hätte jedoch nicht entstehen können, wenn die Verteidiger der katholischen Tradition nicht versäumt hätten, auf einer authentischen Lehre der Kirche zu bestehen. Zu oft haben orthodoxe katholische Prälaten Schwierigkeiten ignoriert, über aufkommende Spaltungen hinweggearbeitet und Beweise für Korruption vertuscht - indem sie die Klarheit der ewigen Wahrheiten für einen vorübergehenden Frieden in den eigenen Reihen geopfert haben.
Daher kommt Erzbischof Viganò zu dem Schluss, daß der erste Schritt zu einer echten Reform eine ehrliche Anerkennung unserer eigenen Fehler ist, beginnend mit unserem Versagen, die Probleme zu identifizieren und mit angemessenem evangelischen Eifer zu reagieren.
....Die Lösung liegt meiner Meinung nach vor allem in einem Akt der Demut, den wir alle, beginnend mit der Hierarchie und dem Papst, ausführen müssen: die Infiltration des Feindes in das Herz der Kirche anzuerkennen.
Vor einigen Monaten habe ich argumentiert, daß eine Erneuerung der katholischen Liturgie mit einer Haltung der Reue für all die Missbräuche beginnen muss, die wir in den letzten Jahrzehnten toleriert haben. Erzbischof Viganò macht einen ähnlichen Vorschlag und erweitert ihn mit einer Erneuerung der katholischen Lehre und der pastorale Führung. Einige Katholiken mögen diese Ansichten beunruhigend finden, einige mögen sie als extrem bezeichnen. Aber eine ehrliche Debatte - eine, die die tiefgreifenden Spaltungen anerkennt, die die Kirche heute erschüttern - ist längst überfällig."
Quelle: P. Lawler, catholicculture
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