Dienstag, 1. September 2020

Historische Einordnung des II. Vaticanischen Konzils

Sandro Magister hat bei Settimo Cielo einen ausführlichen Essay des Historikers Prof. R. Pertici über das II. Vaticanische Konzil, den historischen Kontext imd seinen Einfluß veröffentlicht.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"HISTORISIERUNG DES II.VATICANISCHEN KONZILS. HIER IST WIE WELT JENER JAHRE DIE KIRCHE BEEINFLUSST HAT" 

Der Streit darüber, wie man das II. Vaticanische Konzil beurteilen soll, der jetzt die Kirche entflammt, darf nicht nur theologisch beurteilt werden. Weil zuerst vor allem der historische Kontext dieses Ereignisses analysiert werden muß, um so mehr für ein Konzil, dessen erklärte Agenda es war,
"zur Welt hin zu öffnen."

Das ist das Ziel dieses Essays, der zuerst von Roberto Pertici, Professor für Gegenwartsgeschiche und Spezialist für Kirche-Staat-Beziehungen an der Universität von Bergamo,  und ein geschätzter Autor beim Osservatore Romano in den Jahren, als Giovanni Maria Vian sein Herausgeber war,  bei Settimo Cielo veröffentlicht worden ist,

Pertici unterstreicht die fundamentalen Charakterzüge der Ära des II. Vaticanischen Konzils, das am
25. Januar 1959 angekündigt, am 11. Oktober 1962 eröffnet und am 8. Dezember 1965 beendet wurde. Er analysiert die Wahrnehmung jener Charakteristika durch die Konzilsteilnehmer und die  Antworten, die sie hervorgerufen haben,
Der Dreifrontenkampf, der während des Konfliktes stattfand, der alliierte Sieg über das Nazitum hatte eine Front geschlossen, aber das Grundproblem, das ungelöst blieb, war welche Art Sozialer Organisation und welche Staatsform die moderne Gesellschaft sich in Europa und anderswo geben würde?
Als der faschistische Nationalstaat besiegt wurde, bleiben die Kämpfer und Gegner die liberalen Anglo-Amerikanischen Demokratien und der Sowjetkommunismus.


Und das sind die drei Themen, die Pertici eines nach dem anderen analysiert.

- die Niederlage des Nationalsozialismus und Faschismus und der Niedergang des "konservativen Paradigmas", die Bestätigung der Demokratie in West-Europa und die Ausbreitung eines neuen demokratischen Ethos.
- der Sowjet-Kommunismus und die Versuchung der "friedlichen Coexistenz" mit ihm.

Alle drei Fragen hatten eine merkbare Wirkung auf den Verlauf des Konzils und auf die Kirche im Allgemeinen. Und deshalb muß der theologische Disput über seine Interpretation das berücksichtigen, wenn er fruchtbar sein soll.

Natürlich mit der Warnung, daß die folgenden Entwicklungen der Geschichte den Erwartungen des II. Vaticanums stark widersprechen haben. In Wahrheit - direkt in den Jahren nach dem Konzil begann der Prozess der Entchristlichung der westlichen Gesellschaften, die sie in Post-Christliche Gesellschaften verwandelte.

Das sind die Entwicklungen, die Professor Pertici im folgenden Essay zu analysieren verspricht..

Aber in der Zwischenzeit ist hier der erste faszinierende Teil. Genießen Sie die Lektüre.

HISTORISIERUNG DES II: VATICANISCHEN KONZILS 
von Roberto Pertici

1. Eine theologische Kontroverse
Die Kontroversen, die periodisch in den verschiedenen Katholischen Medien über die Bedeutung des II.Vaticanums wieder aufflammen und die gedachte Beziehung zwischen diesem Konzil und der aktuellen Situation der Kirche erzeugen beim Historiker ein gewisses Unbehagen. De facto nimmt er diese nicht als historische Diskussion wahr, sondern als "Disputation" hauptsächlich theologischer Natur. Wie es oft bei solchen Kontroversen passiert, endet die historische Untersuchung damit, die Funktion einer Magd zu übernehmen und hauptsächlich als Stütze für die Thesen in diesem Konflikt benutzt zu werden. 

Dieser theologische und rein innerkirchliche Hintergrund wird durch die wenigen oder gar nicht vorhandenen Bezugnahmen auf die breiteren Prozesse bestätigt, die zur Zeit des II. Vaticanums stattfanden, wobei der Fokus hauptsächlich auf dem Erfolg dieser oder jener Theologie dieser oder jener kirchlichen Gruppe liegt. Und das erscheint umso paradoxer als das Konzil- mit seinem Programm- versuchte "sich zur Welt hin zu öffnen", präzise auf die Welt der ersten 20 Jahre nach dem II. Weltkrieg hin. Auf seine eigene Weise hat es versucht, eine Interpretation dafür zu liefern, seine Prozesse zu identifizieren und seine Resultate vorher zu sagen.

Ich weiß sehr wohl, daß die Kirche- wie Paul VI in "Ecclesiam Suam" in Erinnerung ruft- in der Welt ist, aber nicht von dieser Welt: sie hat Werte, Gebräuche, Prozeduren, die für sie typisch sind und die nicht durch ausschließlich historisch-politische, weltliche Kriterien beurteilt und dargestellt werden kann. Andererseits muß hinzugefügt werden,  daß sie in den 60-er Jahren kein separates Organ ist und die Konzisldokumente sind voll von Bezugnahmen auf diese Wirkung- die Welt bewegt sich vorwärts auf das hin , das wir jetzt "Globalisierung" nennen, es wurde bereits schon stark von den neuen Massenmedien beeinflußt, präzedenzlose Ideen und Haltungen wurden sehr schnell verbreitet und es entstanden Formen von Generationsmimikry. Es ist undenkbar, daß ein Ereignis von der Größe und Bedeutung des Konzils im Inneren des Peters-Domes stattfinden konnte, ohne sich an dem zu messen, was draußen passierte. 

Bei den vielen Möglichkeiten zur Aufteilung in Perioden, ist es angemessen, uns auf die zu beschränken. die aich am unmittelbarsten auf das II Vaticanum beziehen innerhalb des Kontexts mit dem II. Weltkrieg und der "herrlichen Dreißig" laut der jetzt sprichwörtlichen Definition von Jean Fourastié.
Beim Dreifrontenkrieg, der während des Konfliktes stattfand, schloß der alliierte Sieg gegen das Nazitum eine Front, aber das Grundproblerm blieb bestehen- welche Art sozialer Organisation und welche Staatsform würde sich die moderne Gesellschaft geben, in Europa  und anderswo?  Als der faschistische Staat einmal besiegt war. blieben die Kämpfer und Feinde übrig, die Anglo-Amerikaner und der Sowjet-Kommunismus.

Deshalb müssen wir diese drei Probleme schnell und genau angehem:
- die Niederlage des Nationalsozialismus und Faschismus und ihre politisch-kulturellen Konsequenzen
- die Bestätigung der Demokratie in Westeuropa
- den Sowjetkommunismus und seine Expansion.

Offensichtlich immer mit ihrer Auswirkung auf die Kirche und die Katholische Welt als Bezugspunkt.

Fortsetzung folgt.....

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo, Prof. R. Pertici

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