Montag, 25. Januar 2021

Die Drehtüren im Vatican

In seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican beschäftigt sich A. Gagliarducci mit den Aufgaben, die 2021 auf Papst Franziskus warten und mit dessen Ernennungspraxis. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS UND DIE DREHTÜREN DES VATICANS" 

Es scheint, daß 2021 ein Jahr wichtiger Veränderungen für Papst Franziskus sein wird. Die Kurien-Reform sollte beendet werden, die Vatican-Finanzen werden wieder vom MONEYVAL-Kommitee überprüft werden und Papst Franziskus ist zu einer robusten Umgestaltung bei den Führungspositionen der Dicasterien aufgerufen, weil etliche ihrer Leiter über 75 Jahre alt sind und das Pensionsalter erreicht haben. Dennoch gibt es bei all diesen Veränderungen auch Sicherheiten: daß Papst Franziskus sowieso Änderungen vornehmen würde- unabhängig von feststehenden Daten, weil das seine Strategie ist.

Papst Franziskus mag es nicht, verpflichtet zu sein und verteidigt seine Unabhängigikeit rigoros. Er kommuniziert seine persönlichen Entscheidungen nur wenig, ist bzgl. seiner Entscheidungen diskret und gibt seinen Sekretären nicht seine ganze Tagesplanung bekannt. Seine Tage werden von offiziellen Begegnungen und einer Reihe von privaten Treffen und Telefongesprächen,die er tätigt und von denen niemand irgendwas weiß, bestimmt. 

Diese Unabhängigkeit wird auch durch den Drehtürmechanismus verteidigt. Papst Franziskus will,  daß niemand um ihn ist, der die Macht hat, eine Art "Türhüter" zu werden. Bei anderen Päpsten waren das Kardinal Stanislaw Dziwicz, Sekretär von Johannes Paul II und in gewisser Weise Erzbischof Georg Gänswein, Sekretär von Benedikt XVI. Im allgemeinen waren alle Papst-Sekretäre die Person, zu der man gehen mußte, um einen Termin beim Papst zu bekommen, oder dem man eine Nachricht zukommen lassen mußte. 

Bei Papst Franziskus ist das nicht länger der Fall. Der Papst hat im vergangenen Jahr den gesamten Stab von Sekretären ausgewcjselt und hat zuerst Msgr. Fabian Pedacchio weggeschickt, der seit Beginn seines Pontifikates an seiner Seite war und dann Msgr. Ioannis Lahzi Gaid, der 2014 zu seinem zweiten Sekretär ernannt worden war. 

Es ist schwer zu wissen, wer in diesem Kreis von Freunden von Papst Franziskus oder den am meisten gehörten Beratern gehört. Bischof Bruno Forte von Chieti war Generalsekretär der beiden Familien-Synoden und wurde als einer der Theologen betrachtet, auf die Papst Franziskus sich bezieht. Er fiel in Ungnade, als er unvorsichtigerweise enthüllte, wie der Papst in gebeten hatte, wie er das Thema der Hl. Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene handhaben sollte. 

Folgt man dem Entscheidungsmuster, kann man sehen, daß Papst Franziskus sehr schnell, fast sofort Vertrauten schenkt. Tatsächlich verteidigt Papst Franziskus Leute, denen er vertraut oder die er für nützlich hält, rigoros. Nach dem "Letter-Gate"-Skandal (dem Brief von Papst Benedikt XVI zu einer Buchpräsentation des Vatican-Velags) trat Msgr. Dario Edoardo Viganò als Präfekt des vaticanischen Kommunikations-Dicasteriums zurück. Der Papst  lehnte seinen Rücktritt zuerst ab und behielt ihn dann als Assessor -einer ad-hoc geschaffenen Stellung- im Dicasterium. 


Auch Erzbischof Gustavo Zanchetta wurde auf eine solche ad-hoc-Position aus Argentinien gerufen, als Assessor bei der APSA. Nicht einmal die Tatsache, daß Erzbischof Zanchetta nach Argentinien fahren mußte,um sich bei einem Gerichtsverfahren wg. sexuellen Mißbrauchs zu verteidigen, gab Anlass zu der Möglichkeit, ihn auszutauschen. 

Dann ist da der Chilenische Fall. Zuerst ernannte Papst Franziskus Barros Madrid als Erzbischof von Osorno- und ignorierte die Proteste, die geäußert wurden, weil Barros auch ein Anhänger von Fr. Fernando Karadima war. So ging es weiter bis zu Papst Franziskus´ Reise nach Chile, wo die Proteste des Volkes ihn davon überzeugten, weitere Untersuchungen zu fordern, mit denen Erzbischof Charles Scicluna betraut wurde. Danach fanden in Rom zwei dramatische Treffen zwischen den Chilenischen Bischöfen und Papst Franziskus statt. Diese Diskussionen führten dann zum en-bloc- Rücktritt aller Chilenischen Bischöfe.

Aber Papst Franziskus entzog Kardinal Angelo Becciu plötzlich sein Vertrauen, der innerhalb von wenigen Minuten erlebte, wie sich seine Position plötzlich veränderte- vom Präfekten der Heiligsprechungfskongregation zu stellungslos- und ihm sogar die Kardinalswürde entzogen wurde.

Auch in Santa Marta, wo der Papst wohnt, gibt es Drehtüren und die Drehtüren des Vaticans, über die Papst Franziskus herrscht. Wir werden sehen, wie diese Drehtüren funktionieren, wenn es neue Leiter der Dicasterien gibt. 

Inzwischen spricht man sogar über eine weitere Umstrukturiereung im Kommunikations-Department, Der Papst ist vielleicht nicht glücklich damit, wie das Dicasteriun sein Image handhabt und tauscht vielleicht den Präfekten aus. Der ausgewählte neue Präfekt, Fr. Marco Pozza, Kaplan des Hochsicherheitsgefängnisses in Padua, den der Papst nach einer Reihe von Interviews schätzen lernte, sollte schon dort sein. Als großer Kommunikator würde er das Glück der Vatican-Kommunkation wieder herstellen. 

Aber welche Kommunikation? Institutionelle Kommunikation und eine Kommunikation, die darauf abzielt, vor allem die Botschaft des Papstes hervorzuheben? 

Papst Franziskus hat das Jahr damit begonnen, weitverbreiteten Magazinen und Zeitungen zwei Interviews zu geben (eingeschlossen einer Italiebnischen Sport-Zeitung). Gleichzeitig sind eine Reihe von Büchern mit einem persönlichen Vorwort von Papst Franziskus erschienen.

Bei diesen Entscheidungen fühlt man die Notwendigkeit des Papstes, präsent, beruhigend zu sein und die Diskussion zu beherrschen. Aber die wichtigste Freage bleibt: was denkt der Papst? Und was will der Papst? 

Am Ende folgt der Papst immer dem Rar der üblichen Prätorianer. Er sucht die Meinungen mehrerer Leute und wählt dann eine endgültige. Er scheint seine Entscheidungen fast instinktiv zu treffen, manchmal widersprüchlich. 

Er ist ein Papst, der unabhängig bleiben will- ohne den Schatten eines Zweifels. Aber ist es nicht so, daß diese Unabhängigkeit die Gefahr mit sich bringt, ihn zu isolieren? Immerhin ist der Vatican zwar ein kleiner Staat -aber mit globalen Ausmaßen. Wenn der Papst sich selbst isoliert und nur auf naheliegende Realitäten schaut, ohne eine Zukunftsvision, ist er für niemanden eine Bereicherung."

Quelle: A. Gagkiarducci, Monday in the Vatican

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