Mittwoch, 27. Januar 2021

S. Gregg: "Ratzingers Weg" - Fortsetzung

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Umstrittenes Konzil

Ratzinger hatte keinen Grund anzunehmen, daß er bei dem Konzil, das Papst Johannes XXIII 1959 ankündigte, eine Rolle spielen würde. Im vorherigen Jahr jedoch hatte Ratzinger das Interesse der deutschen Öffentlichen Meinung außerhalb der akademischen Kreise durch die Veröffentlichung eines Artikels mit dem Titel : "Die neuen Heiden und die Kirche" gewonnen. Thema war die Sorge über das Auftreten einer "Kirche der Heiden, die sich noch Christen nennen, aber wirklich schon Heiden geworden sind." 

Dieses Problem ging über das Aufkommen großer Zahlen nichtpraktizierender Katholiken oder jener hinaus, die den Glauben und die Sakramente auf bloße Merkmale einer kulturellen Identität, auf Riten, Netzwerkvorteile und bürgerliche Respektabiblität reduzierten. Viele Katholiken, argumentierte Ratzinger, "wählten subjektiv etwas aus dem Credo der Kirche aus, um ihre eigene Weltsicht zu formen". Mit anderen Worten - die Welt bestimmte den Inhalt des Christlichen Glaubens nicht umgekehrt. Für Ratzinger war die Lösung klar: "Auf Dauer gesehen kann die Kirche nicht vermeiden, ihren Anschein der Weltlichkeit Stück für Stück abzubauen, um wieder zu werden,was sie ist: eine Gemeinschaft von Gläubigen." 

Zu der Zeit machten diese Worte Ratzinger zu einem "Progressiven",. Heute würde er  von der zeitgenössischen deutschen Katholischen Kirche als konservativer Kritiker der Bürokratisierung des Katholischen Lebens betrachtet werden. Sie ist sehr reich und besitzt viele Institutionen, aber sehr wenige Kirchgänger und die meisten ihrer Bischöfe und Theologen scheinen viel besorgter zu sein, mit den säkularen Erwartungen übereinzustimmen als mit dem Evangelium. 

Ein Bischof, den Ratzingers Artikel beeindruckte, war Kardinal Josef Frings von Köln. Er besuchte folglich eine Vorlesung Ratzingers. Darin verurteilte der Theologe sowohl die Anwendung säkularer politischer Modelle auf die Konzile der Kirche (was weithin als Kritik am Schweizer Theologen Hans Küng interpretiert wurde) als auch Intellektuelle, die den von Tag-zu-Tag-Glauben der einfachen Leute verachteten" ohne die die Kirche nur ein "schwatzender leere Rahmen" wäre. Frings band Ratzinger als Theologen an sich, der der Richtung, in die -wie er dachte- das Konzil gehen sollte- seine Stimme geben sollte und nicht einfach abgestempelten, von der Römischen Kurie vorbereiteten  Text-Entwürfen  

Von diesem Zeitpunkt an, erlangte Ratzinger wachsenden Einfluss auf den weltweiten Katholizismus. Er formulierte 1961 z.B. Frings´ berühmte Genua-Rede, die dabei half, die Agenda des II. Vaticanischen Konzils festzulegen. Während des Konzils selbst, produzierte Ratzinger umfassende Kritiken der Kurien-Texte und arbeitete mit de Lubac und anderen daran, wichtige Dokumente zu erstellen- wie Lumen Gentium (1964) und Dei Verbum (1965). Obwohl Ratzingers Einfluss beim Konzil schon lange anerkannt wurde, illustriert Seewald, wie weitreichend und beständig Ratzingers Wirkung war und kommentiert, daß diese viel seiner Fähigkeit intellektuelle Klarheit mit Tiefe zu verbinden, verdanlte  und seiner Weigerung, sich einschüchtern zu lassen- sei es wegen des Ranges, Lärms, Referenzen oder des Wunsches "wichtig" zu sein. 


Zwei Ratzinger? 

Ratzingers Arbeit war nicht nur in Stil und Methode sondern auch inhaltlich konsistent. Kritker und Bewünderer haben lange Zeit argumentiert, daß sich sein Denken nach dem Zweiten Vatikanum wesentlich geändert habe, aber Ratzinger behauptet, daß sich seine grundlegenden Positionen nicht geändert hätten.

Seewald stimmt dem zu. Er weist auf Ratzingers Betonung der Rückkehr zur Schrift und zu den Kirchenvätern hin, die Genauigkeit beim Gebrauch von Worten, bei Formulierungen, die die Verbindungen zwischen Schrift, Tradition und dem Lehramt zeigen; auf eine starke Opposition gegen Utopien (hier wurde Ratzinger sehr durch die Lektüre von de Lubac aber auch des deutsch-amerikanischen politischen Philosophen Eric Voegeln beeinflußt), eine Betonung der Zentralität des Kreuzes beim Verstehen der Wirklichkeit; und eine fortwährende Idee von communio als einen Weg, um die Kirche zu verstehen. Diese Themen waren - wie Seewald unterstreicht- in Ratzingers Denken und Handeln vor 1965 -fest vertreten. 

Was vielleicht am wichtigsten ist- zeigt Seewald- ist, daß Ratzinger jedem Verswuch widerstand, Sorgen um Toleranz über die Suche nach der Wahrheit und die Lehre der Wahrheit zu stellen. Für Ratzinger war Toleranz der Kontext, der gebraucht wurde, um die Wahrheit zu suchen- kein Ziel in sich selbst. Sicher - Ratzinger argumentierte, daß die Wahrheit mit Liebe ausgesprochen werden müsse. Dennoch mußte sie ausgesprochen werden- besonders, wenn die Welt sie nicht hören wollte. 

Ratzimger sah, daß die Kirche dieses Prinzip leben mußte, wenn sie nicht weltlich werden wollte. Kein Zweifel, sein Standpunkt verdankte auch etwas seinem Bewußtsein vom Versagen des größten Teils seines eigenen Volkes- einschließlich der Katholiken- gegenüber den Lügen der Nazis. Wie ich vermute, wird der zweite Band Seewalds erklären, daß es Engagement war, das Ratzinger vorwärts trieb, als er mit den verschiedenen Pathologien der Vernunft und des Glaubens, nicht nur in der Welt sondern auch in der Kirche selbst, konfrontiert wurde. "

Quelle: S. Gregg,  thepublicdiscourse 

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