Montag, 4. Oktober 2021

S. Magister zur Kontroverse zwischen Papst Franziskus und den Juden

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo die Kontroverse mit Vertretern der Oberrabbinate, die durch die Katechese von Papst Franziskus zur Lehre des Hl. Paulus ausgelöst wurde und veröffentlicht einen Brief, in dem F. Arzillo an die Katechese zum gleichen Thema von Papst Benedikt XVI zitiert. 

Hier geht´s zum Original:  klicken

"MEHR ZUR KONTROVERSE ZWISCHEN FRANZISKUS UND DEN JUDEN. WIE PAPST BENEDIKT DIE GELÖST HÄTTE." 

Bei der Generalaudienz am 29. September kam Papst Franbziskus auf die 9. Episode der Reihe über den Brief des Hl. Paulus an die Galater zu sprechen- hier in Gänze wiedergegeben mit der mündlichen Wiedergabe des unterstrichenen geschriebenen Textes:

Katechese über den Brief an die Galater: 9. Leben im Glauben 

Wie zuvor analysiert hat die vierte Katechese der Reihe- vom 11. August zum "Gesetz des Mose" lebhafte Reaktionen der höchsten Repräsentanten der Jüdischen Rabbinate ausgelöst, die am Ende eine Antwort erhielten, die- wenn es wahr ist, daß laut des Christlichen Glaubens Jesus Christus der einzige Weg zur Erlösung für alle ist, "was nicht bedeutet, daß die Torah herabgesetzt oder nicht länger als Weg der Rettung der Juden anerkannt wird."

Unter den Katholiken aber gibt es jene, die einwenden, daß es-unbeschadet "der legitimen Anliegen, die dem Dialog mit den Juden innewohnen“, -nicht richtig ist, daß der Papst sich selbst zensiert, wenn er seinen Gläubigen die christliche Lehre erklärt.

Das behauptet Francesco Arzillo, Magistrat von Rom und geschätzter Autor von Essays über Philosophie und Theologie, in dem unten wiedergegebenen Brief.

Arzillo bezieht sich auf eine Katechese Benedikts XVI von 2008, die ein besseres Verständnis mit größerer exegetischer und theologischer Subtilität ermöglichen würde, als das, was Franziskus heute in seiner ungeordneten Sprechweise sagt. 

Die zitierte Katechese war Teil einer Reihe von 20 Episoden, die Papst Ratzinger dem Apostel Paulus im von ihm ausgerufenen Jubiläumsjahr 2008-2009 gewidmet hat. Damals fand kein Jüdischer Vertreter einen Grund, zu protestieren- trotz des delikaten Themas, wie man schon aus der Reihenfolge der Titel der einzelnen Katechesen ersehen kann.  

 1. Religiöses und kulturelles Umfeld.
 2. Das Leben des Hl. Paulus vor und nach Damaskus.
 3. Die Bekehrung des Hl. Paulus
 4. Das Konzept des Apostolats des H. Paulus
 5. Paulus, die Zwölf und die präpaulinische Kirche
 6. Das "Konzil" von Jerusalem und das Geschehen in Antiochia
 7. Die Wichtigkeit der Christologie: die Theologie des Kreuzes
 8. Die ekklesiologische Dimension des Hl. Paulus
 9. Die Wichtigkeit der Christologie: Prä-Existenz und Inkarnation
10.Die Wichtigkeit der Christologie: die Christologie des Kreuzes
11.Die Wichtigkeit der Christologie: die Entschlossenheit der Auferstehung
12.Eschatologie: die Erwartung der Parusie
13.Die Rechtfertigungslehr:  von den Werken zum Glauben
14.Die Rechtfertigungslehre:  die Lehre des Apostels über Glaube und Werke
15.Die Lehre des Apostels zur Beziehung zwischen Adam und Christus
16.Die Theologie der Sakramente
17.Spirituelle Anbetung
18.Die theologische Vision der Briefe an die Kolosser und die Epheser
19.Die theologische Vision der pastoralen Briefe
20.Das Martyrium und das Erbe des Hl. Paulus



Die Katechese, auf die Arzilloi sich bezieht, ist die 14. vom 19. November 2008, die genau der 
Frage dieser stärkeren Reibung zwischen dem Jüdischen und dem Christlichen Glauben gewidmet ist, 

Hier der Brief

Lieber Magister,

die Polemik der Jüdischen Seite wegen der Predigt von Papst Franziskus muß sorgfältig bedacht werden und es ist richtig, daß der Dialog über diese delikaten Themen weitergehen sollte, besonders im Hinblick auf die Notwendigkeit einer "theologischen" Interpretation der aktuellen Situation des Jüdischen Volkes, die die Gesamtheit der Informationen aus der Schrift, Tradition und das Lehramt -auch das jüngste-in Betracht zieht- einschließlich des II.Vaticanischen Konzils. 

Weniger nachvollziehbar sind jedoch die Polemiken innerhalb der Kirche: es ist nicht klar, warum der Papst nicht darauf bestehen kann, den Gläubigen zu predigen, was einer der essentiellen doktrinalen Punkte des Christentums ist. Als ob die dem Dialog innewohnende legitimen Sorge sogar zu einer Art Selbstzensur in der Wahl der Themen und Inhalte der Katechesen "ad intra" führen sollte. 

In der Katechese vom 19. November 2008 hat Benedikt XVI die Paulinische Lehre sehr gut erklärt. die auf "einen unüberwindlichen Widerspruch zwischen den beiden alternativen Wegen zur Gerechtigkeit hinausläuft: der eine gebaut auf die Werke des Gesetzes, der andere gegründet auf die Gnade des Glaubens an Christus." 

Benedikt XVI fragte: 
"Aber was bedeutet also das Gesetz, von dem wir befreit sind und das nicht rettet? Für den hl. Paulus wie für alle seine Zeitgenossen bedeutete das Wort Gesetz die Torah in ihrer Gesamtheit, das heißt die fünf Bücher Mose. Die Torah beinhaltete in der Auslegung der Pharisäer, wie sie Paulus studiert und sich zu eigen gemacht hatte, einen Komplex von Verhaltensweisen, der vom ethischen Kern bis zur Befolgung der Ritenund Kultregeln reichte und im wesentlichen die Identität des gerechten Menschen bestimmte. Das galt insbesondere für die Beschneidung, die Einhaltung der Speisevorschriften und die rituelle Reinheit im allgemeinen, sowie die Vorschriften zur Einhaltung des Sabbatgebots usw. Es sind Verhaltensweisen, die oft auch in den Auseinandersetzungen zwischen Jesus und seinen Zeitgenossen auftauchen. 

Die Beachtung aller dieser Gesetzesregeln, die Ausdruck einer sozialen, kulturellen und religiösen Identität sind, war zur Zeit der hellenistischen Kultur ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. ganz besonders wichtig geworden. Diese Kultur, die zur universalen Kultur der damaligen Zeit geworden war und eine dem Anschein nach rationale Kultur war, eine dem Anschein nach tolerante polytheistische Kultur, stellte einen starken Druck in Richtung der kulturellen Gleichförmigkeit dar und bedrohte somit die Identität Israels, das aus politischen Gründen dazu gezwungen war, in diese allgemeine Identität der hellenistischen Kultur einzutreten; das hatte den Verlust seiner eigenen Identität zur Folge und damit auch den Verlust des kostbaren Glaubenserbes der Väter, des Glaubens an den einen Gott und an die Verheißungen Gottes.

Gegen diesen kulturellen Druck, der nicht nur die israelitische Identität, sondern auch den Glauben an den einen Gott und an seine Verheißungen bedrohte, war es notwendig, eine Wand der Unterscheidung zu schaffen, einen Verteidigungsschild zum Schutz für das kostbare Erbe des Glaubens; diese Wand bestand in der Beachtung der jüdischen Regeln und Vorschriften. Paulus, der diese Beachtung der Vorschriften in ihrer Funktion zur Verteidigung des Geschenkes Gottes, des Glaubenserbes an einen einzigen Gott erlernt hatte, hatte diese Identität durch die Freiheit der Christen bedroht gesehen: Deshalb verfolgte er sie. 

Im Augenblick seiner Begegnung mit dem Auferstandenen verstand er, daß sich mit der Auferstehung Christi die Situation radikal geändert hatte. Mit Christus wurde der Gott Israels, der einzige wahre Gott, der Gott aller Völker. Die Wand zwischen Israel und den Heiden – so sagt er im Brief an die Epheser – war nicht mehr notwendig: Christus schützt uns vor dem Polytheismus und all seinen Verirrungen; Christus eint uns mit und in dem einen Gott; Christus gewährleistet unsere wahre Identität in der Verschiedenheit der Kulturen, und er ist es, der uns gerecht macht. Gerecht sein will einfach heißen, mit Christus und in Christus sein. Und das genügt. Die Befolgung anderer Regeln ist nicht mehr notwendig. Darum ist der Ausdruck Luthers »sola fide« wahr, wenn man nicht den Glauben der Nächstenliebe, der Liebe entgegenstellt. Glaube heißt auf Christus schauen, sich Christus anvertrauen, sich an Christus festhalten, sich Christus und seinem Leben angleichen. Und die Form, das Leben Christi ist die Liebe; glauben heißt also, sich Christus anzugleichen und in seine Liebe einzutreten. Deshalb spricht der hl. Paulus im Brief an die Galater, in dem er vor allem seine Lehre über die Rechtfertigung entfaltet hat, vom Glauben, der durch die Liebe wirkt (vgl. Gal 5,14)."

Es scheint, daß Papst Franziskus sich selsbt- auch wenn er unzweifelhaft eine andere Spradche gebraucht- in voller Kontinuität zu dieser Zugehensweise steht."

Francesco Arzillo

Quelle. S.Magister, Settimo Cielo, F. Arzillo

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