Montag, 6. Dezember 2021

Die Büchse der Pandora im Vatican

In seiner heutigen Kolumne in Monday in the Vatican befaßt sich A. Gagliarducci erneut mit den Finanzfragen- und-problemen des Vaticans und des Hl. Stuhls.
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"PAPST FRANZISKUS, DIE FINANZFRAGE IST EINE BÜCHSE DER PANDORA"

Die Veröffentlichung des Tagesbuchs von Kardinal George Pell , dem Sandro Magister große Publizität verlieh- konnte nicht unbemerkt bleiben.  Und tatsächlich gab es sofort eine Reaktion,  aus Malta - zum Verkauf einer Luxus-Immobilie in Budapest, in die Maltekische Firmen verwickelt waren. 

Ohne in die Details der Affäre zu gehen, die so kompliziert ist, wie nur Finanzaffären sein können: es gab aus Malta die Beschwerde, daß das IOR sich geweigert habe, seinen Anteil zu bezahlen. 

Der Vorwurf lautet, man habe lieber eine verschuldete Anlage behalten, als sie zum besten Preis zu verkaufen, die Schulden zu decken und damit die Insolvenzen zu bezahlen.

Auf Seiten Maltas besteht der Verdacht, daß das IOR daran festhält, kein Angebot anzunehmen,  im nicht allzu gut getarnten Versuch, die bisherige Leitung zu diskreditieren.

Es ist nicht das erste Mal, daß solche Vorwürfe aus Malta kommen. Das IOR akzeptiert jedoch den Ton der Vorwürfe nicht und beschwert sich stattdessen über die unklare Vorgehenslinien der Operation und hat in einer endlos scheinenden Justizsaga alle vor Gericht gebracht.

Der springende Punkt bleibt jedoch das IOR. Und das ist wahrscheinlich der spannende Teil der Geschichte. Die Arbeit, die Benedikt XVI. mit der Finanzreform geleistet hatte, die dann von Papst Franziskus fortgeführt wurde, bestand darin, ein natürliches System der Finanzkontrolle zu schaffen. In der Praxis wurde das IOR Teil eines umfassenderen Systems und hörte auf, das Zentrum einer Reihe bilateraler Beziehungen zu sein, insbesondere mit Italien, das im Finanzbereich wenig transparent war. 

Benedikt XVI vollendete ein Projekt,  das bereits zu Johannes Paul II. gehört hatte, der 1990 ein Dokument über das IOR erstellt und dann Schritt für Schritt ein bis in die 1980er Jahre bestehendes, fast dilettantisches System rationalisierte.  Mitte der 90er Jahre bat das IOR um die erste externe Rechnungsprüfung, ein Zeichen für einen kontinuierlichen Professionalisierungsprozess.

Der Übergang zu einem vollwertigen Finanzsystem war nicht schmerzlos verlaufen. Es ging um privilegierte Geschäftsbeziehungen, in die sich nur wenige einmischen wollten. Der Reform mit italienischen Banken gingen einige "Casus Belli" voraus, wie die Beschlagnahme von 23 Millionen Euro an IOR-Transaktionen, die dem Vatikan dann erst nach mehreren Jahren, als die Finanzreform voll in Kraft war, zur Verfügung gestellt wurden. .

Und zunächst dachte man auch, daß jede Reform nach dem Vorbild der alten Beziehungen erfolgen sollte. Daher die Entscheidung, eine Reihe ehemaliger Mitarbeit4er der Bank von Italien, die nicht hochkarätig, aber für die Aufrechterhaltung der Beziehungen geeignet waren, an die neu geschaffene Finanz-Informationsaufsicht zu berufen. Spätere Abhöraktionen, die in der Tageszeitung veröffentlicht wurden, besagten, daß der damalige Präsident der IOR auch ständig mit der Bank von Italien in Kontakt stand.


Genau dieses System musste gestoppt werden. Alle Finanzskandale, die sich im Vatikan ereignet hatten, waren italienische Fälle, angefangen mit dem berühmten IOR-Ambrosiano-Skandal. Aus diesem Grund gab es einen Kurswechsel in Richtung einer Reform der Finanzen: zu einem nachhaltigere Gesetzgebung  auf internationaler Ebene, einen Tempowechsel, der mehr auf die Welt als auf Italien blickte. Ein vorsichtiger Blick auf die Beziehungen der Zusammenarbeit zwischen Staaten, ohne privilegierte Wege.

Und das war ein System, das funktionierte. Das IOR hatte schließlich die Kontrolle und stand damit immer weniger im Zentrum der Finanzangelegenheiten. Es gab bereits eine Kontrolle der Buschhaltungm und es wurde bereits viel getan, und an vielem gearbeitet.

In diesem Augenblick fand die Wahl von Papst Franziskus statt. Und in diesem Moment wurden die alten Fragen erneut aufgegriffen. In den Generalkongregationen verstanden die Kardinäle nicht, was getan worden war. Es war sogar die Rede davon, das IOR zu schließen,bis dazu, daß Papst Franziskus eine Kommission einsetzte, um seine Funktionsweise und Nützlichkeit zu verstehen. Und es stellte sich heraus, daß das IOR nicht geschlossen werden sollte, weil es dem Heiligen Stuhl diente.

Aber Schritt für Schritt kehrten die alten Muster zurück, begünstigt durch die Tatsache, daß weder Papst Franziskus noch die Personen, die ihn unterstützten, vollständig verstanden haben, daß dies ein langfristiger Prozess ist. Es geht nicht darum zu definieren, ob jemand in böser Absicht gehandelt hat oder nicht. Auch wenn einige das sicherlich taten. 

So kehrte in kleinen Schritten das privilegierte Verhältnis zu Italien zurück. Zuerst ein spezielles Steuerabkommen mit Italien, dann die Ablösung der alten Geschäftsführung der IOR zu Gunsten einer neuen Geschäftsführung, die zunächst mit internationalem Profil  dann zunehmend italienisch geworden ist. Der derzeitige Präsident der IOR ist De Franssu, ein weltweit bekannter Franzose. Direktor ist dennoch Gianfranco Mammì, der das alte Managementmodell des IOR vertritt, weil er immer dabei gewesen war. 

Das IOR ist das Zentrum von allem und damit das Zentrum des neuen Finanzkurses. Wegen des angeblichen Missmanagements der bisherigen Führung läuft im Vatikan ein Prozess, gegen den nun Berufung eingelegt wird und dessen Urteil noch aussteht. Cipriani und Tulli, der in Italien freigesprochene ehemalige Direktor und stellvertretende Direktor des IOR, der gerade zurückgetreten war, um das Institut nicht in Verlegenheit zu bringen, als einige Ermittlungen begannen, sehen sich nun einem komplizierten Berufungsverfahren gegenüber.

Ironischerweise hatte das IOR unter ihrer Leitung einen Gewinn von 86,6 Millionen Euro erzielt. Sie werden auch für die Investition in Malta verantwortlich gemacht. Malta argumentiert jedoch, daß es die neue Führung ist, die die Angebote nicht annehmen will. Wenn dies der Fall ist, ist dies vor Gericht leicht zu überprüfen. 

Sicher scheint, ist daß wir im Vatikan in die alten Zeiten zurückgekehrt sind. Und auch der Prozess zur Verwaltung der Gelder des Staatssekretariats, der gerade von einer Beschwerde der IOR ausging, scheint eher als ein Akt transversaler Rache an denen angelegt zu sein, die den neuen Kurs symbolisiert haben – und die unter anderem hervorragende Ergebnisse erzielten – in ei nem Verfahren auf der Grundlage objektiver Beweise. Die Tatsache, daß der Prozess noch nicht begonnen hat und immer noch über eine Aufhebung diskutiert wird, und die Tatsache, daß die vatikanischen Rechtspfleger der Verteidigung nicht alle Beweise vorgelegt haben, ist ein Zeichen dafür.

Die Büchse der Pandora ist also nicht die der neuen Finanzskandale. Sie ist die einer alten Welt, die die Kontrolle wiedererlangt hat, mit einer Reihe von Beziehungen, die sich ihrem Ende zu nähern schienen, aber stattdessen zurückgekehrt sind. Letztlich ist die Vatikanisierung des Heiligen Stuhls für Italien vorteilhafter als für den Heiligen Stuhl. Inzwischen gibt es Prozesse, die von italienischen Richtern geleitet werden, und die Finanzen des Vatikans sind nun fest unter der Kontrolle der Italiener."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

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