In seiner heutigen Kolumne für "Monday in the Vatican" befaßt sich A. Gagliarducci mit dem derzeitigen Zustand des Rechtssystem des Hl. Stuhls, die Rolle des Papstes darin und die Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Petrinischen Amtes.
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"IST PAPST FRANZISKUS IM VATICANISCHEN LONDON-PROZESS IN GEFAHR?"
Ein altes juristisches Prinzip ist, daß "Prima sede a nemine iudicatur,” d.h. der höchste Stuhl kann von niemanden verurteilt werden. Und es ist das Prinzip, aauf das die Staatsanwälte des Vaticans sich berufen, wenn- wie bei der Befragung von Msgr. Alberto Perlasca, dessen Mitschnitt durchsickerte- sie sagten, daß Msgr. Perlasca dem Papst nicht widersprechen wolle.
Die selben Staatsanwälte (des Vaticans) haben es nicht versäumt, Entscheidungen des Papstes zu benutzen um die Prozess-Regeln während des laufenden Prozesses mit Hilfe der vier Reskripte zu ändern, ein Vorgehen, das in jedem Land ungültig wäre. Und die selben Staatsanwälte hatten bei den ersten Anhörungen in diesem Prozess betont, daß die Entscheidungen des Papstes akzeptiert werden mußten, weil er ein absoluter Monarch war- und sogar göttlich inspiriert.
Aus diesem Grund, erklärten sie, kann der Papst nicht als Zeuge betrachtet werden, sogar auch wenn er gegenüber den Staatsanwälten Aussagen gemacht hatte. Deshalb - betonten sie, daß der Papst nicht schuldig sein könnte, nicht einmal, wenn Fotos zeigen, daß ihm zumindest höchst umstrittenen Details der Finanztransaktion bewußt waren.
Das war-jedoch-eine Argumentation, die nicht auf soliden Rechtsgrundlagen basierte. Es war Marco Felipe Perfetti, der - um das Problem zu beleuchten- bemerkte, daß das neue-am 26. November 2000 promulgierte- Grundgesetz des Vatican-Staates geändert hat, wie legislative, executive und legale Macht gehandhabt wird, die fest in Händen des Papstes blieben.
Kurz gesagt, der Vatican ist eine absolute Monarchie geblieben. Dennoch: Johannes Paul II hatte angeordnet, daß die Jurisdiktion von der Päpstlichen Kommission des Vatican-Staates stellvertretend ausgeübt werden sollte, außer in Fällen, die der Papst sich selbst oder anderen Instanzen vorbehält."
Die Exekutivgewalt wird ebenfalls auf einfache, stellvertretende Weise vom Präsidenten der Kommission der Kardinäle -assistiert vom Generalsekretär und dem stellvertretenden Generalsekretär ausgeübt und ebenso wird die richterliche Macht nicht delegiert sondern in einfacher stellvertretender Form den Organen der vaticanischen Jurisprudenz zugesprochen.
Das bedeutet nicht, daß es aktuell im Vatican eine Trennung der Funktionen gibt, sondern eher daß es jetzt eine andere Verteilung der Funktionen gibt.
Außerdem ist seit 2008 das Kanonische Recht nicht länger eine der Primärquellen des Vaticanischen Rechtes, sondern "die erste normative Quelle und das erste Bezugskriterium ist"
Das war- wie Perfetti bemerkt- eine notwendige Entwicklung, um die Quellen besser in die Rechtsprechung zu integrieren.
Hier der Anstoß: in der kanonischen Ordnung kann die höchste Macht des Papstes keiner menschlichen Macht untergeordnet werden, und so kann ein Urteil des Papstes nicht in Frage gestellt werden, genau so wie der Papst- als oberster Richter. von keiner Autorität vor Gericht gestellt werden.
Dieses Prinzip gilt jedoch im kanonischen Recht. Der Papst hat nicht die selbe "Position des Primats über die weltliche Macht , der er sich- durch seine eigene unbestrittene und anerkannte moralische Autorität -zur Zeit des mittelalterlichen Christentums erfreute" stellt Perfetti fest.
Es war, fährt der Kirchenrechtler fort, Papst Franziskus selbst, der die Grundlagen dafür legte, daß die Aktivitäten des Staates von anderen Autoritäten -wie die Konvention für die Rechte der Kinder, oder die Währungs-Konvention der EU- überwacht oder beurteilt werden. Die Konvention erlaubt speziell der Europäischen Kommission die Arbeit des Staates in dieser Hinsicht zu prüfen.
Die Macht des Papstes selbst,- erklärt Perfetti- ist nicht unbegrenzt, sondern "innerhalb der vom Göttlichen - natürlichen und offenbarten- Recht gesetzten Grenzen und durch die Bedürfnisse der Kirche begrenzt, die in den verschiedenen historischen Umständen die Art festlegen, in der das Petrinische Amt agiert."
Diese Themen regen zum Nachdenken an. In Verbindung mit völkerrechtlichen Grundsätzen können wir die Sackgasse, in die sich der Heilige Stuhl mit diesem Prozess begeben hat, besser verstehen. Es ist beispielsweise erwähnenswert, dass der Heilige Stuhl mit der mit der Europäischen Union unterzeichneten Währungskonvention zustimmt, Streitigkeiten an den Gerichtshof von Luxemburg zu verweisen.
Kurz gesagt: Tatsache ist, daß der Papst und der Hl. Stuhl in weltlichen Angelegenheiten vor internationale Gerichte gestellt werden kann. Der Hl. Stuhl steht nicht über den Parteien, sondern ist innerhalb eines größeren globalen Systems Partei im Streit. Und der Hl. Stuhl war sich dessen immer bewußt.
Mit seinen Reskripten, seinen Entscheidungen, die direkt die Prozesse beeinflußten, hat Papst Franziskus statt dessen gezeigt, daß er nicht ganz versteht und wir nicht länger die Zeit der Papstkönige haben, nicht einmal für den Hl. Stuhl. Deshalb muß seine absolute Macht in einen Kontext gestellt werden,
Paradoxerweise hat Papst Franziskus die in der Kurie geschaffenen Mechanismen der Machtausübung zwar kritisiert und versucht, sie zu durchbrechen, dennoch eine noch absolutere Macht für sich geschaffen. Er zentralisierte die Entscheidungen und berücksichtigte nicht den rechtlichen Rahmen, in dem viele Entscheidungen getroffen wurden. Dieser Vorgang ist schließlich ein Hinweis. Darüber hinaus stellt das Erbe dieses Pontifikates ein bedeutenderes Problem dar, mit dem sich jeder Nachfolger auseinandersetzen muss.
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