A. Gagliarducci berichtet und kommentiert für CNA die Diplomatie des Hl. Stuhls im Ukraine-Krieg. Hier geht´s zum Original: klicken
"WIE SICH PAPST FRANZISKUS´ TONART ÜBER DIE UKRAINE ÄNDERTE"
Die Angelus-Ansprache vom Sonntag stellte eine substantielle Richtungsänderung der Diplomatie des Hl. Stuhls bzgl. des Ukraine-Konflikts.
Der Papst betonte, daß es in der Ukraine "keine militärische Operation gibt, sondern einen Krieg, der Tod, Zerstörung und Elend sät" . Er dankte den Journalisten, die ihr Leben riskieren, um Informationen zu liefern" und sagte, daß ihr Dienst uns erlaubt, der Tragödie dieser Bevölkerung nahe zu sein und uns ermöglicht, der Grausamkeit des Krieges beizuwohnen.
Er kündigte auch an, daß er zwei Kardinäle in die Ukraine schicken werde, um den Flüchtlingen, Vertriebenen und anderen Bedürftigen seine Gegenwart zu bringen.
Der Appell am Ende des Angelus war so formuliert, daß er viele Fragen beantwortetem die sich in den vergangenen Tagen gestellt haben,.
Zuerst widersprach Papst Franziskus de facto dem russische Narrativ , das nicht nur das Wort "Krieg" vermeidet sondern so weit geht, Journalisten, die diesen Terminus benutzen, mit Gefängnis zu bestrafen, indem er sagte, daß der Konflikt keine einfache "Militäroperation" ist.
Das von der Duma, dem russischen Parlament angenommene Gesetz droht jenen, die "fake news" einschließlich derer, die von "Krieg" oder "Aggression gegen die Ukraine" und nicht von einer militärischen Spezial-Operation sprechen- mit 15 Jahren Gefängnis. Das Gesetz ist der Grund, warum einige der wichtigsten internationalen Zeitungen ihre Korrespondenten aus Moskau abziehen.
Also preist der Papst den Mut der Journalisten, die einen klaren Standpunkt gegen diese Entwicklung zeigen, obwohl einige Beobachter argumentiert haben, daß seine Worte sich nicht auf Journalisten in Rußland beziehen sondern nur auf jene, die über den Krieg in der Ukraine berichten.
Die Medien haben festgestellt, daß der Papst seit dem Beginn der vollständigen russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar, in seinen öffentlichen Statements niemals die Worte Rußland oder Aggression benutzt hat, Aber das ist vielleicht nur ein Randthema, das uns nicht die Tatsache aus den Augen verlieren lassen sollte, daß Papst Franziskus am 6. März mit seiner Rede zum Angelus eine grundlegende Änderung der diplomatischen Richtung vorgenommen hat, die der Hl. Stuhl bis jetzt verfolgt hat.den Botschafter einzuberufen, hätte sich auch in ein zu starkes Signal erweisen können und der Papst wollte vielleicht seine pastorale Fürsorge zeigen, indem er in die Botschaft ging,
Der Vatican hat jedoch nicht erklärt. warum Papst Franziskus nicht auch die Botschaft der Ukraine beim Hl. Stuhl besuchte, die derzeit von einem untergeordneten Beamten geführt wird. Zu der Zeit war Botschafter Andiy Yurash wegen des Krieges in der Ukraine geblieben (er hatte nicht die Gelegenheit gehabt dem Papst sine Akkreditierung zu präsentieren.)
Der Besuch wurde dann durch zwei päpstliche Telefonanrufe ausgeglichen: einen mit Groß-Erzbischof Svjatoslav Shevchuk am 25. Februar, und den anderen einen Tag später mit dem Ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelenskyi. Aber der Eindruck einer unausgeglichenen Aufmerksamkeit für Rußland ist geblieben.
Dennoch war der Beschluss des Papstes das Zeichen für eine präzise diplomatische Entscheidung. Seit Beginn seines Pontifikates 2013 wollte er den Dialog mit Rußland aufrecht erhalten. Es überrascht nicht, daß Präsident Vladimir Putin dreimal vom Papst empfangen wurde, 2013, 2015 und 2019.
Themen bei den Treffen waren die Situation der Christen in Syrien und im Mittleren Osten, die Krise der Christlichen Werte in den westlichen Gesellschaften, Abrüstung und die internationale Lage- als auch der Ukraine-Konflikt, mit sehr unterschiedlichen Standpunkten des Hl. Stuhls und Rußlands.
Aber diese Differenzen hinderten Kardinal Pietro Parolin, den vaticanischen Staatssekretär nicht daran, 2017 nach Rußland zu reisen. Außerdem besuchte Erzbischof Paul Gallagher m der Vaticanische Sekretär für Beziehungen zu den Staaten im November 2021 Moskau zu bilateralen Treffen.
Kurz gesagt, die Beziehungen waren gut, obwohl der Heilige Stuhl der Lage in der Ukraine weiterhin große Aufmerksamkeit schenkte. Parolin besuchte das Land im Jahr 2016 und kehrte letztes Jahr zu einer kurze Reise zurück, um die 30-jährige Unabhängigkeit der Nation zu feiern.
2017 verbrachte Kardinal Leonardo Sandri, Präfekt der Vatikanischen Kongregation für die Ostkirchen, sechs Tage in der Ukraine und kam dem Konfliktgebiet in der Ostukraine sehr nahe. Er besuchte Kramatorsk, eine Stadt, in der es 2014 zu Zusammenstößen zwischen den ukrainischen Streitkräften und pro-russischen Kämpfern kam.
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Im Juli 2019 hat Papst Franziskus die Bischöfe und Mitglieder der Synode der Ukrainischen Griechisch Katholischen Kirche zu einem Treffen der Dicasterein in den Vatican einberufen. Während seiner Rede enutzte Parolin "Krieg" in klaren Worten, um den Konflikt in der Ukraine zu beschreiben. Auch Papst Franziskus benutzte das Wort in seiner Rede. In seiner Rede an die Prälaten der Ukrainisch-Griechisch-Katholischen Kirche sprach er auch von einem "hybriden" Konflikt.
Deshalb kann es keinen Zweifel geben, daß der Hl. Stubl sich der Situation in der Region wohl beuwßt war. Aber als russisches Militär die vollumfängliche Invasion begannen, zog der Papst es vor, diese Frage nicht direkt anzusprechen. Der Papst versucht versucht, nicht klar Stellung zu bezoiehen, weil er immer vorzieht, einen Dialog zu beginnen.
Tatsächlich hat Parolin am 8. März mit dem russischen Außenminister Sergey Lavrov gesprochen imd die tiefen Sorgen des Papstes wegen des Krieges zum Ausdruck gebracht.
Gleichzeitig bezog sich Parolin am 28. Februar in einem Interview mit vier Italienischen Zeitungen auf "den Krieg, der von Rußland gegen die Ukraine ausgelöst wurde"
Das muß man in Verbindung mit dem Kommentar des vaticanischen Staatssekretariats vom 24. Februar sehen. daß "immer Zeit für guten Willen ist, immer noch Raum für Verhandlungen, immer noch Raum für die Weisheit, die den vorherrschenden Interessen der Parteien vorbeugt, die legitimen Ziele aller schützt und der Welt den Wahnsinn und Horror eines Krieges erspart."
Die Bezugnahme auf die "legitimen Interessen aller" stellten auch eine Möglichkeit dar, die Russischen Interessen in der sich entwickelnden Situation zu bedenken.
Am 2. März hat Sandri in der Ukrainisch-Griechischen Katholischen Kathedrale in Rom an einem Gebetstreffen für den Frieden teilgenommen, bei dem die "ungerechtfertigte Invasion" beklagt wurde.
Am 5. März nahm Erzbischof Claudio Gugerotti, Nuntius im Vereinten Königreich, an einer pro-ukrainischen Demonstration auf dem Trafalgar Square in London teilgenommen. Der Nuntius, der von 2015 bis 2020 Botschafter des Papstes in der Ukraine war, sagte. "Wir sind alle Ukrainer": Seine Worte -kann man sagen- repräsentierten auch die Gefühle von Papst Franziskus, der der Gegenwart des Nuntius an diesem Event zugestimmt hatte.
Kurz gesagt, es gab eine Doppelgleisigkeit: auf der einen Seite die Klugheit des Papstes, der hartnäckig den Dialog sucht, insbesondere aus humanitärer Sicht; auf der anderen Seite Vertreter des Vatikans, die die Situation in der Ukraine schärfer ansprechen, selbst wenn sie versuchen, Russland nicht zu erwähnen.
Tatsächlich versucht der Heilige Stuhl niemals, in eine diplomatische Konfrontation einzutreten, und bricht niemals die diplomatischen Beziehungen zu einem Land ab. Er zieht auch keine Botschafter ab, es sei denn, sie werden hinausgeworfen.
Was führte dann am vergangenen Sonntag zu der Entscheidung von Papst Franziskus, in der Ukraine-Frage einen anderen Weg einzuschlagen?
Es gibt ein Detail, das nicht übersehen werden sollte. Am 5. März besuchte Erzbischof Giovanni d’Aniello, der Apostolische Nuntius in Russland, den russisch-orthodoxen Führer Patriarch Kirill von Moskau.
Laut einem Kommuniqué des Moskauer Patriarchats stellte Kirill fest, dass die „moderate und weise Position des Heiligen Stuhls“ in vielen internationalen Fragen "mit der Position der russisch-orthodoxen Kirche vereinbar“ sei.
Er betonte auch, daß "es sehr wichtig ist, daß die christlichen Kirchen, einschließlich unserer Kirchen, nicht freiwillig oder unfreiwillig, manchmal ohne Willen, Teilnehmer an diesen komplexen, widersprüchlichen und widersprüchlichen Richtungen werden sollten, die heute auf der Weltagenda stehen.“
Praktisch hat Kyrill den Krieg nicht verurteilt und indirekt die anderen orthodoxen Kirchen kritisiert. Aber im Gegensatz zum Moskauer Patriarchat haben viele dieser Kirchen stattdessen eine klare Position bezogen und dazu beigetragen, die
innerorthodoxen Beziehungen neu zu definieren.
Der Heilige Stuhl wollte nicht in eine Situation völliger Neutralität oder stillschweigender Unterstützung des Krieges hineingezogen werden. Daher bezeugen alle bisher unternommenen Initiativen, daß sich der Heilige Stuhl ständig auf die Ukraine-Krise konzentriert. Papst Franziskus erhält täglich direkte Informationen vor Ort, beginnend mit den
Videobotschaften, die täglich von Groß-Erzbischof Shevchuk aus Kiew gesendet werden.
Diese Situationen haben zu einem entscheidenden Tempowechsel in der päpstlichen Diplomatie beigetragen. Die Worte von Papst Franziskus beim Angelus bescheinigten der Welt, daß weder der Papst noch der Heilige Stuhl blind sind, und tatsächlich die Situation gut kennen. Sie wollen signalisieren, daß es eine diplomatische Höflichkeit des Heiligen Stuhls und den Willen zum Dialog gibt. Dennoch gibt es nicht unbedingt eine Angleichung an die russischen Positionen.
Auf diese Weise räumt die päpstliche Diplomatie das Feld jeder möglichen Überinterpretation aus. Dies ist auch ein Weg, um ein glaubwürdigerer Partner für die Mediation zu werden. Tatsächlich unterstrich Parolin am 7. März in einem
Interview mit TV2000, dem Fernsehsender der italienischen Bischöfe, daß der Heilige Stuhl bereit sei, zu vermitteln, erinnerte jedoch daran, daß die Intervention des Heiligen Stuhls damit nicht endet.
"Die Intervention des Heiligen Stuhls“, erklärte er, "erfolgt auf mehreren Ebenen. Erstens besteht die religiöse Ebene darin, zu einem beharrlichen Gebet einzuladen, damit Gott diesem gequälten Land Frieden schenke, und bezog die Gläubigen in sein Chorgebet ein .“
Dazu kommt der humanitäre Aspekt, insbesondere durch die Caritas und die Diözesen, die sich sehr für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine einsetzen.“
"Und dann gibt es die Verfügbarkeit für diplomatische Initiativen. Wir haben, wie der Papst sagte, die Bereitschaft des Heiligen Stuhls angeboten, in jeder Hinsicht zu helfen, um Waffen und Gewalt stoppen und eine Lösung aushandeln zu können. Und verschiedene Versuche dazu finden auf der ganzen Welt statt.“
Quelle: A. Gagliarducci, CNA
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