Dienstag, 26. April 2022

Wie beurteilt Papst Franziskus den Krieg in der Ukraine? Ein Interview mit Roberto de Mattei

Rorate Caeli hat das Interview veröffentlicht, das Alessandro Rico für La Verita mit Roberto de Mattei geführt hat. 
Hier geht´s zum Original:  klicken und klicken

ROBERTO DE MATTEI IM INTERVIEW MIT LA VERITA: EINE SCHARFSINNIGE ANALYSE ÜBER DAS ENDE DES PONTIFIKATS VON PAPST FRANZISKUS:" WAS NICHT UNTER VORBEHALT IST UND WAS IRREVERSIBEL IST, IST DAS VERSPRECHEN MARIAS." 

"Nachdem er daran erinnert hatte, daß niemand den Sieg über einen Trümmerhaufen ausrufen kann, wiederholte Papst Franziskus, daß Krieg sowohl Gewinner als auch Verlierer zerstört. Dies sind die Positionen der realistischen Schule der internationalen Beziehungen: Krieg mag legitim sein, aber er ist  "eine Form des moralischen Versagens“, wie zum Beispiel George Kennan schrieb. 
"Der Papst war nie ein tolstoischer Pazifist. Gegenüber Leo Tolstoi hat er immer Fjodor Dostojewski bevorzugt, einen Autor, der die tragische Seite der Realität zeigt. Mein Eindruck ist jedoch, daß der Krieg die in der Enzyklika Fratelli tutti formulierte Utopie der menschlichen Brüderlichkeit endgültig aufgelöst hat.“

Sehen Sie eine Änderung der Perspektive?  
"Der Krieg ist wie der Tod. Er ist ein unauslöschlicher Teil des menschlichen Schicksals. Die Idee einer universellen Bruderschaft fehlt im Evangelium und ist kein christlicher Wert.“

Aber Christus forderte uns auf, einander zu lieben.
"Das ist ein Aufruf zur übernatürlichen Nächstenliebe, die ihre Grundlage in Gnade und Wahrheit hat. Papst Franziskus wurde, würde ich sagen, in ein Bad des tragischen Realismus getaucht. Aus meiner Sicht steuert er auf den Sonnenuntergang seines Pontifikats zu.“

Wirklich?
"Ich beziehe mich nicht auf seinen körperlichen Zustand, sondern auf das Scheitern eines pastoralen Projekts, dem er seine ganze Kraft gewidmet hatte. Das verpasste Treffen mit Patriarch Kirill ist ein symbolischer Ausdruck dieses Scheiterns.“

Indem er sich energisch für eine diplomatische Lösung des Konflikts in der Ukraine einsetzt, hat er Mut und Autorität bewiesen. Oder denksen Sie, daß er den Eindringlingen nachgegeben hat?
"Der Leiter der vatikanischen Diplomatie, Kardinal Pietro Parolin, hat bekräftigt, daß das Recht, sein Volk und sein Land zu verteidigen, manchmal auch den traurigen Rückgriff auf die Waffen einschließt. Ich glaube, daß das  heute die Position des Papstes ist.“

Also gibt es auch für die Kirche gerechte Kriege?
"Natürlich. Es sind die Kriege, die aus Notwendigkeit geführt werden, damit Gott uns aus einem Zustand der Ungerechtigkeit befreien und uns in Frieden bewahren kann. Krieg kann `gerecht‘ sein, wenn der Frieden, auf den er abzielt, gerecht ist.“

Welche Kriterien gibt das Lehramt vor?
"Ein Krieg ist legal, wenn er von einer legitimen Autorität geführt wird, um sich gegen eine ungerechte und gegenwärtige Aggression zu verteidigen. Der Katechismus von Johannes Paul II. Nr. 2309 legt folgende Bedingungen fest: a) Alle anderen Mittel zur Beendigung der Aggression müssen sich als unpraktisch oder unwirksam erweisen; b) der Angreifer darf nicht mehr als nötig geschädigt werden; c) der Verteidigungskrieg muss Erfolgsaussichten haben und darf keine Güter gefährden, die größer sind als die, die er schützen soll."


Stimmt die Strategie des Papstes mit der des Lehramtes überein? Oder ist sie- wie manche andeuten, nur die Tochter seines instinktiven Antiamerikanismus?
"Der Papst, der bevor er Franziskus wurde,  der militante Peronist Jorge Mario Bergoglio war, ist sicher ein Gegner des Amerikanischen Imperiums. Aber ich sehe in der Position, die er er zur Zeit einnimmt. keine Spur von Anti-Amerikanismus."

Die Linke- einschließlich der Atlantiker, die ihn immer noch als Verbündeten sehen, scheint enttäuscht zu sein. 
"In Wirklichkeit begann das Fallenlassen von Papst Franziskus durch ein bestimmtes progressives Establishment im letzten Jahr, nachdem die Amazonas-Synode nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht hatte: die Hürde des priesterlichen Zölibats zu überwinden und das Frauen-Priestertum. Vielleicht war die Linke zu voreilig gewesen, Bergoglio als ihren Weltenführer zu erkennen. Tatsache ist, daß er den Plan der internationalen Linken nicht ausgeführt hat."

Wenn wir von Amerika sprechen: die USA haben wiederholt Dialoge sabotiert
"Im Frieden wie im Krieg verfolgt jede Macht ihre eigenen Interessen. Der Krieg in der Ukraine ist ein Steelvertreter-Krieg, der uns an den Krieg von 1950 und 1953 zwischen den USA und der Sowjet-Union auf der Koreanischen Halbinsel erinnert. Damals benutzte die Sowjetunion die Armeen von Nordkorea und des Maoistischen Chinas benutzt, um ihren Wunsch zur Expansion nach Ost-Asien zu fördern. Hier ist es nicht Rußland, das China benutzt, sondern China, das versucht aus dem Konflikt vollen Vorteil zu ziehen. Und es ist meiner Meinung nach China, nicht Rußlandm das der wahre Gegenspieler des Weißen Hauses ist." 

Franziskus hat Angst, daß der regionale Konflikt in der Ukraine das Vorspiel einer Konfrontation zwischen den USA und Rußland ist. Ist das der "stückweise Dritte Weltkrieg" von dem der Papst seit 2014 redet?
"Was passiert, entspricht genau diesem Szenario. Der "globale" Charakter des Krieges liegt nicht so sehr in der Intensität der Kämpfe , oder in dem Schritt von konventioneller zu nuklearer Kriegsführung;  er liegt in seiner weltweiten Ausbreitung. Es ist in der Tat wahrscheinlich, daß neue Kriegsfronten im Kaukasus und entlang der euraischen geopolitischen Linie eröffnet werden, die von Rußland den ganzen Weg nach China führt." 

Und Afrika? Wenn es einen Mangel an Brot und Rohstoffen gibt, sterben die Menschen dort an Hunger oder es brechen andere Kriege aus und es wird eine weitere Migrations-Bombe gezündet
"Sicher. Die militärische Dimension bringt die Drohung der Lebensmittelknappheit noch mehr als früher mit sich." 

In einem Interview mit der Argentinischen Zeitung La Nación hat Bergoglio jenen, die ihn beschuldigten, Vladimir Putin niemals verurteilt zu haben: "Ein Papst beruft niemals ein Staatsoberhaupt". 
"Franziskus hat Recht. Pius XI und Pius XII haben den Nationalsozialismus und den Kommunismus  verurteilt, aber niemals Adolf Hitler und Joseph Stalin genannt. Aber der Papst hat ausdrücklich die vom Ukrainischen Volk erlittene Aggression und niemand weiß nicht, wer der Urheber der Aggression ist, Und er hat die Ukrainische Fahne geküßt, scheint mir, nicht die Russische..."

Wenn also das Ziel ist, Verhandlungen zu erreichen, hilft es nicht, den Russischen Präsidenten ein "Schwein" zu nennen, wie es Luigi Di Maio getan hat, oder?
"Ausbrüche wie der von Minister Di Maio sind für einen Politiker unangebracht und zeigen eine gewisse Unreife. Putin einen Kriminellen oder Verrückten zu nennen, bedeutet zu glauben, daß die Invasion der Ukraine das Ergebnis einer psychischen Störung ist.“ 

Ist sie das  nicht? 
"Putins Krieg ist eine rationale Entscheidung, die in eine umfassende Geophilosophie der Geschichte eingebettet werden muss. Putins Plan ist nicht nur die Eroberung des Donbass oder der Südukraine, sondern der Widerstand gegen den Westen, den er nach seiner poststalinistischen Vision vom "Dritten Rom“ per se für korrupt hält. Man müßte Aleksander Dugin und Ivan Ilyn lesen, um das zu verstehen."

War es richtig, die 13. Station der Via Crucis am Karfreitag eine russische und eine ukrainische Frau darstellen zu lassen? 
"Ich habe nichts Skandalöses darin gesehen. Außerdem fand die Station schweigend statt. Es wurde kein unpassendes Wort gesprochen."

Im Osten haben nicht alle in der Katholischen Kirche Zustimmung gezeigt. Gibt es hier im Westen einstimmige Zustimmung zum Verhalten von Franziskus? 
"Es gibt sicherlich Bruchlinien, die sich aber auch aus der Schwierigkeit ergeben, das Vorgehen des Papstes zu verstehen. Es gibt auch Versuche das auszubeuten.“

Was halten Sie zum Beispiel davon, daß der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl versucht hat, vor dem Verzicht des Papstes seinen Hut an das Treffen mit Kyrill zu hängen?
"Andrii Yurash, der neue Botschafter der Ukraine beim Heiligen Stuhl, der dem Orthodoxen Glauben angehört, ist Universitätsprofessor und Experte für die Beziehungen zwischen Staat und Kirche, der seine Mission sehr gut erfüllt und die Interessen seines Landes selbstverständlich vertritt. Der Papst und die vatikanische Diplomatie sollten eine universelle und transzendente Vision der politischen Ereignisse unserer Zeit haben.“

Hier kommen wir zum Wesentlichen: gibt es territoriale und politische Zugeständnisse an Putin, die der Hl. Stuhl auf moralisch legitime Weise unterstützen könnte? 
Ich glaube nicht, daß der Hl. Stuhl in diese Details gehen sollte. Die Kirche hat die Pflicht daran zu erinnern, daß es Kriterien von Gerechtigkeit und Nächstenliebe gibt, die die Grundlage für die Beziehungen zwischen Männern und Frauen im Krieg und im Frieden sein sollten, Heute werden die Gesetze des zivilen Zusammenlebens sowohl im Frieden wie im Krieg verletzt. Wie kann man sich  über das Massaker an der Ukrainischen Bevölkerung wundern, nachdem man das systematische Staatsmassaker, das die Abtreibung ist, unterstützt hat?

Es andere sehr ernste Krisen gegeben, in denen das Papsttum entscheidende Beiträge dazu geleistet hat, um eine gefährliche Zuspitzung zu vermeiden: man muß nur an die Raketen auf Kuba denken. Muß Franziskus ähnliches unternehmen? 
“Benedikt XV hat auf diplomatischer Ebene intensiv daran gearbeitet, den I. Weltkrieg zu beenden, den er ein "nutzloses Massaker" nannte. Unglücklicherweise ohne Erfolg. Es ist richtig, daß die Kirche versuchen sollte, durch diplomatische Kanäle ihren Beitrag zum Frieden zu leisten. Wichtiger aber ist es, durch ihr Lehramt die Bedingungen für einen wirklichen Frieden zu verkünden."

Der auch durch die Weihe Rußlands und der Ukraine an das Unbefleckte Herz Mariens kommen kann? 
"Ich erinnere daran, daß die Hl. Jungfrau in Fatima darum gebeten hat, Rußland ihrem Unbefleckten Herzen zu weihen. Diese Weihe wurde über ein Jahrhundert lang ignoriert."

Wurde sie das?

"Franziskus ist der Papst, der am wenigsten geeignet schien, diese Handlung zu vollführen, teils weil er es nicht tat, als er am 12. -13. Mai 2017 nach Fatima ging, aber am 25. März hat er die Forderung der Botschaft von Fatima erfüllt."


Was ist die Bedeutung dieser Geste? 

"Sie hat große historische Bedeutung und bestätigt, daß die Stunde der Erfüllung der Prophezeiung von Fatima näher kommt."


Erklären Sie das bitte.

"Wegen der Unbußfertigkeit der Menschheit kündigte die Mutter Gottes in Fatima an, daß `verschiedene Nationen vernichtet werden‘: eine schreckliche Vorhersage, wenn auch an Bedingungen geknüpft, denn die Bekehrung könnte diese Bestrafung abwenden. Aber was nicht bedingt und unwiderruflich ist, ist die Verheißung Mariens.“


Das bedeutet was? 
"Den endgültigen Triumph des Unbefleckten Herzens. Dieses Versprechen muss das Herz jedes Katholiken mit Hoffnung erfüllen.“


Quelle: Rorate Caeli, A. Rico, "La Verità" 

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