Mittwoch, 15. Juni 2022

Es ist die Moraltheologie!

Larry Chap versucht in einem Beitrag für den National Catholic Register den Lesern den  Unterschied zwischen den Pontifikaten von Papst Franziskus und seiner Vorgänger zu erklären, den Unterschied, der heute so viele Gläubige beunruhigt. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS VERSTEHEN:  IT´S THE MORAL THEOLOGY, STUPID!"

Kommentar:  Mit diesem Papsttum, das sich deutlich von seinen Vorgängern unterscheidet, scheint etwas Ernstes im Gange zu sein, und dieses „Etwas“ ist eine revolutionäre Veränderung in der Moraltheologie.

1992 - mitten in einer Rezession hatte der Präsidentschaftskandidat Bill Clinton eine einfache Botschaft: "It’s the economy, stupid.” Mit einer kleinen Veränderung würde ich im Hinblick auf das Rätsel, das Papst Franziskus darstellt sagen. "Es ist die Moraltheologie, Dummkopf."
Und ich sage, er ist ein Rätsel, weil das allgemeine Narrativ über ihn zu sein scheint, daß er ein Liberaler" ist und er dem liberalen Flügel der Kirche dennoch keines ihres beliebtesten Zielezugestanden hat. Er hat den Pflichtzölibat nicht abgeschafft, Frauen nicht zu Priestern oder zum Diakonat geweiht, nicht die Lehre der Kirche zur menschlichen Sexualität geändert, Proetstanten - ale eine Sache des Kanonischen Rechts nicht den Empfang der Eucharistie gewährt oder wiederverheirateten Geschiedenen eine Freikarte zur Kommunion. Und dennoch scheint mit diesem Papsttum etwas Ernstes im Gange zu sein, das es klar von seinen Vorgängern unterscheidet und dieses Etwas ist eine revolutionäre Änderung in der Moral-Theologie. 

Ich behaupte, daß Papst Franziskus einer Form der Theologie zuzuneigen scheint, die allgemein als "Proportionalismus" oder "Konsequenzialismus" bezeichnet wird. Ich denke, daß Papst Franziskus im Proportionalismus am allerwenigsten als eine Art "korrigierendes" Gegengewicht zu dem betrachtet, was er in einer Überbetonung der Moral der Naturrechts in der Kirche sieht, die ihre zentrale Betonung bei bestimmten Moralfragen auf das "intrinsisch Böse" legt.

Der Proportionalismus leugnet, daß es in sich böse Taten gibt und daß die Moralität einer Handlung nur im Licht ihrer Auswirkung oder Konsequenzen beurteilt werden kann. Katholische Proportionalisten leugnen nicht, daß es wirklich grundlegende moralische Prinzipien gibt (wodurch sie sich von einem geradlinigen und ungeschminkten Utilitarismus unterscheidet), sondern daß ein moralisches Prinzip im Licht einer rationalen Beurteilung möglicher oder wahrscheinlicher Ergebnisse in bestimmten Fällen verneint werden kann, wenn es dafür einen "im Verhältnis stehenden" Grund gibt - ungeschminkter Utilitarismus).
Diese Form der Moraltheologie war in der nachkonziliaren Ära sehr einflussreich und gewann unter denjenigen, die Humanae Vitae lautstark widersprachen, weitere Stärke. Diejenigen von uns, die diese Debatten miterlebt haben, wissen genau, wie spaltend sie waren, und bestimmte Moraltheologen, die die traditionelle Naturrechtstheologie der Kirche verteidigten (z. B. Germain Grisez, Janet Smith usw.), zahlten einen hohen professionellen Preis für ihre Haltung.

Was ist also mein Beweis dafür, daß Papst Franziskus den Proportionalismus bevorzugt, auch wenn er das nie ausdrücklich gesagt hat? 

Für Anfänger- 2017 hat er erklärt, daß der proportionalistische Moraltheologe Bernard Häring ein paradigmatisches Vorbild dafür gäbe, wie die Moraltheologie im Lichte des Zweiten Vatikanischen Konzils erneuert werden sollte. Das ist derselbe Bernard Häring, der Humanae Vitae und Veritatis Splendor in wichtigen moralischen Fragen widersprach, die weit über die Frage der Empfängnisverhütung hinausgingen. Warum sollte Papst Franziskus sich die Mühe machen, auf Häring als Vorbild für die Moraltheologie hinzuweisen, obwohl er genau wusste, daß Häring von den Lehren von Paul VI. und Johannes Paul II. stark abgewichen war?

Meiner Meinung nach ist der Grund dafür ganz klar: besonders, daß Papst Franziskus -sogar wenn er dem Dissens von Häring nicht zustimmt- das moraltheologische Konzept bevorzugt, das Häring repräsentiert. Die einzige andere Option ist, zu behaupteen, daß Papast Franziskus nicht wußte, was Häring wirklich repräsentiert, was ich für sehr unwahrscheinlich halte. In der Tat und um nicht allzusehr darauf zu beharren, daß Papst Franziskus von allen Moraltheologen, die er als Beispiel empfehlen konnte, d.h. so jemanden wie Servais Pinckaers- statt dessen ausgerechnet einen Proportionalisten auswählte. Ich denke, daß das etwas bedeutet. 

Zweitens scheint Papst Franziskus eine Form der moralischen Argumentation zu übertnehmen, die eng mit dem Proportionalismus verbunden ist und besagt, dass unter konkreten Lebensumständen, die oft komplex, schwierig und chaotisch sind, die Fähigkeit einer Person, das objektive moralische Gesetz zu leben, so eingeschränkt sein könnte, daß er oder sie tatsächlich für bzgl. jeder moralischen Schuld unschuldig ist und tatsächlich in der konkreten Existenz das tut, was Gott für ihn will, ungeachtet dessen, was die objektive moralische Norm lehrt. Mit anderen Worten, der fragliche moralische Grundsatz wird bejaht, kann aber in bestimmten komplexen Fällen, die uns einen angemessenen Grund dafür bieten, beiseite gelassen werden. Das unterscheidet sich von "schuldhafter Unkenntnis“ des fraglichen Prinzips, da das Prinzip bekannt und bestätigt ist, aber in diesem Fall nur "beiseite gelegt“ wird.

Und wenn wir die Umstände so als einschränkend und mildernd beurteilen, dann können wir mit gutem Gewissen bestätigen, daß wir trotz der Verletzung des betreffenden Prinzips tatsächlich Gottes Willen tun. Zum Beispiel macht Papst Franziskus in Amoris Laetitia Kapitel 8 folgende Aussage:
"Dennoch kann das Gewissen mehr tun, als nur anzuerkennen, daß eine Situation objektiv nicht den generellen Anforderungen des Evangeliums entspricht. Es kann auch aufrichtig und ehrlich das erkennen, was vorerst die großherzige Antwort ist, die man Gott geben kann, und mit einer gewissen moralischen Sicherheit entdecken, dass dies die Hingabe ist, die Gott selbst inmitten der konkreten Vielschichtigkeit der Begrenzungen fordert, auch wenn sie noch nicht völlig dem objektiven Ideal entspricht." (303) 

Das scheint mir eine klare Befürwortung eines eher proportionalistischen Verständnisses der Moraltheologie zu sein. Pastorale Barmherzigkeit und ein schrittweiser Ansatz, Menschen zur Fülle der Wahrheit zu bringen, ist schön und gut, und Papst Franziskus befürwortet zu Recht ein solches Gesetz der schrittweisen Vorgehensweise. Aber weiter zu gehen und zu sagen, daß die Umstände eine objektiv unmoralische Tat in Gottes Willen für mein Leben jetzt verwandeln könnten, und dies mit gutem Gewissen sagen zu können, ist eine ganz andere Sache. Das steht in krassem Gegensatz zu den Worten des heiligen Papstes Johannes Pauls in Familiaris Consortio (34):

"Jedoch können sie das Gesetz nicht als ein reines Ideal auffassen, das es in Zukunft einmal zu erreichen gelte, sondern sie müssen es betrachten als ein Gebot Christi, die Schwierigkeiten mit aller Kraft zu überwinden. "Daher kann das sogenannte ‚Gesetz der Gradualität‘ oder des stufenweisen Weges nicht mit einer ‚Gradualität des Gesetzes‘ selbst gleichgesetzt werden, als ob es verschiedene Grade und Arten von Gebot im göttlichen Gesetz gäbe, je nach Menschen und Situationen verschieden.

Alle Eheleute sind nach dem göttlichen Plan in der Ehe zur Heiligkeit berufen, und diese hehre Berufung verwirklicht sich in dem Maße, wie die menschliche Person fähig ist, auf das göttliche Gebot ruhigen Sinnes im Vertrauen auf die Gnade Gottes und auf den eigenen Willen zu antworten" (Johannes Paul II., Homilie zum Abschluß der VI. Bischofssynode (25.10.1980), 8: AAS 72 (1980) 1083). Dementsprechend gehört es zur pastoralen Führung der Kirche, daß die Eheleute vor allem die Lehre der Enzyklika Humanae vitae als normativ für die Ausübung ihrer Geschlechtlichkeit klar anerkennen und sich aufrichtig darum bemühen, die für die Beobachtung dieser Norm notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.

Drittens muss man auch die Bedeutung des Abbaus des Johannes Paul II. Instituts für Studien über Ehe und Familie in Rom durch den Papst berücksichtigen. Die akademische Ordnung wurde auf extreme Weise verletzt, weil die Professoren des Instituts aus eindeutig ideologischen Gründen kurzerhand entlassen wurden. Diese Professoren waren alle Unterstützer von Veritatis Splendor und der Tradition der Kirche der moralischen Argumentation des Naturrechts. Sie wurden durch Proportionalisten ersetzt, von denen einige nachweislich erklärten, dass die Lehre der Kirche zu Verhütung und Homosexualität im Lichte "zeitgenössischer Erkenntnisse und Umstände“ erneut betrachtet werden sollte. Darüber hinaus ist der neue Schwerpunkt des Instituts nicht mehr Veritatis Splendor, sondern Amoris Laetitia, wobei letzteres als "Öffnung“ für einen "neuen Blick“ auf bestimmte "fragwürdige“ Lehren der Kirche interpretiert wird. Der Platzmangel verhindert, daß ich auf alle Details eingehe, und viele vor mir haben das ohnehin schon bewundernswert getan.

Schließlich freue ich mich sagen zu können, daß bei jeder Wendung das Personal Politik ist. Und wenn man auf Franziskus´ Bischofsernennungen auf hoher Ebene schaut, speziell in den USA und Europa, erkennt man ein klares Muster welche Art von Prälaten Papst Franziskus bevorzugt. Sei können sich stark in Tonart und Temperament unterscheiden und sie teilen vielleicht nicht alle in allen Dingen die selben theologischen Meinungen. Aber sie haben alle eines gemeinsam und das ist das Festhalten an einer Form der pastoralen Begleitung, die für diejenigen, die Augen haben, eindeutig bedeutet, eine Form von proportionalistischer moralischer Argumentation zu sehen.

In diesem Sinne stöhnten viele konservative Katholiken verzweifelt über den roten Hut, der Bischof McElroy von San Diego verliehen wurde. Ich kenne den jetzt designierten Kardinal, Bischof McElroy nicht persönlich, und ich werde (wirklich) für ihn beten, da er jetzt einer der führenden Köpfe im amerikanischen Episkopat ist, und ich wünsche ihm alles Gute. Aber was mir auffällt, und was allen auffallen sollte, ist, daß dies nur ein weiteres Beispiel, eine weitere Bestätigung dessen ist, wovon ich spreche. Und das Wichtigste an diesem gegenwärtigen Papsttum ist die Revolution in der Moraltheologie, die es zu akzeptieren scheint.

Deshalb müssen wir anstatt verzweifelt die Hände zu ringen, in Verzweiflung über diesen oder jeden Aspekt der Kirchenpolitik, müssen wir uns um die Theologie kümmern. Weil es die Moraltheologie ist, Dummkopf."

Quelle: Larry Chap, NCR

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