Donnerstag, 23. Juni 2022

Immer wieder die alten Fehler

George Weigel stellt in einem Beitrag für firsttings die Moraltheologie des Hl. Johannes Pauls II neuen, ihr widersprechenden Strömungen im Umfeld das aktuellen Pontifikates entgegen. 
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"DAS SELBE ALTE, IMMER UND IMMER WIEDER AUFBEREITET"

Im Dezember 2021 und Mai 2022 hatte ich das Vergnügen einen kleinen Kursus zu unterrichten und das Leben und Denken des Hl. Johannes Pauls II zu erkunden. Meine Studenten kamen aus einem Querschnitt des weltweiten Katholizismus und boten in unseren Diskussionen eine Reihe von Erkenntnissen aus den verschiedenen Ortskirchen. Von etwas, worauf ich ihre Aufmerksamkeit gelenkt habe, waren sie jedoch einheitlich überrascht. 

Das II.Vaticanum hatte zu Recht die Erneuerung der Katholischen Moraltheologie verlangt. Was traurigerweise folgte, war die Zerstörung der Katholischen Moraltheologie - bis dahin, daß prominente Moraltheologen behaupteten, daß es so etwas wie "eine in sich böse Tat" nicht gäbe: eine Tat, die immer und überall ihrer Natur nach falsch ist, unabhängig von den Absichten des Handelnden und den Folgen des Handelns. Ich bemerkte dann, daß eines der vielen Ziele von Johannes Paul II, als er 1993 seine Enzyklika Veritatis Splendor schrieb, war, die lange bestehende Überzeugung des Katholizismus zu bestätigen und neu zu erklären, daß es in sich böse Handlungen gibt, eine Überzeugung, die 1995 in der Enzyklika Evangelium Vitae noch einmal bestätigt wurde.

Meine Studenten waren verblüfft: wie konnte irgendwer nicht verstehen, daß einige Handlungen äußerst böse sind? Was ist mit Vergewaltigung? Der Folterung von Kindern? Vorsätzlichem Mord? Dem Bombardieren von Krankenhäusern und der Hinrichtung von Zivilisten in der Ukraine? Das ist eine lange Geschichte, sagte ich, und unter den Übeltätern sind die Philosophen Immanuel Kant und David Hume, deren Werke eine der Grundüberzeugungen der Westlichen Zivilisation zerstört haben: daß tiefe Wahrheiten in uns und in die Welt eingebaut sind, Wahrheiten, die wir durch unsere Vernunft verstehen können. Ich bemerkte, daß die kreativste Moraltheologie, die im vergangenen Vierteljahrhundert gemacht wurde, einen anderen Weg eingeschlagen hat. Kreative Theologen haben akzeptiert, was Johannes Paul II in Veritatis Splendor und Evangelium Vitae lehrte und er erklärte diese Lehre, indem er an die dem Menschen innewohnende Würde appellierte, die unsere Fähigkeit einschließt, Freiheit edelmütig zu leben. Aber ich mußte zugeben, daß während der vergangenen 9 Jahre die alten Fehler wieder aufgetaucht sind und einige davon jetzt in den Päpstlichen Universitäten Roms vorherrschen. 

Was noch merkwürdiger war, schloss ich,  daß dieses alte Bestehen der späten 60-er Jahre darauf, daß die Moraltheologie auf der Behauptung aufgebaut ist, daß es keine in sich bösen Handlungen gibt, heute als etwas Neues präsentiert wurde, neu und kreativ, obwohl es in Wahrheit 
intellektuell steril, pastoral fruchtlos und sozial verantwortungslos war– eine Kapitulation nach der anderen vor der Dekadenz des Westens, gerade als die westlichen Gesellschaften aus Mangel an Realitätskontakt implodierten (und damit der „Diktatur des Relativismus“ gefährlich nahe kamen , vor der Kardinal Joseph Ratzinger 2005 warnte).


Die wachsenden Teile der Weltkirche waren nicht an einer Rückkehr zu den verzerrten Perspektiven des moralischen Lebens interessiert, die Veritatis Splendor zu korrigieren versuchte; sie predigen und lehren uns die Fähigkeit unter der Gnade so zu leben, wie Gott es beabsichtigt hat und wie die Kirche Christi lehrt. Die schnell expandierende Kirche in Afrika ist nicht bestrebt, westliche Korruption in Gesellschaften zu importieren, in denen christliche Wahrheiten über menschliche Liebe, Ehe und Familie als befreiende gute Nachricht verbreitet werden. In Europa und Nordamerika sind die lebendigen Teile der Kirche mit dem pastoralen Versagen der katholischen Lehre konfrontiert, einem Katholizismus ohne stabile doktrinäre und moralische Grenzen, und diese lebendigen Pfarreien, Diözesen, religiösen Orden, Seminare und Laienerneuerungsbewegungen wachsen. Wieso? Weil sie verstehen, daß Wahrheit und Barmherzigkeit zusammengehören und daß der Zweck der Kirche als "Feldlazarett“ nicht darin besteht, Wunden vorübergehend zu verbinden, sondern Menschen zu heilen und sie als missionarische Jünger auszusenden – Zeugen der Macht Christi- um zerbrochene Leben zu heilen.

Die Backbordseite der katholischen Kirche stellt gerne die "Reformen von Papst Franziskus“ mit dem "Häresie jagenden Vatikan von Johannes Paul II“  entgegen (wie es kürzlich eine besonders hässliche Schlagzeile formulierte). Das ist die Art von jugendlicher Karikatur, der sich Menschen hingeben, die im Grunde befürchten, daß sie eine Auseinandersetzung verlieren, und die deshalb auf das billigste aller rhetorischen Schachzüge zurückgreifen, den Ad-hominem-Angriff. Die Wahrheit ist natürlich, daß kein Papst in der modernen Kirchengeschichte größere Anstrengungen unternommen hat, um die Wahrheiten des katholischen Glaubens den skeptischen und oft zynischen Spätmodernen und Postmodernen zu erklären, als Johannes Paul II.

Diejenigen, die Johannes Pauls intellektuelles und moralisches Heldentum in einem lahmen Versuch, das gleiche, immer gleiche Alte zu verteidigen – den fließenden Katholizismus, der sich überall als evangelisches Versagen erwiesen hat – herabsetzen, halten sich vielleicht für pastoral sensibel. Und einige sind es zweifellos. Meinen Schülern schienen sie jedoch Beispiele für intellektuelle Erschöpfung und evangelikale Feigheit angesichts woker kultureller Aggression zu sein."

Quelle: G. Weigel, firstthings    

 

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