A. Gagliarducci kommentiert bei CNA die jüngste Entwicklung beim Malteser Orden nach dem Tod von Fra Luzzago und dem Eingreifen von Papst Franziskus in die inneren Ordensangelegenheiten und stellt die Frage, ob die Souveränität des Ordens durch diese Interventionen gefährdet ist.
Hier geht´s zum Original: klicken
"DER MALTESER ORDEN HAT EIN NEUES OBERHAUPT, ABER HAT ER SEINE SOUVERÄNITÄT VERLOREN?"
Papst Franziskus hat am Montag ein neues Oberhaupt für den Malteser Orden ernannt, sogar noch vor der Beerdigung seines früheren Leiters, Fra´ Marco Luzzago, der am 7. Juni plötzlich gestorben war.
Der in Kanada geborene Rechtsanwalt Fra´ John T. Dunlap wird als Leutnant des Großmeisters dienen, eine Rolle, die Luzzago zwei Jahre innehatte. Dunlap wurde am 14. Juni, dem Tag der Beerdigung Luzzagos, vereidigt.
Normalerweise wird der Leutnant des Großmeisters für eine einjährige Amtszeit gewählt. Aber 2021 hatte Papst Franziskus Luzzagos Amtszeit auf unbestimmte Zeit bis zur Wahl eines neuen Großmeisters des Ordens verlängert, eine Position, die auf Lebenszeit eingenommen wird.
Jetzt ist Dunlap durch direkte Anordnung von Papst Franziskus der neue Leutnant des Großmeisters und wird eng mit dem Spezialdelegierten Kardinal Silvao Maria Tomasi zusammen arbeiten,
Tomasi wurde im Juni 2021 von Papst Franziskus empfangen, gemeinsam mit Fr. Gianfranco Ghirlanda (jetzt als Kardinal nominiert), der zu denen gehörte, die an der Reform des Ordens arbeiteten. Diese Audienz ging dem letzten Eingreifen des Papstes in die 1000-jährige Institution voraus.
Konstitutionelle Fragen
Der Papst hat jetzt de facto die Kontrolle des Malteser Ordens übernommen - und das nicht nur bzgl. seiner Identität als religiösen Laienordens. Er hat auch mit einer Entscheidung in die Leitung des Ordens eingegriffen, die nicht verfassungskonform zu sein scheint, wenn auch nur weil erwartet wird, daß wenn das Oberhaupt des Ordens stirbt, der Großkomtur des Ordens für 3 Monate sofort die Macht übernimmt.
Direkt nach Luzzagos Tod verkündete der Malteser Orden, daß Großkomtur Fra´ Ruy Goncalo do Valle Peixoto de Villas- Boas die Leitung des Ordens ad interim bis zur Wahl eines neuen Oberhaupts übernommen habe.
Papst Franziskus hat jedoch ganz eigenmächtig beschlossen, die Reformen nach seinem Willen fortzuführen.
Das ist vielleicht Ironie, weil Luzzago zuvor die Wichtigkeit der Souveränität des Ordens unterstrichen hatte. In einer Rede vor dem diplomatischen Corps im Januar, stellte er fest, daß die großen humanitären Werke "vor allem Dank der Souveränität des Ordens, einem Gründungselement unserer Verfassung möglich waren."
Zu der Zeit schien es so, daß der Papst eine ausgeglichene Entscheidung wollte und alles in seiner Hand lag.
Es wurde allgemein gehofft, daß der Papst nach drei Monaten Fra Ruy Goncalo do Valle Peixoto de Villas-Boas als Interimslösung ernennen würde und dann gemäß der bereits reformierten Statuten zur Wahl eines Großmeisters fortschreiten würde. Aber das war nicht der Fall.
Vielleicht liegt hinter dem gewaltsamen Eingreifen des Papstes die Angst, daß die Mehrheit der Ordensmitglieder noch gegen den Reform-Gedanken ist, den er im Sinn hat.
Generationswechsel
Die Wahl Dunlaps favorisiert den Gedanken an eine neue Generation. Er ist ein auf Gesellschafts- und Einwanderungsrecht spezialisierter Anwalt und Rechtsberater des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den UN. Er ist seit 1996 im Malteser Orden und hat seine Ewige Profess als Ritter des Rechts 2008 abgelegt. Seit 2014 hat er im Souveränen Rat gedient.
In einem Brief an den Orden vom 13. Juni, der von der italienischen Zeitung Il Messagero veröffentlicht wurde, hat Papst Franziskus an die Rolle der Päpste beim Schutz der Malteser Ritter erinnert. Er hat darin auch notiert, wie Päpste, unter ihnen Pius XII und Johannes XXIII, zum Wohl der Institution in die Angelegenheiten des Ordens eingegriffen haben.
"Unglücklicherweise scheinen neue Ereignisse und Umstände fast verhindern zu wollen, daß der Orden des Hl. Johannes des Täufers in Treue die notwendigen Schritte zur Erneuerung seines usprünglichen Charismas unternimmt" schrieb der Papst.
In der Tat bringt der vorzeitige Tod des Leutnants des Großmeisters, Fra´ Marco Luzzago, zusätzlich zur vorübergehenden Aussetzung des Reformprozesses die Gefahr weiterer Verschärfungen der noch bestehenden Spannungen mit sich.
Dunlaps Ernennung erfolgte "ungeachtet aller gegenteiligen Bestimmungen oder Rechtsvorschriften, die in der Verfassungsurkunde oder im Melitense-Kodex festgelegt sind, sowie aller Privilegien oder Gewohnheiten, sogar zu befolgender, die dieser meiner Entscheidung zuwiderlaufen könnten, die auf das höhere Wohl des Souveränen Militär-Hospitaliter-Ordens des Hl. Johannes von Jerusalem, von Rhodos und Malta abzielen.“
Papst Franziskus bestätigte auch, daß Kardinal Tomasi weiterhin "alle ihm in der Vergangenheit und besonders die in meinem Brief vom 25. Oktober 2021 gewährten Möglichkeiten und Vorrechte ausüben werde."
Mit diesem Brief wurde Tomasi die volle Macht zugestanden, eine revidierte Verfassung zu entwerfen, einen Rat einzubestellen, um die Verfassungs-Charta und den Kodex zu diskutieren und ein außerordentliches Generalkapitel einzuberufen, den Souveränen Rat zu erneuern und den kompletten Staatsrat zur Wahl eines neuen Großmeisters zu versammeln.
Die Souveränitätsfrage
Papst Franziskus´ Idee ist es, den Malteser Orden als Ganzes als einen religiösen Orden und direktes Subjekt des Papstes zu behandeln. Aber in Wirklichkeit ist das religiöse Element des Ordens auf die Ritter mit ewiger Profess, die als Mönche leben, beschränkt.
Papst Franziskus wollte, daß zusammen mit der Reformgruppe von Kardinal Tomasi eine Arbeitsgruppe um den Leutnant des Großmeisters gegründet werden sollte. Die beiden Gruppen haben zwei entgegengesetzte Vorschläge zur Reform präsentiert.
Tomasis Gruppe glaubt, daß die Ritter mit Profess den Orden leiten sollten. Die von Großkanzler Albrecht von Boeselager zusammengestellte Gruppe fordert dagegen einen kollegialeren Regierungsstil.
Seitdem Papst Franziskus den Reformprozess 2017 auf den Weg brachte und den Rücktritt des Großmeisters Fra´ Matthew Festing mitten in einer internen Führungskrise annahm, bestimmen diese beiden Visionen die Diskussion.
Die Debatte über die neuen Verfassung verschärfte sich nach dem Tod von Festings Nachfolger Giacomo dalla Torre im Jahr 2020. Nachdem Kardinal Angelo Becciu, Papst Franziskus´ erster Delegierter, zurücktreten mußte, ernannte der Papst Tomasi als neuen Delegierten.
Der Orden unterhält diplomatische Beziehungen zu mehr als 100 Staate und besitzt den Status eines Ständigen Beobachters bei den UN. Obwohl er über kein wirkliches eigenes Territorium verfügt, besitzt er die Kennzeichen der Souveränität, wie eine eigene offizielle Währung, Briefmarken und Autokennzeichen.
Der designierte Kardinal Ghirlanda behauptet, daß diese Souveränität der religiösen Weihe entspringt. Dieser Gedanke ist nur dann gültig, wenn der Orden primär als religiöse Körperschaft angesehen wird. Die Betonung des religiösen Charakters des Ordens könnte seine Souveränität aufs Spiel setzen, weil er vom Oberhaupt eines anderen Staates (Vatican-Staat) kontrolliert würde.
Die Boeselager-Gruppe schlägt vor, daß das General-Kapitel, die Körperschaft, die die Vertreter aller Klassen zusammen bringt, 15 Repräsentanten der Ritter mit Profess haben sollte, während die Vereinigungen nicht nach der Anzahl der durchgeführten Arbeiten vertreten sein sollten sondern eher nach den diesen Arbeiten zugemessenen Budgets. Auf diese Weise würden die Vereinigungen über zwischen einem und vier Delegierten haben - abhängig davon, ob sie über ein Budget von unter oder über 20 Millionen $ verfügen.
Mit seiner Entscheidung den Leutnant des Großmeisters persönlich zu ernennen, hat Papst Franziskus Ghirlandas Ansicht akzeptiert und die Reform in die eigenen Hände genommen. Es ist wahrscheinlich, daß er auch das Ergebnis beeinflussen und ein weiteres Kapitel päpstlichen Interventionismus´ öffnen wird, mit dem Risiko, die lange etablierte Identität des Malteser Ordens zu verändern."
Quelle: A. Gagliarducci, CNA
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die nach der DSGVO nötige Zustimmung, dass dieser, im Falle seiner Freischaltung, auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger« Software vorgegeben ist, dass Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie diese angeben, ebenfalls gespeichert wird. Daher stimmen Sie, sofern Sie Ihre email Adresse angeben, einer Speicherung zu. Gleiches gilt für eine Anmeldung als »Follower«. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars wünschen, können Sie dies, unter Angabe des Artikels und Inhalt des Kommentars, über die Kommentarfunktion erbitten. Ihr Kommentar wird dann so bald wie möglich gelöscht.