Sonntag, 17. Juli 2022

Der Konzils-Erbfolgekrieg

George Weigel kommentiert bei FirstThingsFirst den fortwährenden Kampf der Progressisten und Traditionalisten um die Interpretationshoheit für das II.Vaticanische Konzil, den er  den Konzils-Erbfolge-Krieg nennt. Hier geht´s zum Original:  klicken

                  "DER KONZILS-ERBFOLGE KRIEG"

Während ich nie die Details des Spanischen-Erbfolgekrieges (1701-1714) und des Österreichische Erbfolgekrieges (1740-1748) behalten kann, habe ich diesen Begriff aufgegriffen um den große Streit über die Bedeutung des II.Vaticanischen Konzils zu benennen: den "Erbfolgekrieg des Konzils."

Wie ich in meinem Buch "Die Ironie der Modernen Katholischen Geschichte" erklärt habe, war der Konzils-Erbfolgekrieg keine Rauferei zwischen stereotypen Katholischen "Traditionalisten" und Katholischen "Liberalen". Er war eher eine Schlacht innerhalb der Ränge der reformistischen Theologen beim II. Vaticanum, die noch während des Konzils ausbrach. Und er brach das Reform-Lager in zwei feindliche Parteien auf, dessen gegensätzliche Positionen wurden in zwei Zeitschriften verfeinert und diskutiert, Concilium und Communio

Concilium wurde während des Konzils von einigen der einflussreichsten Denkern herausgebracht, die die Bischöfe berieten. Communio fing 1972 an zu veröffentlichen; zu seinen Gründern gehörten Theologen, die bei der Erstellung der Hauptdokumente des Konzils eine große Rolle gespielt hatten, aber glaubten, daß ihre früheren Kollegen in Concilium sowohl die Absicht von Papst Johannes XXIII für das II. Vaticanum als auch die aktuelle Lehre des Konzils falsch verstanden. Im Zentrum des Communio-Projekts stand ein Bayrischer Theologe namens Joseph Ratzinger. 

Ratzinger sollte schließlich die Communio-Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils – ein Reformkonzil innerhalb der Tradition, das die katholische Tradition weiterentwickelte – von der Bischofssynode 1985 und vom Lehramt von Papst Johannes Paul II. bestätigt sehen, was Ratzinger später in seiner eigenen päpstlichen Lehre erweiterte. Als Papst Benedikt XVI. ging er in seiner Weihnachtsansprache 2005 an die Römische Kurie offen auf die Streitigkeiten innerhalb der Aufspaltung Concilium/Communio ein, in der er diejenigen scharf kritisierte, die das Konzil als Bruch mit der katholischen Vergangenheit "lesen“ – was einige heute einen "Paradigmenwechsel“ nennen.

Tiefgründige Themen, die den Konzils- Erbfolgekrieg entzündet haben, und diese Themen bleiben bis heute für die Kirche dringend. 


Ist die göttliche Offenbarung real und über die Zeiten binden, oder autorisiert zeitgenössische Erfahrung die Kirche dazu, das was Gott in der Schrift als wahr und Tradition erklärt hat (z.B. über die Dauerhaftigkeit der sakramentalen Ehe, oder den richtigen Ausdruck der menschlichen Liebe, oder das Priestertum des Neuen Bundes und jene, die dazu geweiht werden können) zu verändern? Ist die Katholische Kirche ein lockerer Verbund örtlicher Kirchen, die legitim ihren eigenen doktrinalen und moralischen Pfaden folgen kann? Oder ist die Kirche wirklich "katholisch" , was bedeutet, daß örtliche Ausdrücke des Katholizismus immer den "einen Herrn, den einen Glauben, die eine Taufe" mit der universalen Kirche bezeugen muß (Eph. 4:5) . Ist Jesus Christus der einzige Retter und Erlöser , so daß alle , die gerettet werden, durch Christus gerettet werden, sogar wenn sie ihn nicht kennen? Oder gehört Jesus zu den vielen Ausdrücken eines generellen göttlichen Willens zum Retten, der sich selbst während der Zeit in verschiedenen religiösen Meistern  manifestiert? Ist die Grundaufgabe der Kirche die Heiligung der Welt oder ein Dialog mit der Welt? 

Obwohl der Streit zwischen katholischen Intellektuellen begann, hat sich der Konziliare Erbfolgekrieg in den letzten sechzig Jahren in den Schützengräben des katholischen Lebens abgespielt. Und obwohl zwei empirische Realitäten klar zu sein scheinen – die lebenden Teile der Weltkirche haben das Zweite Vatikanische Konzil angenommen, wie es von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. autoritativ interpretiert wurde, und sind Communios Verständnis des Aufrufs des Konzils zur christozentrischen Evangelisierung gefolgt, während die sterbenden Teile der Weltkirche sich hartnäckig an das Concilium-Modell des Katholisch light klammern– einige - sogar in hoher Autorität- versuchen jetzt den konziliaren Erbfolgekrieg mit Blick auf das nächste päpstliche Konklave neu zu definieren.

Ihre Strategie besteht darin, dieses Ereignis so darzustellen, daß es eine klare Wahl zwischen Annahme oder Ablehnung des Zweiten Vatikanischen Konzils darstellt. Das ist nicht wahr. Das eigentliche Problem ist die richtige Interpretation des Konzils, das nicht die Absicht hatte, den Katholizismus als eine andere Art des liberalen Protestantismus neu zu erfinden, der sich seiner Bindung an die göttliche Offenbarung nicht sicher ist und vom Zeitgeist hin und her geweht wird. Es ist auch falsch, ungeheuer falsch zu behaupten, daß die Ablehnung des Konzils eine wichtige Kraft in der Kirche des 21. Jahrhunderts ist, besonders in der Kirche in den Vereinigten Staaten.

Die Ablehnung des Konzils ist ein Randphänomen, zunehmend schrullig und schrill. Die Befürworter des Katholizismus Light, die den Konziliaren Erbfolgekrieg theologisch verloren haben und ein Schreckgespenst zum Angriff brauchen, finden es nun taktisch sinnvoll, die Zahl der Konzilsverweigerer und ihren Einfluss auf die Kirche maßlos zu übertreiben.

Diejenigen, die für die katholische Zukunft verantwortlich sind, werden sich nicht durch Unsinn über die grassierende, weit verbreitete Ablehnung des Zweiten Vatikanischen Konzils täuschen lassen, unabhängig von der Quelle dieses Unsinns."

Quelle: G. Weigel, FirstThings

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