Roberto de Mattei veröffentlicht bei OnePeterFive eine auf kirchenhistorischen Erkenntnissen beruhende Beurteilung der aktuellen Krise der Kirche und nennt die nötigen Mittel zu ihrer Überwindung . Und das sind weder Hyperpapalismus noch Synodale Wege.
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"ULTRAMONTANISTEN: GOTTVÄTER DER TRADITIONALISTEN-BEWEGUNG"
Die Krise, die die Kirche heute erlebt, ist in ihrer Charakteristik sicher präzedenzlos, aber sie weder die erste noch die letzte in der Geschichte. Denken Sie beispielsweise an die Angriffe, die das Papsttum in den Jahren der Französischen Revolution erlitten hat.
1799 wurde Rom von General Bonapartes jakobinischer Armee besetzt, Papst Pius VI wurde als Gefangener nach Valence gebracht, wo er am 29. August starb, nachdem ein langes Leiden seinen Tod beschleunigte. Das Rathaus von Valence benachrichtigte das Direktorium vom Tod Pius` VI und fügte hinzu, daß der letzte Papst der Geschichte beerdigt worden war.
10 Jahre später, 1809 wurde auch der Nachfolger von Pius VI , Pius VII- alt und kränklich- verhaftet und -nach zwei Jahren Gefangenschaft in Savona nach Fontainebleau gebracht, wo er bis zum Sturz Napoleons blieb. Nie war das Papst vor der Welt so schwach erschienen. Aber 10 Jahre später, 1819 war Napoleon von der Bühne verschwunden und Pius VII zurück auf dem päpstlichen Thron, von den europäischen Herrschern als oberste moralische Autorität anerkannt. In diesem Jahr 1819 wurde das Meisterwerk "Du Pape" von Graf Joseph de Maistre (1753-1821) in Lyon veröffentlicht, ein Werk das Hunderte von Neuauflagen erlebte und das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit vorwegnahm, das später vom I. Vaticanischen Konzil definiert wurde.
DE MAISTRE: ULTRAMONTANER KONTERREVOLUTIONÄR
Joseph de Maistre ist ein großer Verteidiger des Papsttums, aber es wäre falsch, ihn zu einem Apologeten päpstlicher Despoten oder Diktatoren zu machen. Heute gibt es einige Traditionalisten, die die unnachgiebige Katholiken des 19. Jahrhunderts für kirchlichen Machtmissbrauch verantwortlich machen. Diese Ultramontanen und Konterrevolutionäre, so wird uns gesagt, hätten dem Papst übermäßige Macht zugeschrieben und seien über die Maßen begeistert vom Dogma der Unfehlbarkeit. Diese Überreaktion führte zu Sympathien mit den gallikanischen Katholiken, die die Unfehlbarkeit und den universellen Primat des Papstes leugneten, und mit den liberalen oder halbliberalen Katholiken, die das Dogma der Unfehlbarkeit zwar nicht grundsätzlich leugneten, aber dessen Definition für unangemessen hielten. Unter ihnen war der Erzbischof von Perugia Msgr. Gioacchino Pecci, später Papst mit dem Namen Leo XIII., der nach seiner Wahl der erste moderne Papst war, der auf zentralisierte Weise regierte und die politische und pastorale Entscheidung zur Wiederannäherung an die Dritte Französische Republik als fast unfehlbar durchsetzte.
Das von Pius IX proklamierte Unfehlbarkeits-Dogma definiert genau die Grenzen dieses außerordentlichen Charismas, das keine Religion außerhalb der Katholischen besitzt Der Papst in der Kirche kann nicht tun, was er will, weil die Quelle seiner Macht nicht sein Wille ist. Die Aufgabe des Papstes ist es, durch sein Lehramt, die Tradition der Kirche weiter zu geben und zu verteidigen. Neben dem außerordentlichen Lehramt des Papstes, das seine Quelle in ex-cathedra-Definitionen hat, gibt es eine unfehlbare Lehre , die ais der Übereinstimmung der ordentlichen Lehramtes aller Päpste mit der Apostolischen Tradition fließt. Nur im Glauben mit der Kirche und ihrer ungebrochenen Tradition kann der Papst seine Brüder im Glauben bestärken. Die Kirche ist nicht unfehlbar, weil sie Autorität ausübt, sondern weil sie die Lehre weitergibt.
"ICH BIN DIE TRADITION"
Diese Worte "ich bin die Tradition", die dem Sel. Pius IX zugeschrieben werden verursachen manchmal einen Skandal. Diese Worte müssen jedoch richtig verstanden werden. Was der Papst meint, ist nicht, daß seine Person die Quelle der Tradition ist, sondern daß außer ihm keine Tradition ist, genau so wie es kein sola scriptura gibt, das vom Lehramt der Kirche unabhängig ist.
Die Kirche ist auf Tradition gegründet, kann aber nicht ohne Papst weiterbestehen, dessen Autorität weder an ein ökumenisches Konzil noch an einen nationalen Episkopat oder eine permanente Synode übertragen werden kann.
DER VORRANG DER HIERARCHIE VOR DEM DOGMA
In Joseph de Maistres Brief "Lettre à une dame russe sur la nature et les effets du schisme", gibt es ein Statement, das so erstaunlich sein mag, wie das von Pius IX, das aber auch zutiefst wahr ist: "Wenn es erlaubt wäre, drei Wichtigkeitsgrade für Dinge göttlicher Institution einzuführen, würde ich die Hierarchie vor das Dogma stellen, so unersetzbar ist es die Aufrechterhaltung des Glaubens,"
Dieser Satz umfaßt das Hauptproblem der regula fidei in der Kirche. Fr. John Perrone (1794-1876), Gründer der Römischen Theologie-Schule, entwickelt dieses Thema in den drei Bänden seines Werkes "Der Protestantismus und die Glaubensregel". Die beiden Quellen der Offenbarung sind die Tradition und die Hl. Schrift. Erstere ist göttlich unterstützt, letztere göttlich inspiriert. "Schrift und Tradition befruchten sich gegenseitig, veranschaulichen sich gegenseitig, stärken sich gegenseitig und vervollständigen den immer einen und identischen Schatz göttlicher Offenbarung.“
Aber um dieses depositum fidei zu bewahren, das immer ein und dasselbe ist -bis zum Ende der Zeiten- hat Christus es einer ewig-lebenden und sprechenden Autorität anvertaut; der Autorität der Kirche, die aus dem universalen Organismus der Bischöfe, die mit dem sichtbaren Oberhaupt der Kirche vereint sind, dem Römischen Pontifex, dem Christus die Fülle der Macht über die Universale Kirche übergeben hat.
Heilige Schrift und Tradition bilden die fernen Normen unseres Glaubens, aber die nächste regula fidei wird durch die lehrende und urteilende Autorität der Kirche repräsentiert, die ihren Höhepunkt beim Papst hat. Hierarchie kommt in diesem Sinne vor Dogma. Aber selbst wenn wir dem Dogma den Vorrang vor der Hierarchie einräumen, sollten wir uns daran erinnern, daß von allen Dogmen in gewissem Sinne gerade das Dogma von der unfehlbaren Autorität der Kirche dasjenige ist, das alle anderen untermauert. Die Kirche genießt das Charisma der Unfehlbarkeit, obwohl sie es nur zeitweise in außergewöhnlicher Weise ausübt. Aber die Kirche ist immer unfehlbar, und zwar nicht seit 1870, sondern seit unser Herr seinem Stellvertreter auf Erden, dem Hl. Petrus, die Macht übergeben hat, seine Brüder im Glauben zu stärken.
Die apostolische Sukzession, auf der die Autorität der Kirche beruht, ist ein grundlegendes Element ihrer göttlichen Verfassung. Das Konzil von Trient stellt bei der Definition der Wahrheit und der Regeln des katholischen Glaubens fest, daß sie "in den geschriebenen Büchern und ungeschriebenen Überlieferungen enthalten sind, die von den Aposteln aus dem Mund Christi selbst oder von den Aposteln selbst durch die Inspiration des Heiligen Geistes, gesammelt wurden und fast von Hand zu Hand übermittelt, auf uns herabgekommen sind.“ (Denz-H, Nr. 1501).
"Wahr ist nur die Tradition, die auf der Apostolischen Tradition beruht" wiederholt der zeitgenössische römische Theologe Msgr. Brunero Gherardini (1925- 2017). Das bedeutet, daß der Römische Pontifex, der Nachfolger Petri, des Apostelfürsten, der Garant par excellence für die Tradition der Kirche ist. Aber es bedeutet auch, daß der Glaubensgegenstand unter keinen Umständen über das hinaus gehen kann, was uns durch das Zeugnis der Apostel übergeben wurde.
SOLA SCRIPTURA UND SOLA TRADITIO
Die Protestanten leugneten die Autorität der Kirche im Namen von "Sola Scriptura“. Dieser Irrtum führt von Luther zum Sozinianismus, der Religion der modernen Relativisten. Aber die Autorität der Kirche kann auch im Namen der "Sola Traditio“ geleugnet werden, wie es die Orthodoxen tun und wie es einige Traditionalisten zu tun drohen. Die Trennung der Tradition von der Autorität der Kirche führt in diesem Fall zur Autokephalie, dem Zustand derjenigen, die keine sichtbare und unfehlbare Autorität haben, auf die sie sich beziehen können.
Was die protestantischen Befürworter von Sola Scriptura und die griechisch-orthodoxen Befürworter von Sola Traditio gemeinsam haben, ist die Ablehnung der Unfehlbarkeit des Papstes und seines universellen Primats; die Ablehnung des römischen Lehrstuhls. Deshalb gibt es laut Joseph de Maistre keinen radikalen Unterschied zwischen dem östlichen Schisma und dem westlichen Protestantismus.
Es ist eine grundlegende Wahrheit in allen religiösen Angelegenheiten, daß jede Kirche, die nicht katholisch ist, protestantisch ist. Vergeblich hat man versucht, zwischen schismatischen und häretischen Kirchen zu unterscheiden. Ich weiß wohl, was gemeint ist, aber am Ende liegen alle Unterschiede nur in Worten, und jeder Christ, der die Kommunion des Heiligen Vaters verweigert, ist ein Protestant oder wird es bald sein. Was ist ein Protestant? Er ist ein Mensch, der protestiert; und was macht es aus, ob er gegen ein oder mehrere Dogmen protestiert, gegen dieses oder gegen jenes? Er mag mehr oder weniger protestantisch sein, aber er protestiert immer … Wenn das Band der Einheit zerbrochen ist, gibt es kein gemeinsames Gericht mehr und folglich auch keine unveränderliche Glaubensregel. Alles wird auf das besondere Urteil und die bürgerliche Vorherrschaft reduziert, die das Wesen des Protestantismus ausmachen.
In der katholischen Kirche wird die Echtheit der Überlieferung durch die Unfehlbarkeit des Lehramtes garantiert. Ohne Unfehlbarkeit gäbe es keine Garantie dafür, daß das, was die Kirche lehrt, wahr ist. Das Verständnis von Gottes Wort würde der kritischen Untersuchung Einzelner überlassen und die Tore des Relativismus würden weit geöffnet, wie es bei Luther und seinen Anhängern geschah. Indem sie die Autorität des Papstes leugnete, verurteilte sich die protestantische Revolution selbst zu ständiger Variation in einer wirbelnden Lehre. Aber im Osten verurteilte sich nach dem Schisma von 1054 die orthodoxe Kirche, die im Namen der sola traditio nur die ersten sieben Konzilien der Kirche akzeptiert, zu steriler Unbeweglichkeit.
Diejenigen, die unter dem Bann der Orthodoxie stehen, sollten an Joseph de Maistres Worte erinnert werden: "Alle diese Kirchen, die zu Beginn des zwölften Jahrhunderts vom Heiligen Stuhl getrennt wurden, können mit gefrorenen Leichen verglichen werden, deren Formen von der Kälte bewahrt wurden.“
Fr. Martin Jugie (1878-1954), ein augustinischer Theologe der Himmelfahrt, entwickelte dieses Thema in einem 1923 veröffentlichten Buch mit dem Titel "Joseph de Maistre et l’Eglise greco-russe", dessen Lektüre ich empfehle. (...)
Fortsetzung folgt
Quelle: R.d. Mattei, OnePeterFive
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