In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die Reden des Papstes während einer Kanada-Reise.
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"PAPST FRANZISKUS, DIE REISE NACH KANADA EIN SPIEGEL DES PONTIFIKATES?"
Papst Franziskus´ Reise nach Kanada ist schwierig zu kategorisieren. Einerseits ging Papst Franziskus dorthin, um für eine angebliche Zusammenarbeit der Katholiken bei der Leitung der Internatsschulen um Entschuldigung zu bitten, oder für jene Schulen, die zwischen dem 19. und dem 20.Jahrhundert die Erziehung indigener Kinder übernahmen, sie von ihren Familien trennten und veranlaßten, daß sie ihre Kultur, Religion und Bindungen verloren. Andererseits legte Papst Franziskus vorsichtig Wert darauf, dieses Problem als systemisches, eher staatliches als pastorales Thema zu definieren, das einer kolonialen Mentalität entsprang, die nicht die der Kirche war. Papst Franziskus ging noch weiter: er sagte, daß die Kirche ein Synonym für Versöhnung ist.
Wie kann man diese beiden Pole der Reise miteinander versöhnen? Die vielleicht genaueste Beschreibung ist die einer zweiteiligen Reise in zweierlei Geschwindigkeiten. Und das ist eine Beschreibung, die auch auf das gesamte Pontifikat paßt. Die Kanada-Reise ist also ein Spiegel dieses Pontifikates.
Was wären die beiden Geschwindigkeiten?
Das erste Tempo ist das von Papst Franziskus, Papst Franziskus ist Lateinamerikaner und kommt aus einem dieser Länder, in denen die Kultur der Ureinwohner durch den Kolonialismus ausgelöscht wurde. Es ist kein Zufall, daß Papst Franziskus es zu einem Ziel seines Pontifikates machte, aus einem kulturellen Blickwinkel auf einen versöhnten lateinamerikanischen Kontinent zu schauen.
Papst Franziskus´ Vorbild ist Unsere Liebe Frau von Guadelupe, die die Sprache den amerikanischen Indianer spricht und nach San Juan Diego kommt und ihre Kultur respektiert. "Maria war immer eine Mischlings-Mutter" sagte Papst Franziskus 2018 während seiner Reise nach Peru.
Daher war die Denunziation der Kolonisierung zentral im Pontifikat von Papst Franziskus. Das ist eine Zurückweisung die noch weiter geht, zum Wunsch eine "Original-Quelle" zu haben und in Südamerika nicht eine abgeleitete Theologie. Diese Theologie zieht die Unterschiede zwischen den Amerikanischen Indianern und die kulturellen Unterschiede der Lateinamerikaner in Betracht zieht.
Die Geschichte der Internatsschulen hat Papst Franziskus beeindruckt. Er hat da alles gesehen, das in seinem Land erfahren wurde. Papst Franziskus reagierte auf seine Weise, d.h, die Dinge persönlich in die Hand zu nehmen, Es ist nicht das erste mal in der Geschichte, daß dieses Thema, das einem Papst am Herzen liegt, ein zentrales Thema für die gesamte Kirche geworden ist.
Bei Papst Franziskus gibt es noch einen weiteren Schritt. Der Papst ist allein verantwortlich und er allein trifft die Entscheidungen. Und der Papst, der sich entschuldigt, ist der Papst der alles zu sich selbst zieht. In gewissem Sinn wird eine Trennung zwischen dem Papst und der Kirche geschaffen. Die Kirche wird als im Irrtum befindlich betrachtet, der Papst steht im Zentrum der Aufmerksamkeit und der aktuelle Motor für alles. Aus offensichtlichen Gründen nicht wirklich wahr. Aber das ist die allgemeine Wahrnehmung.
Und da kommt das zweite Tempo ins Spiel: das der Kirche als Institution. Interessanterweise hat Papst Franziskus im Fall der Reise nach Kanada den Standpunkt der Institution angenommen. Er sagte, daß die Wahrheit nicht versteckt werden müsse, um die Wiedergutmachung zu verteidigen. Seine Rede erzählen bei genauem Lesen jedoch eine andere Geschichte.
Von Anfang an hat Papst Franziskus den Schaden betont, der durch die Kolonisierung entstand. Er bat um Vergebung für das Verhalten der Katholiken. Er definierte es als schändlich und unannehmbar, aber versäumte nicht, es in einen weiteren Kontext zu stellen: die Kolonisierung. Es ist eine Frage der Anwendung der Hermeneutik der Zeit auf die Lage. Nicht das Verbergen.
In St. Anne de Lac pries der Papst die Arbeit der Missionare gepriesen- an einem Ort, an dem viele Ureinwohner sich bekehrt haben und viele Indigene auf Wallfahrt gehen. Dort haben die Oblaten ein außerordentliches Stück Inkulturation geleistet, die Traditionen der Ureinwohner aufgenommen und sie zum Teil der Tradition gemacht, ohne die Lehre zu verlieren.
Dann war da die Rede vor den Autoritäten, in der Papst Franziskus seine Entschuldigungen wiederholte aber auch nicht versäumte, mit dem Finger auf den Staat zu zeigen. Zu allererst erinnerte er daran. daß es eine Verantwortung des Systems gibt. Dann betonte er, daß es die frühere Kolonisation immer noch gibt, die aber heute eine ideologische ist, die eine Art zu leben, aufzwingen will.
Das sind Worte, die in einer Gesellschaft wie der kanadischen Eindruck machen "wo die Gesetze zu Abtreibung und Euthanasie sehr weit gehen" und die Bischöfe seit Jahren gegen die galoppierende Säkularisierung kämpfen, die von der stillen Revolution in Quebec eingeleitet wurde.
Nicht nur. Der Papst erinnerte an die Pflicht der Kirche, Stellung zu beziehen und am <Aufbau des Allgemeinwohls teilzunehmen und bemerkte, daß diese neuen Ideologie zu einer Cancel-Kultur führt. Diese Cancel-Kultur führte zur Zerstörung von Kirchen als sich die Nachrichten der namenlosen in Kamloops gefundenen Gräber verbreiteten. Die Botschaft ist klar: Versöhnung und Vergebung, aber ohne Ideologien und ohne die Rolle der Kirche zu leugnen.
Tatsächlich hat der Papst, indem er sich auf die Armen bezog, die an Gemeindetüren klopfen, indirekt das kanadische Sozial-System kritisiert. Weil es - wieder einmal- die Kirche ist, die sich der Außenseiter und der Probleme der Menschen annimmt, nicht der Staat.
Eine kurz gesagt sehr differenzierte Rede voller Botschaften. Die auch einige politische Schlauheit von Papst Franziskus zeigt. Populist durch die Art wie er sich den Menschen präsentiiert, nuancierter wenn er zu Regierenden spricht. In einigen Fällen scheinen die Reden inner Widersprüche zu enthalten. Aber das ist auch eine der Eigenschaften des Papstes.
Vielleicht dient diese Reise nach Kanada also auch dazu, das Pontifikat näher kennenzulernen. Vielleicht wollte Papst Franziskus angesichts des Furors der kanadischen öffentlichen Meinung mit dieser Reise einen weiteren Fall im Rampenlicht vermeiden. Eine pragmatische Wahl, getreu dem Sprichwort, daß die Realität der Idee überlegen ist. Eine Möglichkeit, dem entgegenzutreten, was der Papst den Altar der Heuchelei genannt hat."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican
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