Montag, 19. September 2022

Die päpstliche Ostpolitik und der Dialog

In seiner heutigen Kolumne für "Monday at the Vatican" setzt sich A. Gagliarducci mit der Weigerung des Papstes auseinander -im Namen eines Dialogs- in kritischen politischen Fragen einen klaren Standpunkt zu beziehen. 
Hier geht´s zum Original.  klicken

"PAPST FRANZISKUS - DIE ALTE UND DIE NEUE ´OSTPOLITIK´"

Zur Zeit des Eisernen Vorhangs wurde gesagt, daß die von Casaroli entworfene Ostpolitik die Kirche dazu verpflichtete, mit ihren historischen Feinden Kompromisse zu machen. Das ist ein Vorwurf, der bei vielen Gelegenheiten auch der diplomatischen Aktivität von Papst Franziskus gemacht worden ist, die bei verschiedenen Gelegenheiten mit der Ostpolitik verglichen wurde. 

Papst Franziskus hat nichts getan, um diesen Vergleich zurückzuweisen. De facto hat er in der Predigt beim Konsistorium zur Kreiierung der neuen Kardinäle am vergangenen 27. August ausführlich über Casaroli gesprochen, ihn als Vorbild bezeichnet und seine Arbeit betont. Indem er Casaroli lobte, hat Papst Franziskus versucht seine Entscheidungen und Aktivität zu rechtfertigen. Das ist eine rhetorischer Mechanismus der für Papst Franziskus typisch ist. 

Das Beispiel Casaroli paßt jedoch nicht besonders gut zu den diplomatischen Aktivitäten von Papst Franziskus. Nichtsdestotrotz gibt es dieser Aktivität Würde, historische Kontinuität und Tiefe. Dennoch gibt es einen beträchtlichen zwischen dem akribischen Herangehen und Dialog Casarolis mit den Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs und dem diplomatischen Wirken des Papstes, das nicht nur auf die Länder Osteuopas abzielt, sondern auf alle möglichen Partner. 

Der Unterschied ist folgender: Casarolis Dialog war kein Dialog um jeden Preis. Der kam zustande, wenn es eine Öffnung gab, er machte Zugeständnisse bei der Aufnahme eines Dialogs und er versuchte, Vertrauensbrücken zu schaffen. Aber am Ende war es ein Dialog, der darauf abzielte, Katholiken zu retten und ihnen dort zu dienen, wo sie waren. Ein umstrittener Dialog, aber in seinen Grundsätzen so gültig, daß Johannes Paul II., der aus Polen stammte und mit einem der größten Kritiker von Casaroli, Kardinal Wyszynski, verbunden war, ihn als seinen Staatssekretär haben wollte.

Andererseits scheint der Dialog von Papst Franziskus ein Dialog um jeden Preis zu sein, bis zu dem Punkt, einen Schritt zurückzutreten, wenn es darum geht, eine klare Position einzunehmen. Auch für Franziskus ist das Ziel, Christen zu verteidigen. Aber Franziskus fehlt die diplomatische Finesse, die Casaroli besaß, die auch von einem starken pastoralen Gefühl erfüllt war.

Casaroli hat sich der Tradition und Kontinuität der Kirchengeschichte verpflichtet. Papst Franziskus hat diese Grnezen nicht, weil sein häufigster Satz die Einladung ist nicht einem "das haben wir immer so gemacht" zu verfallen.


Die Pressekonferenz beim Rückflug von Kasachstan hat diese Tendenz von Papst Franziskus irgendwie bekräftigt. Aus vier Gründen.

Der erste Grund betrifft die wahre Essenz der Reise: der Papst nahm an einem interreligiösen Treffen teil, bei dem er weder der Organisator noch die Hauptperson war um den Dialog zu preisen. Aber unglücklicherweise führte dieser Dialog zur Ungerechtigkeit einer Abschlusserklärung, bei der die Ukraine-Frage, ein Hauptthema der Diskussion, ausgelassen wurde. Der Papst hätte besser dieser Events organisiert als an ihnen teilgenommen.

Der zweite Grund betrifft die Worte des Papstes zu China, speziell in Bezug auf den Prozess gegen Kardinal Zen. "Ich habe keine Lust, China als undemokratisch zu bezeichnen- sagte er- es ist ein so komplexes Land. Es gibt tatsächlich Dinge, die uns nicht demokratisch erscheinen. Kardinal Zen wird in diesen Tagen vor Gericht gestellt. Er sagt, was er denkt und man kann sehen, daß es da Grenzen gibt"- keine Haltung, die den alten Chinesischen Kardinal verteidigt.

Er hat nicht einmal beim Konsistorium davon gesprochen. Kardinal Ludwig Gerhard Mueller beklagte später in einem Interview, über den Beschluss, das Thema von Kardinal Zen nicht anzusprechen und sagte, daß die Kirche hier kritischer hätte sein müssen.

Mit seinen Worten hat der Papst den Weg für eine positive Reaktion der Chinesischen Seite geebnet, mit dem -beim Hinflug bestätigten Wunsch- mindestens einmal China zu besuchen. Aber seine Worte können auch wie ein Schlag ins Gesicht für diejenigen klingen, die wie Kardinal Zen gelitten haben, indem sie sich an die Spitze der Verteidigung der Freiheit der Menschen gestellt haben, und die am Ende auf dem Altar der päpstlichen Diplomatie geopfert werden

Der dritte Grund betrifft die Situation in Nicaragua. Dort wurde des Nuntius ausgewiesen, steht ein Bischof unter Hausarrest, sind diverse Katholische Medien zum Schweigen gebracht worden und werden Kirche seit Jahren angegriffen. Aber der Papst sagt, daß man die ganze Situation kennt und es einen offenen Dialog gibt.

Die vier Gründe sind- deshalb- vier verschiedene Szenarien, in denen Papst Franziskus jedoch zeigt, daß er im Namen seines Willens den Dialog fortzuführen, keinen klaren Standpunkt einnehmen will.

In diesem Herangehen will der Papst nicht nur nicht der Diplomatie folgt sondern auch bei allen anderen Gebieten nicht. Als er bei der Rückreise von Kanada gefragt wurde, ob es z.B. nötig sei, die Lehre zur Empfängnisverhütung zu ändern, gab er eine allgemeine Antwort, ohne die Frage klar zu beantworten. Er tut das, wann immer er denkt, daß einen Standpunkt einzunehmen, den Dialog ausschließen würde.

Die Frage, die bleibt, ist: wofür ist der Dialog gut? Ist Dialog das Hauptziel jeder Aktion des Papstes? Es besteht die Gefahr, daß dieses Streben nach einem Dialog um jeden Preis ist kontraproduktiv und bringt die Menschen, denen geholfen werden sollte, in noch größere Gefahr. Das ist schließlich eines der Paradoxa dieses Pontifikates.

Ein Paradoxon, das mit Konsequenzen befrachtet sein könnte. Wird die prophetische Fähigkeit der Kirche noch wiedererkannt, wenn sie- im Namen der Beförderumg des Dialogs- nicht wagt, zu sprechen?"

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die nach der DSGVO nötige Zustimmung, dass dieser, im Falle seiner Freischaltung, auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger« Software vorgegeben ist, dass Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie diese angeben, ebenfalls gespeichert wird. Daher stimmen Sie, sofern Sie Ihre email Adresse angeben, einer Speicherung zu. Gleiches gilt für eine Anmeldung als »Follower«. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars wünschen, können Sie dies, unter Angabe des Artikels und Inhalt des Kommentars, über die Kommentarfunktion erbitten. Ihr Kommentar wird dann so bald wie möglich gelöscht.