In seiner heutigen Kolumne in Monday at the Vatican kommentiert A.Gagliarducci die aufgeschobenen, ausstehenden Entscheidungen zur Kurienreform und zum Status des papa emeritus. Hier geht´s zum Original: klicken
"FRANZISKUS UND DIE AUFGESCHOBENEN THEMEN"
Am Ende des von Papst Franziskus für den 29. und 30. August einberufenen und abgehaltenen Konsistoriums gab es keine Entscheidungen. Es hätte über die Kurienreform gesprochen werden sollen und man dachte, daß er Papst wenigstens kommunzieren würde, wie die Lücken in der Kurie gefüllt werden sollten. Und zumindest glaubte man, daß der Papst der Versammlung eine besondere Bedeutung geben wollte, vielleicht indem er einige Reformen ankündigte. Nichts derartiges ist passiert.
Auf diese Weise bleibt das Pontikat von Papst Franziskus auf gewisse Weise zwischen der Notwendigkeit von Konkretem und dem Mangel einer institutionellen Struktur, die dieses Konkretheit, Entscheidungen zu treffen hervorbringt.
Über die Ernennungen in der Kurie hinaus, die mit Erreichen oder Überschreiten des 75. Lebensjahres verschiedener Dikasteriumsleiter auf eine Neubesetzung wartet, stehen vor allem zwei Fragen von entscheidender Bedeutung an: die Definition des emeritierten Papstes und die eines behinderten Papstes.
Eine internationale Studiengruppe der Universität Bologna, die sich diesem Thema widmet, hat ein Gesetz dazu vorgeschlagen. Ein Vorschlag, den der Papst nicht einmal bedacht zu haben scheint, der aber auf alle Fälle unter den Gelehrten verbreitet ist. Tatsächlich wurde er Kardinal Giansfranco Ghirlanda vorgelegt, der über einen diesbezüglichen Gesetzentwurf nachzudenken scheint.
Warum sind diese beiden Reformen essentiell? Weil sie beide dazu dienen, die Leitung der Katholischen Kirche sicher zu stellen. Die Frage des behinderten Papstes scheint dringender zu sein. Bis jetzt hat man nie darüber nachgedacht, was passieren kann, wenn ein Papst behindert ist, unfähig zu verstehen und zu entscheiden, aber noch lebt. Als in der Antike Gesetze über Päpste definiert wurden, war die medizinische Wissenschaft noch nicht so weit fortgeschritten.
Heutzutage kann man nach einem Schlaganfall, der die kognitiven Fähigkeiten stark einschränkt, jahrelang weiter leben,kann Alzheimer Jahrzehnte überleben und einige Zeit in komatösem Zustand leben. Wer regiert die Kirche, wenn eine dieser Kategorien auf den Papst zutrifft?
Daher die Notwendigkeit einer Gesetzgebung, die das Ende des Pontifikats und den Übergang zu einem neuen Pontifikat mit einem Papst mit voller Macht und voller geistiger Kapazität regelt. Schließlich ist der Papst der Garant für die Einheit der Kirche. Mit einem Papst, der nicht regieren kann, würde man eine Situation der Anarchie erleben. Um konkrete Beispiele zu nennen: Wer könnte Initiativen wie die Synode der Kirche Deutschlands stoppen, die auf Veränderungen der Lehre abzielt, wenn es keinen Papst gäbe, der Entscheidungen trifft und die Einheit der Kirche garantiert?
Die Frage des Papstes emeritus ist mit der eines eingeschränkten Papstes verbunden, betrifft aber auch andere Überlegungen. Als Benedikt XVI beschloss, auf das Pontifikat zu verzichten, folgte er einer präzisen theologischen Linie, indem er den munus vom Dienst trennte und die Figur des Papa emeritus erfand, die in der Kirchengeschichte zuvor nie existierte.
Es wurde argumentiert, daß die Wahl zum Papst de facto einer neuen Weihe gleichkommt- ähnlich der Bischofsweihe, bei der die Fülle der Macht ... wird. Aus diesem Grund wurde der Papst Papst emeritus und nicht Bischof von Rom emeritus. Es gab keine Rückkehr zum vorherigen Zustand weil es einen neuen Zustand gab, der erst noch definiert werden muß. Benedikt hat den Weg gewiesen, aber seinem Nachfolger freie Hand gelassen, so daß der entscheiden kann, wie er seine Rolle definieren will und die eines Papstes, der in Zukunft dieselbe Entscheidung treffen könnte. Papst Franziskus hat diesbezüglich keine Vorschriften erlassen. Damals gab es diverse Diskussionen. Erzbischof Georf Gänswein, Privatsekretär von Benedikt XVI hat über das Nebeneinander eines kontemplativen und eines aktiven Papsttum theoretisiert. Seine Absicht war es, die Wichtigkeit des Lehramts Benedikts XVI zu betonen, auch in seiner Entscheidung zurückzutreten und sicher nicht, die Idee zu bestärken, daß es zwei Päpste gäbe.
Dennoch wurde diese Idee verbreitet und hat Ärger verursacht. So sehr, daß über die Möglichkeit eines "institutionellen Schweigens" oder "institutíonellen Todes" des Papa emeritus gesprochen wurde.
Das scheint Papst Franziskus fern zu sein. Die Crux findet sich präzise in der Definition des papa emeritus. Kardinal Ghirlanda hat bereits in der Zeit des Amtsverzichts bekräftigt, daß er es für das Beste halte, Papst Benedikt den Titel eines emeritierten Bischofs von Rom zu verleihen.
Es gibt eine Frage, die bedacht werden muß. Die Kurienreform betrifft die potestas, d.h. die durch die missio canonica zuerkannte Regierungsgewalt- und die vom II. Vaticanischen Konzil etablierte Idee von der Fülle der Bischofsweihe fallen zu lassen. Wie festgestellt wurde, könnte diese Interpretation das gesamte Konzils-System in Frage stellen. Aber wenn man dieser Interpretation folgt, ist offensichtlich, daß- was den Papst angeht- seine Wahl als eine "missio canonica" angesehen wird und nicht als die Zuerkennung einer bestimmten Regierungsvollmacht.
Was passiert also, wenn ein Papst beschließt, zurückzutreten? Bedeutet das nur, daß die missio canonica endet? Das sind Fragen, die geklärt werden müssen, weil-am Ende- die Zukunft des Pontifikates von diesen offensichtlichen Nuancen abhängt.
Eine zeitlang gab es Gerüchte über ein "Coadjutor-Projekt" betreffs des Papsttums oder die Idee der Wahl eines Nachfolgers eines Pontifex´-während der Amtsinhaber noch lebt und in der Lage ist, seine Nachfolge im Fall eines blockierten Stuhls oder Rücktritts schnell zu entscheiden. Wenn das ein aktuelles Projekt wäre, gäbe es das Paradoxon eine Papa emeritus, der aus eigenem Entschluss oder vielleicht im Bewußtsein, daß er nur noch wenige Monate zu leben hat, auf seine missio canonica verzichtet, das Konklave, das seinen Nachfolger bestimmt, beeinflussen könnte.
Ist es das, was Papst Franziskus will? Bis jetzt hatte der Papst vom Gesichtspunkt der Legislative ein sehr reiches Pontifikat. Aber dann ging es hauptsächlich um die Frage einer Gesetzgebung über Funktionen, Kompetenzen und Entscheidungen. Es ging um das säkulare Regieren, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das auch Themen wie die Antwort auf den Mißbrauch und die Vatican-Finanzen betraf. Das sind- jedoch- keine wichtigen doktrinalen Positionen, zu denen Papst Franziskus immer Differenzierung gepredigt hat.
Das ist wirklich die Frage: ob die Reform eines vakanten oder behinderten Stuhls nur aus einer Reihe von Management-Regelns bestehen wird, oder ob ihr eine fundamentale Philosophie zugrunde liegen wird. die der Kirche die Richtung vorgibt. D.h. ob es eine säkulare oder eine spirituelle Reform sein wird. Und da ist immer noch das Paradoxon von Papst Franziskus , der zu Recht von einer nötigen spirituellen Umkehr spricht, aber dann -am Ende- säkulare Maßnahmen ergreift. Ein Thema da auch während des Konsistoriums aufkam."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican
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