Sonntag, 13. November 2022

Ein emeritierter argentinischer Erzbischof kritisiert den argentinischen Papst und seine Vision von Kirche.

Rorate Caeli veröffentlicht eine kritische Zustandsbeschreibung der argentinischen Kirche - die pars pro toto auch als Beispiel für die Kirche in vielen Ländern dienen kann-des emeritierten argentinischen Erzbischofs von La Plata Hector Aguer. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"ENTWEIHTE TEMPEL UND DIE RELIGION DES MENSCHEN"- VON ERZBISCHOF HECTOR AGUER" 

In letzter Zeit sind wir hier und da Zeugen geworden, daß Kathedralen und andere sakrale Gebäude für Konferenzen und anderer Veranstaltungen für Politiker, soziale Persönlichkeiten und Mitglieder anderer Gruppen der verschiedensten Ausrichtungen  benutzt wurden. Darin erkennt man z.B. die 10 Jahre seit der Wahl des Pontifikates wieder. Und der Papst selbst unterstützt das mit Worten wie "es tröstet meine Seele, daß meine Person diese Momente der Kommunion, der Begegnung zwischen Unterschieden möglich macht." Bei diesen Treffen wird dazu eingeladen, die Lehren des Hl. Vaters in den Enzykliken Laudato Si´ und Fratelli Tutti aufzunehmen. 

Über diese Anspielung hinaus ist bekannt, daß es in Argentinien und im Rest der Welt viele gibt, die dem ideologischen Standpunkt des Papstes nicht zustimmen, besonders nicht dem ökologischen Globalismus, der zur offiziellen Position der Römischen Kirche geworden ist. Die Botschaft der beiden zitierten Dokumente hat wenig mit der Mission der Kirche und der Substanz des Glaubens zu tun, in diesem Sinne weichen sie klar von der homogenen Tradition der Sozial-Lehre ab, die 1891 durch die Enzyklika Rerum Novarum von Leo XIII eingeführt wurde. 

Es wurde beispielsweise bemerkt, daß "sogar, wenn wir unterschiedliche politische oder religiöse Visionen haben, wir nicht ignorieren können, daß Franziskus´ soziale Botschaft uns alle herausfordert, uns einlädt, uns selbst Fragen zu stellen, uns auffordert, nicht die außerordentlich große Würde jeder menschlichen Person zu vergessen." Diese Beschreibung päpstlichen Denkens macht die Distanz deutlich, die es vom Befehl des Herrn an die Apostel trennt- gültig für die Kirche aller Zeiten-  aus allen Völkern Christen zu machen (panta ta ethne)

Das ist das Hauptproblem, offenbart im schmerzhaften Riss in der Kirche durch das offizielle Abweichen von der großen und einheitlichen Tradition. Auf der anderen Seite des Risses, am Ufer der homogenen Kontinuität mit der richtigen Lehre- immer derselben und der immer erneuerten- stehen jene, die als "Rückwärtsgewandte" oder "Rückständige" verachtet werden. 


In einer vorhergehenden Veröffentlichung habe ich die Bedeutung dieses Standpunktes [bestehende Treue zur Tradition]- der dem offiziellen Progressismus entgegensteht, betont, der die nebulöse Gnosis eines "Auswegs", eines Marsches "nach vorn", anbietet, heterogen im Hinblick auf die Wurzeln, die die Kirche in schwierigen Zeiten unterhalten haben, als Ausdruck von Schismen oder von drohenden Schismen und der Häresien, die sie hätten verwundern können. Um sich in einem authentischen Prozess vorwärts zu bewegen, ist es nötig, rückwärts (indietro wie es im Italienischen heißt) zu schauen, d.h. sich die Wurzeln des Denkens und das liebevolle Festhalten des Willens an der kirchlichen Tradition zu versenken, die kein Museumsstück ist, sondern der immer fruchtbare Boden, auf dem der Katholizismus gedeiht. 

Die Enzyklika Laudato Si´ und Fratelli Tutti sind neuartige Texte, die sich der globalistischen Bewegung anpassen, der in den "neuen Paradigmen“ vorhandenen Gnosis, die einer zeitgemäßen und homogenen Fortsetzung der Tradition fremd sind. Im 5. Jahrhundert wies St. Vincent de Lerins in seinem Buch Commonitory darauf hin, als eine Sache der Identität: im selben Dogma, im selben Sinn, dem selben Bekenntnis.

Kehren wir zu den Aktionen zurück, die in verschiedenen sakralen Gebäuden stattfinden. Das sind politische Treffen, Zusammenkünfte, um verschiedenen oppositionellen Kräften Einheit zu bringen; das ist es, wo die Mission der Kirche endet -laut dem, was z.B, die Argentinische Bischofskonferenz als Hauptaspekt angenommen hat. Christus bleibt- in der Realität- am Rand; er zählt nicht, weil er- offensichtlich- trennt: man ist entweder mit Ihm oder gegen Ihn. Die Freimaurerei ist überrascht von dieser neuen Konkurrenz, die ihren Weg kreuzt, bleibt aber am Ende dankbar.

Warum werden speziell Kirchen für solche Tage gewählt? Es gibt in den zivilen und sozialen gleich große oder größere Räume wie in den Kirchen. Es wäre -um authentisch pastoral zu sein- z.B. einen historischen Ort zu wählen, die übliche Szenerie für alle Arten wichtiger Ereignisse für Citys und Städte und ihre Institutionen.

Warum werden dann also Kirchen dazu ausgewählt, Konferenzsäle zu werden? Sagen wir es brutal: um sie zu entweihen. Ich kann nicht bestätigen, daß das ein ausdrücklicher Wille war; dafür ist ein derart ausdrücklicher Willen nicht nötig. Diese Fakten sind eher in einem habituellen Ziel bei verschiedenen Diözesen eingeschrieben, daß wir in liturgischer Hinsicht das Gegenteil von dem tun sollten, was zu anderen Zeiten (und mit optimalen Ergebnissen) praktiziert wurde. Die Gültigkeit des Sakralen paßte zur Größe, Schönheit und Erhabenheit der Gebäude der Anbetung.

Warum sind dann Kathedralen und andere Tempel Schauplätze dieser Versammlungen? Das politische Narrativ Kirchners und das bergoglianische kirchliche Narrativ sind in einer neuen säkularen Religion zusammengefallen. Die Dozenten sind die Beamten des neuen Kultes; die Gemeindemitglieder sind die unversöhnlichen Politiker, auf wundersame Weise für kurze Zeit versöhnt. Ich entschuldige mich für die ironische Bemerkung, die ich gerade gemacht habe; Ich bin jedoch überzeugt, dass es die tiefe Bedeutung dessen ausdrückt, was in diesen Kirchen geschah.

Es genügt, die Paulusbriefe noch einmal zu lesen, um zu sehen, daß nach Ansicht des großen Apostels und der Kirche, die zu seiner Zeit war, Einheit und Frieden in der Welt von der Bekehrung zu Christus abhängen. In gewisser Weise ist es mit der Kunst des pastoralen Diskurses notwendig, den politischen Führern wie auch der Gesellschaft als Ganzes die Notwendigkeit der Bekehrung zum Evangelium vor Augen zu führen. Es entspricht nicht dem Auftrag der Kirche, gemäß dem Gebot des Herrn, den Kern der Verkündigung zu vermeiden – geschweige denn, das Evangelium dem Geschmack und der Toleranz von Politikern oder der Gesellschaft anzupassen.

Nehmen wir als Beispiel die Haltung des Hl. Paulus im Areopag von Athen gegenüber den stoischen und epikureischen Philosophen. Der Altar, der dem unbekannten Gott (Agnóstō Theō) gewidmet ist, inspirierte ihn zu einer Lektion in Theodizee: Er enthüllte den Zuhörern die Bedeutung dieses Titels und stellte ihnen jenen Gott vor, den sie verehrten, ohne ihn zu kennen, in dem "wir leben und uns bewegen und unser Sein haben“ (Apostelgeschichte 17,28). Aber der Zweck seiner Ansprache war es, den auferstandenen Christus, Erlöser und Richter der Menschen zu verkünden. Einige der Zuhörer spotteten, aber andere gaben eine positive Antwort: „Wir werden dich noch einmal darüber sprechen hören“ (Akousómetha sou perì toutou kaì pálin, Apostelgeschichte 17:32). Diese Menschen waren rastlos und gespannt darauf Neuigkeiten zu hören, betont Lukas, Autor des Buches, das der zweite Band seines Evangeliums ist.

Die Bedeutung, die man solchen Aktionen beimessen will, führt jeden, der sie interpretieren will, zum Beispiel zum Grundproblem des argentinischen Katholizismus. Ist unser Land katholisch? Pater Leonardo Castellani bejahte dies, fügte aber hinzu, daß es sich um einen "mistongo" [elenden, minderwertigen] Katholizismus handelte. Diese Realität, die bis zu einem gewissen Grad seit ihren Anfängen präsent ist, hat historisch gesehen die Oberhäupter der Kirche verärgert. Gegenwärtig, und ich glaube, ohne großen Interpretationsaufwand, macht sich die Verwerfung der argentinischen Bischofskonferenz bemerkbar, deren Diskurs der kulturellen und sozialen Realität des Landes meist recht fremd ist. Ja, es gibt ein Bewusstsein der Spaltung, der Aggressivität der politischen Fraktionen und der etwas illusorischen Sorge, sie zu überwinden.

Dieselbe Illusion spiegelt der Papst in seinen verschiedenen Botschaften wider. Aus dem Panorama des nicht sehr ernsthaften Katholizismus (das bedeutet laut Castellani die Bezeichnung "mistongo") ragen eine ganze Reihe ernsthafter Katholiken hervor - sie würden in Rom als "Rückständige" bezeichnet - Menschen, die davon überzeugt sind, daß politisches Unwohlsein und andere Strafen, die uns heimsuchen, nicht ohne die Bekehrung der Mehrheit der Gesellschaft überwunden werden können. Die Lösung wäre, daß die Mehrheit der „mistongos“-Katholiken echte Katholiken werden.

Diese "Rückständigen“ sind nicht wenige. Am 8. Oktober beteten nicht weniger als 1.000 Männer auf der Plaza de Mayo auf den Knien das Rosenkranzgebet zur Heiligen Jungfrau und baten um die Bekehrung der Nation. Nur ein kleines Beispiel. Das war das zweite Mal, daß dieses Männertreffen an diesem Ort, vor dem Sitz der nationalen Regierung, stattfand. Daß Männer berufen sind, ist im Hinblick auf die Geschlechterperspektive bedeutsam, aber auch eine Einladung, sich daran zu erinnern, daß im Oktober 1934 im Rahmen des Internationalen Eucharistischen Kongresses, dem der damalige Kardinal Eugenio Pacelli, als Legat von Pius XI., vorstand, eine gewaltige und ungewöhnliche Kommunion von Männern stattfand. Es war ein historischer Meilenstein in einem Land, in dem die Getauften nicht zur Messe gehen; sie gingen 1934 nicht und noch weniger gehen sie jetzt, besonders die Männer.

Der oben erwähnte Hinweis auf den paulinischen Diskurs im Areopag von Athen kann als Ansporn, als Inspiration dienen, den Diskurs auszuarbeiten, der an die Menge der Stoiker und Epikureer im heutigen Argentinien gerichtet werden muss. Der Apostel stützte sich auf den unbekannten Gott. Wir können von dem Gott ausgehen, der die Quelle aller Vernunft und Gerechtigkeit ist, auf den sich die Verfasser der nationalen Verfassung berufen haben. Der spezifisch christliche Moment der Rede erscheint in der Erwähnung des berühmten Artikels 2, der alle Reformen ausnahmslos überdauert hat: Es ist eine historische Tatsache, die nicht rückgängig gemacht wurde. Der Staat "unterhält“ den katholischen, apostolischen, Römischen Gottesdienst.

Verloren wie es ist, bewahrt Argentinien, wenn auch schwach, diese historische Erinnerung: eine Dimension, die nicht gelöscht werden kann. Es sollte nicht vergessen oder schamhaft versteckt werden. Juan Bautista Alberti, der Autor der Grundlagen, die der Verfassung zugrunde lagen, behauptete, daß der Staat keinen Kult "aufrechterhalten“ könne, der nicht sein eigener sei; das heißt, wir sind trotz allem Bedauern ein katholisches Land. Mit diesen Daten, an die ich mich erinnert habe, kann man eine Theodizee ausarbeiten, die im verwirrten Areopag des heutigen Argentinien vorgeschlagen werden sollte."

Quelle: EB em. Hector Aguer, Rorate Caeli
 

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