In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican analysiert und kommentiert A. Gagliarducci die Wahrnehmung von Kirche und Volk durch den Papst-, wie er sie auch während der Bahrain-Reise wieder zum Ausdruck gebracht hat und stellt ihr die überkommene Sicht der Kirche entgegen.
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"PAPST FRANZISKUS UND DIE FRAGE DER ELITE"
In Bahrain hat Papst Franziskus, um den Dialog des Bahraini Forums abzuschließen, seine Wahrnehmung einer Kirche und eines Volkes wiederholt, die sich in Dialog und Resilienz engagiert und den "Mächtigen widersteht, die sich nur um ihre eigenen Interessen kümmern."
Das Thema der Mächtigen und der Eliten sind zentrale Themen in den Predigten von Papst Franziskus. Als er 2017 die Universität Rom Drei besuchte, zeigte Papst Franziskus mit dem Finger auf die sogenannte elitäre Bildung und plädierte stattdessen für eine Volksbildung. Auch der Globale Erziehungs-Pakt, den der Papst am Vorabend der Pandemie auf den Weg brachte, zielt am Ende darauf ab, neue Wege der Bildung zu schaffen.
Papst Franziskus´ Welt scheint sehr klar zu sein: auf der einen Seite sind da die Mächtigen, jene, die Entscheidungen treffen, auf der anderen Seite ist das Volk, aufgerufen Widerstand zu leisten, eine Gruppe zu werden, die ein Antidot zum Reichtum einiger und zum Wohl aller zu schaffen. Und wiederum andererseits gibt es die Eliten, die sich in sich selbst abkapseln, die ihre Macht behalten und eine Distanz zu den Armen, den schlecht Ausgebildeten schaffen, außerhalb der Kreise die die Entscheidungen treffen, die sogar vom Zugang zu den Ressourcen abgedrängt sind.
Was Papst Franziskus in seinen Reden vorschlägt, scheint ein gigantischer Klassenkampf zu sein, in dem die Kirche auf der Seite der Armen steht. Bergoglio selbst sagte während der Argentinischen Diktatur, daß einige Prinzipien der Sozial-Lehre der Kirche leicht leninistisch oder trotzkistisch erscheinen könnten. Dennoch waren es die Prinzipien der Kirchenväter.
Papst Franziskus´ Weltsicht jedoch, scheint ein fundamentaler Paradigmenwechsel in der Geschichte der Katholischen Kirche zu sein. Der Grund dafür ist ein anderer als man vielleicht denkt.
Durch ihre Geschichte hindurch hat die Kirche immer die Armen, die Witwen und Waisen (das sind biblische Kategorien) verteidigt, auf der Basis, daß wir alle Brüder und Kinder des selben Vaters sind. Es gab jedoch noch ein anderes, vom Evangelium selbst gegebenes Leitprinzip: "Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist."
Mit anderen Worten, die Kirche zielt nicht auf eine politische Transformation der Gesellschaft. Statt dessen weist sie auf die Bekehrung der herzen hin, beginnend mit dieser Umkehr, die eine gerechtere Gesellschaft schafft, die Gott besser gefällt und mehr auf einer integralen menschlichen Entwicklung basiert.
Das war kein leichter sondern ein holpriger Weg. Wir mußten die Mentalität der Zeit verlassen und eine neue Zivilisation kreieren. Das war eine Arbeit an der Kultur- begleitet von einem religiösen Werk. Wie Benedikt XVI in seiner erinnerungswürdigen Lectio im College des Bernadins in Paris sagte, haben die Benediktiner Mönche, die die Europäische Zivilisation umrissen, geformt und geschaffen haben, eine Kultur geschaffen, -bewegt von einem einzigen Prinzip: quaerere Deum, Gott zu suchen,
In der Vision des Papstes jedoch wird alles pragmatischer und auf gewisse Weise politischer. In seiner bevorzugten Option für die Armen, die immer die Grundlage der Aktivitäten der Kirche waren, sieht er auch einen politischen, fast revolutionären Akt.
Dennoch bleibt die Kluft zwischen den Mächtigen und den Machtlosen. Also ist das Ziel stattdessen, das Gleichgewicht auf den Kopf zu stellenbn und die Armen an die Spitze zu setzen.Wiederum ist das Modell das des Magnificat: "Er hat die Mächtigen von ihren Thronen gestoßen. Er hat die Demütigen erhoben."Aber dieses Erheben war nicht dazu gedacht, die Machtpositionen auszutauschen sondern als neue Würde, die allen zuerkannt wird.
Während Papst Franziskus argumentiert, daß eine spirituelle Erneuerung und Umkehr der Herzen nötig ist und er sich bei dem Ignatianischen Prinzip von "Korruption" aufhält, das zuerst und vor allem eine Korruption der Seele ist, scheint er in der Realität für eine Welt zu plädieren, in der die Armen arm bleiben. Die Reichen bleiben reich, was nur von der Würde anhängt, die ihnen gegeben wurde.
Die Katholische Kirche dagegen hat nicht in Opposition gegen die Eliten oder weil es keine Eliten gab gewirkt, sondern um Eliten zu schaffen. Bildung in Katholischen Schulen, offen für Schüler jeden Glaubens ist immer als eine Bildung auf höchster Stufe angesehen worden.
Nicht nur. Ausgehend vom Konzept der Würde der menschlichen Person, hat die Kirche Krankenhäuser gegründet und eine Kultur der Versorgung der Kranken verbreitet, die vorher praktisch nicht existierte.
Die Zahlen, die anläßlich des Welt-Missions-Sonntags veröffentlicht wurden, beweisen das: die Kirche führt weltweit 72.785 Vorschulen, die von 7.510.632 Schülern besucht werden; 99.668 Grundschulen für 34.614.488 Schüler; und 49.437 Weiterführende Schulen mit 19.252.704 Schülern. Sie beaufsichtigt auch die Erziehung von 2.403.787 Hochschul-Staudenten und 3.771.946 Universitätsstudenten.
Kirchengeführte Gesundheits- Hilfs- und caritative Institutionen umfassen weltweit: 5322 Krankenhäuser, 14.415 Apotheken; 534 Lepra-Krankenhäuser, 15.204 Heime für Alre, chronische Kranke und Behinderte; 9230 Waisenhäuser; 10.441 Kindergärten; 10.362 Eheberatungszentren; 3137 Zentren für Soziale Erziehung oder Umerziehung; und 34.291 andere Institutionen.
Alles das spricht von einer Geschichte, die nicht darauf abzielt, die Mächtigen gegen die Armen auszuspielen, sondern den Armen Kraft zu geben. Eine Welt der Gleichen zu schaffen und dies auf der Oberseite. Nicht indem man den Armen hilft, sondern indem man die Armen reich macht. Nicht durch Widerstand gegen Macht, sondern durch Schaffung neuer Macht.
Papst Franziskus hat die Absicht, es so zu machen, und er sagt das offen. Aber dann offenbart das Narrativ, mit dem er weitermacht, auch eine Denkweise offenbart, die anders ist, säkularer und weniger einflussreich, als man meinen könnte. Sie funktioniert kurzfristig, und sie funktioniert für die Medien. Aber sie vermittelt das Bild einer Kirche, die nicht im Zentrum der Geschichte steht. Und es geht nicht darum, Relevanz zu bewahren. Es geht darum, etwas Würde in der Welt zu haben. Die fließende Diplomatie, die Zentralisierung von Entscheidungen auf den Papst und die personalistische Nutzung bestimmter Umstände zeigen eine Kirche, die in der Welt eine Stimme haben möchte, wie auch immer die Welt sein mag.
Was Papst Franziskus zeigt, ist vielleicht eine etwas pessimistische Vision, aber zweifellos eine pragmatische. Aber dieser Pragmatismus ist ein Paradigmenwechsel, der definiert werden muss."
Quelle: A. Ggaliarducci, Monday at the Vatican
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