Montag, 26. Dezember 2022

Rücktritt oder Ende des Pontifikates?

In seiner gestrigen Kolumne in Monday at the Vatican hat sich A. Gagliarducci mit dem Rücktrittsbrief, den Papst Franziskus im Interview mit der Zeitung ABC erwähnt hat, befaßt.
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"PAPST FRANZISKUS, RÜCKTRITT ODER ENDE DES PONTIFIKATES?"

In einem am 18. Dezember von der Zeitung ABC veröffentlichten Interview hat Papst Franziskus bekannt gegeben, daß er ein Rücktrittsschreiben geschrieben hatte und dieses Kardinal Tarcisio Bertone, dem damaligen Staatssekretär des Vatikans, zugestellt wurde. Der Rücktritt würde wirksam werden, wenn der Papst aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert ist, die Aufgaben eines Pontifex` wahrzunehmen.

Diese Erklärung läßt viele Fragen offen. Sie offenbart einiges über die Art, wie Papst Franziskus agiert, was sich auch im Pontifikat widerspiegelt.

Zunächst ist es verblüffend, daß der Papst erst jetzt im Falle des behinderten Sitzes von einem möglichen Rücktritt spricht. Man könnte sagen, daß es vorher keine Gelegenheit dazu gab, aber das ist nicht wahr. Der Papst hat viele Interviews gegeben und bei vielen Gelegenheiten war die Rede von einem Papsttum emeritus, der Gleichzeitigkeit mit Benedikt XVI und sogar von seinen möglichen Entscheidungen in dem Fall. Kein einziges mal hat der Papst einen Hinweis darauf gegeben, daß er eine solche Nachricht hinterlassen hat.

Das hat er erst jetzt getan und wir müssen uns fragen: was ihn dazu gebracht hat, diese Bekanntgabe zu machen?

Tatsächlich befindet sich das Pontifikat in einer komplizierten Lage. Papst Franziskus hat kritische Momente überstanden und obwohl seine Gesundheit nicht die beste ist- wann ist sie das mit 86?- ist es wahr, daß eine mögliche, notwendige Nachfolge nicht unmittelbar nötig ist.

Dennoch wird seit einiger Zeit über die Nachfolge gesprochen. Sogar bevor man sagen konnte, daß die Darmoperation vom 4.Juli 2021 die Möglichkeit eines Konklaves konkreter werden ließ. Tatsächlich hat Papst Franziskus den Jesuiten in der Slowakei offenbart, daß manche "ihn schon begraben hätten".

Aber vor dieser Episode muß ein Artikel bedacht werden, den Fr. Antonio Spadaro im 2020 im Magazin der Jesuiten "La Civiltà Cattolica" fragte, ob das Pontifikat von Papst Franziskus seine vorwärtsdrängende Energie verloren habe (Spoiler-Alarm: laut Spadaro offensichtlich nicht). Und dann war da noch ein Buch von Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio und häufiger Besucher der Domus Sanctae Marthae, mit dem Titel „Die Kirche brennt“, in dem es um das Thema einer Krise in der Kirche selbst ging.


Über das Narrativ des Papstes selbst hinaus. daß alles gut gehe, daß jeder glücklich sei und die Reformen funktionierten, werden im Vatican und darüber hinaus verschiedene Fragen über die Resultate der Bergoglio-Kur gestellt und nicht alle Antworten sind positiv. Im Gegenteil.

Auch in diesem Fall ist die jüngsten Rede mit den Weihnachtsgrüße an die Kurie, die Papst Franziskus am 22. hielt, ein Hinweis. Nachdem er Jahre lang die Krankheit der Kurie und das Gegenmittel gegen die Erkrankungen der Kurie beschrieb, oder die bis dahin durchgeführten Reformen aufgelistet hat, als ob er auch Vorwürfe reagiere, nicht genug getan zu haben, hat Papst Franziskus stattdessen eine ein bißchen moralische Rede gehalten, in der er sich entschuldigte, manchmal harsch gewesen zu sein, erklärte aber, daß es "tief im Inneren" hilfreich sei."jene, die bereits getröstet wurden, anzugehen und daß wahre Barmherzigkeit beeinhaltet, die Grenzen des anderen anzuerkennen. 

Die Frage, die gestellt werden könnte, ist ob der Papst Begrenzungen oder Irrtümer der andere akzeptiert, wenn diese außerhalb der Sphäre seiner Freundschaft stehen, aber das wäre eine böse und irreführende Frage, die hier fallen gelassen wird. 

Um zur zentralen Rede zurück zu kehren, Papst Franziskus wollte jenen, die ihn kritisieren anscheinend Halt geben, fast so, als suche er eine Atempause, um die letzte Wegstrecke seines Pontifikates in Frieden zu vollenden. 

Diese Suche nach einer Atempause bringt verschiedene Probleme mit sich, die die Probleme des Pontifikates selbst sind. 

Das erste: wer hat den Rücktrittsbrief des Papstes authentifiziert, oder zumindest seine Unterschrift? Der Rücktritt muß freiwillig, zugänglich und öffentlich sein, wenn es ein Brief ist. Eine Handschriftlich des Papstes genügt nicht, ein Beglaubigung ist nötig. 

Zweitens: Wer hätte die Aufgabe, die "Behinderung des Stuhls des Papstes" zu definieren? Die Frage ist so delikat, daß eine Gruppe der Universität Bologna sie bearbeitet und Vorschläge sowohl für das Management eines möglicherweise behinderten Stuhls als auch den juristischen Status eines Papa emeritus macht. 

Paul VI hat tatsächlich so einen Brief geschrieben, aber sogar in dem Fall, wäre eine öffentliche Gültigkeitserklärung nötig gewesen. Was Pius XII geschrieben hat, als er vom Plan der Nazis erfuhr, ihn  zu entführen, ist von andere literarischer Art: er war im Krieg und eine entführter Papst war ohne Zweifel eine objektive Behinderung, die das Kardinalskollegium erkennen konnte. 

Im Fall von Papst Franziskus wäre die Frage komplexer gewesen. Wer würde die Verantwortung auf sich nehmen, die Lage des Papstes als "behinderter Stuhl" zu definieren? Und sind Umstände beschrieben, die das tun? 

Der Papst erwähnt nicht, ob er sich auf einen  behinderten Stuhl im Falle einer irreversiblen oder einfachen Krankheit bezieht, die einfach nur die Wahrnehmungen verändert. Vielleicht gibt es einen Hinweis im Brief? Aber es sieht so aus, als ob niemand diesen Brief gesehen hat und daß der Papst selbst ihn in einem versiegelten Umschlag übergeben hat. Wann soll er dann geöffnet werden? Wann entstehen dieser Umstände? Und wer übernimmt die Verantwortung, in diesem Fall zu entscheiden?

Alle diese Fragen sind ein Hinweis auf die Art wie Papst Franziskus die Dinge tut. Indem er Institutionen aus dem Weg geht, vermeidet Papst Franziskus, sich institutional zu benehmen. Obwohl seine legislativen Aktivitäten während des Pontifikates ausgreifend waren, waren es hauptsächlich juristische Notfall-Aktivitäten, weil sie durch persönliche Dekrete des Papstes ausgeführt wurden. Diese Dokumente (Reskript und motu proprio) werden allgemeinfür kleinere Veränderungen und Klarstellungen von Interpretationen aber kaum für strukturelle Veränderungen benutzt. 

Notfallgesetzgebung, die ganz an die Person des Papstes gebunden ist, schafft ein Regierungs-Vakuum. Außer der Kurien.-Reform und der Dezentralisierung, auf die das abzielt, ist alles, in den  Händen des Papstes zentralisiert worden. Selbst die Interpretationen gehören dem Papst. Es ist für jeden schwierig, Entscheidungen zu treffen, im Wissen, daß der Papst sie vielleicht nicht unterstützt. 

Hier scheint dann die Idee eines Rücktrittbriefes mehr eine Kriegserklärung als ein Akt der Normalisierung zu sein. Der Papst warnt, daß er jederzeit gehen könnte, aber daß niemand entscheiden kann, ob dieser Rückzug gültig sein wird, weil es keinen höheren Gesetzgeber gibt, wenn der Papst in diesem Fall arbeitsunfähig wäre. 

Ist das eine absichtliche Verwirrung? Vielleicht ja. Im ABC-Interview macht Franziskus es erkennbar, daß er den Status des Papa emeritus nie definieren wollte und daß er weiß, daß das Konklave etwas verwirrend sein könnte, weil die neuen, im vergangenen Jahr kreierten Kardinäle einander nicht kennen. Aber hzur gleichen Zeit, läßt der Papst wissen, daß ihm das Recht ist, weil das Konklave in jedem Fall die Arbeit des Heiligen Geistes sein wird. 

In diesem Klima der Unsicherheit definiert Papst Franziskus die letzte Phase seines Pontifikates als einen Zeitenwechsel. Das Gerücht, daß er den Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, als neuen Präfekten der Liturgiekongregation wollte, der noch nicht bestätigt wurde. Es wurde erwartet, daß der Präfekt des Dicasteriums für die Orientalischen Kirchen, Kardinal Sandri im Amt bleiben würde, bis er 80 ist, wurde plötzlich ersetzt. 

Zukünftige Entscheidungen werden- wie man sieht- ohne Warnung kommen. Ein päpstliches "shock and  awe", das darauf abzielt, die Kurie nach dem Bild und der Ähnlichkeit von Franziskus zu hinterlassen. Er hat auch die Idee, eine Frau zum Oberhaupt eines Dicasteriums zu machen, vielleicht innerhalb von 2 Jahren, weil es einen Leiter eines Dicasteriums gibt, dessen Amtszeit abläuft und der ein Dicasterium leitet. dem eine Frau vorstehen könnte. Wieder nichts Spezifisches, nichts Definitives. 

Das Narrativ des Ponbtifikates bleibt das der gemachten Reformen, der Weg der Transparenz, und der ökonomischen Reform, die "gut wirkt". Aber dieses ganze Narrativ scheint darum zu kämpfen, Bezug zur Realität zu finden. 

Am Ende ist die Frage immer die selbe:  ist Papst Franziskus am Ende seines Pontifikates, oder wird er sein Pontifikat beenden? "

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

 

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