Samstag, 21. Januar 2023

Der eine Faden, an dem das Konzil hängt, Fortsetzung...

Fortsetzung von hier und hier

                                  CAVADINI, HEALY UND WEINANDY

In einem Artikel, zu dem ich gebeten wurde, auf „A Synoptic Look at the Failures and Successes of Post-Vatican II Liturgical Reforms“ von John Cavadini, Mary Healy und Thomas Weinandy zu antworten (ursprünglich als eine Serie von fünf Artikeln veröffentlicht, am 1. Dezember 2022 zu einem Einzigen zusammengefügt), habe ich lange gebraucht, um zu den Texten der Autoren selbst zu gelangen. Ich entschuldige mich jedoch nicht für die Länge der obigen Einführung. Sobald die dort umrissenen Probleme und Realitäten verstanden worden sind, kann man beginnen, das zu bewerten, was sie schreiben. Ich beeile mich hinzuzufügen, daß ich sie nicht persönlich beschuldige, alle von mir hervorgehobenen Positionen zu vertreten. Aber mit ihrer Serie haben sie – etwas leichtsinnig, würde ich sagen, vielleicht sogar mit den besten Absichten –das Minenfeld im Herzen der "Liturgiekriege“ betreten, die vom neuen Präfekten des jetzt "Dikasteriums für den Gottesdienst“, seinen Kumpanen und denjenigen, die sie beeinflussen konnten, neu entfacht wurden.

Es gibt viele, viele Dinge, die in bzgl. auf ihren Streifzug aus mehr als 20.000 Wörtern gesagt werden könnten, und wenn sie beim Wort genommen werden sollen (und es gibt anscheinend keinen Grund, daran zu zweifeln), versuchen sie aufrichtig, sich mit dem Problem der Liturgie des römischen Ritus auseinanderzusetzen, das seit dem Motu proprio Traditionis Custodes von Papst Franziskus (16. Juli 2021) erneut und ziemlich heftig sein hässliches Gesicht zeigt und durch die Antworten von Erzbischof (jetzt Kardinal) Roche auf die Fragen zum Motu proprio verschärft (18. Dezember 2021) und durch das Apostolische Schreiben des Papstes zur liturgischen Formung Desiderio Desideravi (29. Juni 2022) verschärft wurde.

Der Kern all dieser Dokumente – man könnte vernünftigerweise sagen, daß das grob ihr politisches Ziel ist – besteht darin, die reformierten liturgischen Bücher, die nach dem Konzil veröffentlicht wurden, als einzige Form des Gottesdienstes im lateinischen Ritus der katholischen Kirche zu bekräftigen und die Freiheiten, die von Papst Benedikt XVI. für die Anwendung der älteren liturgischen Riten eingeführt wurden, schroff zu annullieren. Diese Dokumente gehen nicht so weit, ein Datum festzulegen, an dem jeder freiwillig in eine liturgische Zwangsjacke gesteckt werden soll (vielleicht ist noch ein weiteres Dokument unterwegs? Wenn ja, wird es die Kirche nur weiter schädigen und spalten), sondern ihr Kern ist, daß das II. Eucharistische Hochgebet und alle anderen bestehen bleiben werden und daß sie jedem gefallen sollen, egal was passiert.

Cavadini, Healy und Weinandy sind ehrlich, wenn sie erkennen, daß das ein ziemliches Problem darstellt, wenn es mindestens eine Generation junger und an Zahl gewachsener Katholiken gibt, für die die reformierten liturgischen Riten praktisch unbekannt sind. Sie haben den usus antiquior – die älteren liturgischen Riten – entdeckt oder sind sogar damit aufgewachsen und erziehen nun ihre eigenen Kinder entsprechend, nachdem ihnen Päpste und Prälaten auf der ganzen Welt versichert haben – sogar Leute wie der damalige Erzbischof Roche – daß das vollkommen akzeptabel sei und der Gemeinschaft der Kirche in keiner Weise schade; in der Tat, daß es sie als Ausdruck dieser legitimen Pluralität bereichert hat, die Teil der Einen Kirche Christi ist. Diese Generationen, die zahlreiche Berufungen zum Priestertum und Ordensleben hervorgebracht haben und deren junge Menschen treue und fruchtbare Ehen geschlossen haben, sehen keine Notwendigkeit für die reformierten Riten. Sie werden nichts mit einer von oben verordneten stalinistischen liturgischen Umerziehung zu tun haben wollen, damit alle wirklich das II. Eucharistische Hochgebet mögen.


DER GEIST IST AUS DER FLASCHE

Hier kommen wir zum ersten großen Problem der Artikelserie von Cavadini, Healy und Weinandy. Tatsache ist, daß der liturgische Geist aus der Flasche ist und Versuche, ihn wieder hineinzubekommen, vergeblich sind. Ihre Artikel mögen kathartisch geschrieben und (für einige) befriedigend zu lesen sein, und indem sie sie veröffentlichen, mögen sie glücklich sein, die von Rom angeordneten drakonischen Maßnahmen zu unterstützen, aber sie können niemanden überzeugen. In der Tat werden sie einen scharfsinnigeren Austausch über die immer schärfer gezogenen Frontlinien der Liturgiekriege hinweg anheizen (und sie haben sie angeheizt).

Sicherlich können Bischöfe Messen beendern, die in der älteren Form gefeiert werden, und den Zugang zu den Sakramenten verbieten. Sie können finanziell abhängige Geistliche schikanieren und zwingen, sich zu unterwerfen und zu verstecken, aber sie können sie nicht überzeugen. Die Generation der Katholiken, die während der Pontifikate des heiligen Johannes Pauls II. und Benedikts XVI. geboren und geformt wurden, wird es nicht eilig haben, eine Internationale Gesellschaft des heiligen Paul VI. zu gründen, um seine liturgischen Riten in absehbarer Zeit zu fördern, auch wenn einige gezwungen sind, sie zu feiern. Warum? Weil die intellektuelle und pastorale Auseinandersetzung um die theologische, liturgische und vor allem pastorale Überlegenheit der reformierten liturgischen Riten längst verloren gegangen ist. Und hier stoßen wir auf die klaffenden Löcher in der Serie von Cavadini, Healy und Weinandy.

Intellektuell, weil es eine wohlbekannte Tatsache ist, daß die neuen Riten, die Paul VI. nach dem Konzil verkündete, nicht die bescheidene, organische Weiterentwicklung des bis dahin vom Konzil geforderten römischen Ritus (siehe Sacrosanctum Concilium 23) waren, sondern ein radikal neues Produkt des von Paul VI. mit der Umsetzung der liturgischen Konzilskonstitution betrauten Organs (Consilium). Sowohl Befürworter als auch Gegner der neuen Riten akzeptieren diese Realität. Das Consilium ging bewusst über die Konstitution hinaus – im Falle vieler seiner Mitglieder in bester Absicht und am Ende sicherlich mit Rückendeckung der päpstlichen Autorität. Wie jeder, der das Konzil selbst studiert, schnell erfahren wird, beabsichtigte das Konzil nicht, die Liturgie vollständig in der Landessprache zu halten; es verlangte keine neuen eucharistischen Gebete; es bestand darauf, daß der gregorianische Gesang einen Ehrenplatz einnehmen sollte; es wurde nie ein Wort darüber gesagt, daß sich der Priester dem Volk zuwendet; usw. usw.

All das soll sagen, daß es intellektuell falsch ist zu behaupten, daß die Infragestellung oder Ablehnung der reformierten Liturgie in gewisser Weise "das Zweite Vatikanum untergräbt“, wie unsere drei Autoren und andere uns glauben machen wollen. (Beachten Sie hier die Angstdavor, daß das Superdogma geleugnet wird.) Die reformierte Liturgie ist eine Reihe vorsichtiger Urteile, die nach und nicht auf dem Konzil von Enthusiasten und Experten gefällt wurden, in der Hoffnung, Riten hervorzubringen, die in der Neuzeit pastoral wirksam wären . Die liturgische Konzilskonstitution wurde vom Consilium als Ausgangspunkt, nicht als Aufgabenstellung angesehen. Fakt. Man kann die liturgisch-historischen Urteile in Frage stellen, ohne in irgendeiner Weise zu leugnen, daß das Konzil als Konzil legitim war und sich Fragen der Liturgiereform zu Recht gestellt hat. Fakt. (Es gab eine Zeit, in der es das II. Eucharistische Hochgebet nicht gab. Fakt.)

PASTORALE URTEILE UND NEUBEWERTUNGEN

Man kann auch die pastoralen Urteile des Consiliums und Pauls VI. in Frage stellen, und hier finden wir die nächste klaffende Lücke in dieser Artikelserie. Pastoral, wie wiederholte statistische Studien aus verschiedenen Ländern zeigen, hat die reformierte Liturgie einfach nicht die versprochene kirchliche Erneuerung gebracht. Versprochen? Ja: Die Annahme, die die Einführung der neuen Riten leitete („motivierte“? „verkaufte“?), war, daß, wenn die Liturgie vereinfacht, modernisiert, zeitgemäßer gemacht würde, die Menschen fruchtbringender daran teilnehmen würden und ein neuer Frühling im Leben der Kirche eingeleitet würde. Leider hat sich das Gegenteil als wahr erwiesen.

Das soll nicht heißen, daß es nicht viele gute, engagierte Menschen gibt, die in den modernen Riten die Quelle und den Höhepunkt ihres christlichen Lebens finden und daraus viele Gnaden empfangen (aber das Gleiche gilt natürlich für diejenigen, die den Usus antiquior besuchen), noch ist zu leugnen, daß der dramatische Rückgang der liturgischen Praxis im westlichen Katholizismus auf viele und unterschiedliche Faktoren zurückzuführen ist. Aber es muss ganz klar gesagt werden, daß die modernen liturgischen Riten sich nicht als Teil der Lösung erwiesen haben; von sich aus haben sie die Menschen nicht bei der Ausübung des Glaubens gehalten, geschweige denn zu ihr angezogen. Heute können wir also zu Recht Fragen über ihren pastoralen Nutzen und über die Weisheit der Politik von vor sechzig Jahren zu folgen, die zu ihrer Entstehung geführt hat, stellen.

Vor diesem Hintergrund ist es interessant und sehr begrüßenswert, daß unsere Autoren bereit sind, eine Reform der Liturgiereform in Betracht zu ziehen. Sie sind sich vielleicht nicht bewusst, daß es in den letzten Jahrzehnten in der Kongregation (heute Dikasterium) für den Gottesdienst sogar unter Benedikt XVI. völlig verboten war, diese Möglichkeit nur anzusprechen. Laut den Partisanen, die seine Korridore kontrollierten, sind die neuen liturgischen Bücher "unreformierbar“ – auch wenn der Souveräne Papst (damals) anders dachte. Daß Cavadini, Healy und Weinandy bereit sind, sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen und die Schwächen der Liturgiereform ehrlich einzuschätzen, ist ihr Verdienst, auch wenn ihnen das derzeit wahrscheinlich keine neuen Freunde in der Römischen Kurie einbringen wird.

Weil die Kurie derzeit der Parteilinie folgt, die in einer Rede des Heiligen Vaters im Spätsommer 2017 festgelegt wurde, in der er "mit Gewissheit und mit richterlicher Autorität bekräftigte, daß die Liturgiereform unumkehrbar ist“. (24. August 2017). Dies ist ein merkwürdiger Gebrauch der "amtlichen Autorität“, nicht nur, weil diese Rede eine ungewöhnliche und sehr niedrig-rangige Form der päpstlichen Äußerung für die ernsthafte Ausübung lehramtlicher Autorität ist, sondern auch, weil es sich nicht um die liturgische Reform in all ihren Einzelheiten handelt, und daher überhaupt nichts bedeuten kann. Daher sind das II. Eucharistisches Hochgebet II (und alle seine Freunde) unumkehrbar; sie konnten niemals geändert oder abgeschafft werden. Letztendlich scheint das eine etwas billige Verwendung des Begriffs "Lehramt“ zu sein, die nur dazu dient, den Wert der Währung zu untergraben.

Das Problem bei einer solchen päpstlichen Behauptung ist, daß die moderne und alte liturgische Geschichte genau das Gegenteil beweisen. Wenn Summorum Pontificum (2007) durch Traditionis Custodes (2021) abgeschafft werden kann und wenn das von Kardinal Quignonez 1535 unter Paul III herausgegebene Brevier– abgeschafft oder reformiert werden konnte, ganz besonders in einer Zeit, in der ein schädlicher politischer päpstlicher Positivismus das Hauptkriterium zu sein scheint. Das neue Messbuch plötzlich abzuschaffen, wäre ein drakonischer Akt und seelsorgerlich unsensibel und schädlich (wie Traditionis Custodes), aber es wäre möglich. (Es kann noch eine Zeit geben, in der das II. Eucharistisches Hochgebet nicht gilt.)

PNEUMATOLISCHE BEGEISTERUNG

Aber für die Anhänger der Messe von Paul VI. ist dies undenkbar – auch akademisch. Und um sich selbst vor ihrer Diskussion zu schützen, behaupten die Autoren, über die wir nachdenken, ziemlich unglaublich, daß der Widerstand gegen die reformierte Liturgie "die Gültigkeit der liturgischen Erneuerung als ein echtes Werk des Heiligen Geistes in der zeitgenössischen Kirche von Natur aus leugnet“, und daß die Rückkehr zu den älteren Riten "der gesamten vom Geist gesalbten liturgischen Erneuerung, die in der Konstitution des II. Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie gipfelte, widerspricht.“ Einfach gesagt, argumentieren sie damit, daß die Kritik oder Ablehnung der reformierten liturgischen Riten einer Lästerung des Heiligen Geistes gleichkommt, weil die neuen Riten das direkte Ergebnis seines Wirkens in der Kirche sind.

Unseren Autoren leiden hier, höflich gesagt, an ein wenig zu viel Enthusiasmus, denn sie machen die liturgischen Reformen praktisch selbst zu einer Sache des Glaubens, der göttlichen Offenbarung, an die alle Gläubigen glauben müssen. Aber das sind die Reformen nicht. Sie sind das Produkt vorsichtiger Urteile von Menschen, die einem Papst vorgelegt wurden, der sie verkündete. Gewiss haben diese Männer (wie wir hoffen) inbrünstig Gott den Heiligen Geist angerufen, um ihnen bei ihrer Arbeit zu helfen – und in diesem Leben werden wir nie erfahren, inwieweit er ihnen so geholfen hat. (Könnte Gott der Heilige Geist wirklich persönlich für all die Fehler verantwortlich gewesen sein, die zum II. Eucharistischen Hochgebet II führten?)

Es ist daher ebenso wenig eine Sünde der Blasphemie mehr, die Liturgiereform in Frage zu stellen, als es Blasphemie ist, zu behaupten, das Kardinalskollegium sei durchaus in der Lage, zu Beginn eines Konklaves den Heiligen Geist anzurufen und dann einen wirklich schlechten Papst zu wählen, wie jede Geschichte des Papsttums mehr als deutlich demonstriert. Daß ein Mann Papst ist und mit der erforderlichen Autorität handelt, ist eine rechtlich nachprüfbare Angelegenheit. Daß ein Mensch die Wahl Gottes des Heiligen Geistes ist, kann man persönlich glauben, aber es ist nichts, was als Wahrheit des Glaubens behauptet werden kann. Dies gilt sinngemäß auch für liturgische Reformen. Tatsächlich zeigt die Forschung zunehmend, daß bei der liturgischen Reform nach dem Konzil viele andere Einflüsse am Werk waren – ebenso wie bei den Papstwahlen. Ich persönlich bin kein Fan davon, die Reform durch Ad-hominem-Angriffe auf die Reformatoren selbst schlecht zu machen: Die neuen Riten sollten aus liturgischen Gründen und im Lichte der Prinzipien von Sacrosanctum Concilium kritisiert werden – und dazu gibt es hier mehr als genug Material-um ihre Mängel zu zeigen!

Fortsetzung folgt...

Quelle: Dom A. Raid, OnePeterFive

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