Mittwoch, 25. Januar 2023

Sandro Magister gibt seine Quellen bekannt.

Sandro Magister gibt bei Settimo Cielo seine Quellen für sieben von ihm zunächst bei www.chiesa und dann bei Settimo Cielo veröffentlichte Geheim-Dokumente aus den vergangenen 20 Jahren bekannt, wobei eine Vorabveröffentlichung ihm einen vorübergehenden Entzug der Akkreditierung im Vaticanischen Pressebüro einbrachte.   Hier geht´s zum Original:   klicken

"DIE GLORREICHEN SIEBEN. DIE WAHRE GESCHICHTE DER GEHEIMEN DOKUMENTE, DIE VON SETTIMO CIELO VERÖFFENTLICHT WURDEN" 

Bei der Wiederveröffentlichung der Nachricht, daß Kardinal George Pell der wahre Autor des von "Demos" unterzeichneten Memorandums war, das im vergangenen Frühjahr unter den Kardinälen zirkulierte und von Settimo Cielo veröffentlicht wurde, haben einige Zeitungen mit mir, Sandro Magister, "eine lange Geschichte vertraulicher Dokumente, die aus dem Vatikan kamen" und von mir veröffentlicht wurden.

Tatsächlich gibt es in den letzten zwanzig Jahren mindestens sieben Dokumente von einiger Bedeutung, bei denen ich das Geheimnis gelüftet habe. Nur zwei von ihnen "erhielten wir vom Vatikan". Und auf jeden Fall ohne etwas mit den gestohlenen Papieren einer ganz anderen Art zu tun zu haben, die den "Vatileaks"-Prozessen Substanz verliehen haben.

Ich glaube daher, dass es die Leser faszinieren kann zu wissen, welches diese sieben Dokumente waren und vor allem, auf welchen Wegen sie bei Settimo Cielo und zuvor in meinem anderen Blog namens "www.chiesa" angekommen sind.

DAS ERSTE der sieben war die Notiz, die Kardinal Joseph Ratzinger, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, 2004 an die Bischöfe der Vereinigten Staaten zur Frage der eucharistischen Kommunion für katholische "Pro-Choice"-Politiker sandte.
Die Leitung der US-Bischofskonferenz, in der Kardinal Theodor McCarrick ein starkes Gewicht ausübte, mochte diese Notiz überhaupt nicht und hielt sie unter Verschluss, aber ein amerikanischer Bischof unter den ganz wenigen, die sie in der Hand hatten, schickte sie mir. Ich veröffentlichte sie, und später erfuhr ich, dass Ratzinger sehr glücklich darüber war.

DAS ZWEITE war ein Dokument, das 2008 auf Kreta von einer gemeinsamen katholisch-orthodoxen Kommission ausgearbeitet wurde und eine Bestandsaufnahme der möglichen Annäherungen zwischen der Kirche von Rom und den Ostkirchen in Bezug auf den Primat des Papstes vornahm. Das Dokument war vertraulich, wurde mir aber im Januar 2010 Patriarchen von Konstantinopel geschickt und ich habe es am 25, des Monats veröffentlicht, am Schlußtag der Gebetswoche für die Einheit der Christen. Kardinal Kasper, zu der Zeit Präsident des Päpstlichen Rates für die Ökumene, hatte den Verdacht, daß ich das Dokument illegalerweise aus den Vaticanischen Büros bezogen hätte. Aber so war es nicht. 

Der Dialog zwischen den beiden Parteien scheiterte dann, vor allem wegen der Nichtverfügbarkeit des Moskauer Patriarchats, das neben dem von Rom, dem von Konstantinopel unter den orthodoxen Kirchen, einen weiteren historischen Primat nicht ertragen konnte. Aber dieses Dokument bleibt wichtig, weil es den fortgeschrittensten Punkt der Übereinstimmung markiert, die bisher zwischen Katholizismus und Orthodoxie in der höchst umstrittenen Frage des päpstlichen Primats erreicht wurde.


DAS DRITTE Dokument ist die Enzyklika "Laudato Si'" von Papst Franziskus. Der Start mit großem Pomp war für Donnerstag, den 18. Juni 2015 im Vatikan geplant und die Vorfreude war groß. Aber drei Tage zuvor, gegen Mittag am Montag, dem 15., erschienen die zweihundert Seiten der Enzyklika auf der Online-Website von "L'Espresso", der Wochenzeitung, in der ich schrieb.

Das stimmt. Denn auch ich fand mich plötzlich vor ihnen auf dem Bildschirm wieder. "Komm raus, wer weiß wo", schrieb ich in Settimo Cielo. Den Text der Enzyklika aus einer mir noch unbekannten Quelle im Voraus erhalten hatte der damalige Direktor von "L'Espresso", Luigi Vicinanza. Natürlich entschied er sich, es zu veröffentlichen und bat mich, ein paar Zeilen Einleitung zu schreiben. Dies brachte mir die öffentliche Missbilligung des damaligen Direktors des vatikanischen Presseamtes, Pater Federico Lombardi, und einige Stunden nach der Ausweisung aus demselben Pressebüro ein.

DAS VIERTE Dokument wurde im Oktober desselben Jahres 2015 veröffentlicht, als ich noch im "Exil"  war (die Wiederzulassung durch das vatikanische Presseamt erfolgte im Dezember). Und es ging in die Geschichte ein als "der Brief der 13 Kardinäle".

Hintergrund dieser Veröffentlichung war ein Artikel in der Zeitung "La Stampa", unterzeichnet von Andrea Tornielli, dem zukünftigen Redaktionsleiter aller vatikanischen Medien, mit dem Titel: "Synode pilotiert, die Anklage von 13 Prälaten. Der Papst antwortet: keine korporative Logik mehr."

Es war der 8. Oktober, die zweite Sitzung der Familiensynode hatte gerade begonnen, und Tornielli veröffentlichte die Nachricht, daß 13 Synodenväter am 5. Oktober bei Papst Franziskus protestiert hatten, darunter Kardinal George Pell, der als "der Härteste" bezeichnet wurde.

Franziskus antwortete den "Verschwörern" am nächsten Morgen im Gerichtssaal, ohne genau zu sagen, auf wen er anspielte. Ein paar Tage später, nach dieser Stille, übergab mir jedoch der vertraute Mitarbeiter eines englischsprachigen Kardinals, der zu den 13 gehörte, den Text ihres Briefes an den Papst und die Liste der Unterzeichner.

Ich habe den Brief und die Namen am 12. Oktober veröffentlicht. Aber es stellte sich bald heraus, dass der Text des Briefes, den ich reproduzierte, nicht sein letzter Entwurf war, sondern der vorletzte, der unter den Kardinälen in der Phase des Sammelns von Unterschriften zirkulierte, mit ein paar Zeilen mehr als der Brief, der dann tatsächlich an den Papst übergeben wurde. Und selbst in der Liste, die ich von den Unterzeichnern gab, gab es ein paar mehr Namen und ein paar andere weniger, verglichen mit denen, die den Brief dann tatsächlich unterzeichnet hatten.

Zur Anpassung der Liste der Unterzeichner, trug dank seiner Quellen in der Zeitschrift der New Yorker Jesuiten "America" der Vatikanist Gerard O'Connell bei, aber er zog auch ein paar Dementis auf sich. Tatsache ist, daß am Ende die Namen von 11 der 13 Kardinalunterzeichnern mit Sicherheit bekannt waren und veröffentlicht wurden. In Bezug auf den Text des Briefes war das, was von einem von ihnen, dem Venezolaner Jorge L. Urosa Savino, erklärt wurde, gültig: "Der von Magister veröffentlichte Text ist korrekt, außer in einem kleinen Punkt, wo der Vergleich mit den protestantischen Kirchen gemacht wird." Um genau zu sein, war der Punkt, der im endgültigen Text gestrichen wurde, derjenige, in dem der Brief den Papst davor warnte, selbst im katholischen Lager "den Zusammenbruch der liberalen protestantischen Kirchen in der Neuzeit zu wiederholen, beschleunigt durch ihre Aufgabe von Schlüsselelementen des christlichen Glaubens und der christlichen Praxis im Namen der pastoralen Anpassung".

Für das Protokoll:  die 11 sicheren Unterzeichner die folgenden, in alphabetischer Reihenfolge sind: Carlo Caffarra, Thomas C. Collins, Daniel N. Di Nardo, Timothy M. Dolan, Willem J. Eijk, Gerhard L. Müller, Wilfrid Fox Napier, John Njue, George Pell, Robert Sarah, Jorge L. Urosa Savino.

DAS FÜNFTE Dokument in der Serie ist das der berühmten "Dubia", die Papst Franziskus 2016 von vier Kardinälen über die Kommunion für Geschiedene und Wiederverheiratete vorgelegt wurde. Nach mehr als zwei Monaten ohne Antwort des Papstes betrauten mich die vier Kardinäle auch mit der Veröffentlichung des Dokuments in mehreren Sprachen, die am 14. November stattfand. Die vier waren Walter Brandmüller, Raymond L. Burke, Carlo Caffarra, Joachim Meisner.

DAS SECHSTE Dokument ist der Brief, den der emeritierte Papst Benedikt am 7. Februar 2018 an Dario Viganò, damals an der Spitze der vatikanischen Medien, schrieb, in dem er die Bitte ablehnte, eine einleitende Seite des Lobes für eine Reihe von elf Bänden über das theologische und philosophische Denken von Papst Franziskus zu schreiben, geschrieben von verschiedenen Autoren, darunter dem Deutschen Peter Hünermann, dem unbeirrbaren langjährigen Widersacher des Theologen Ratzinger und des Jesuitenkünstlers Marko Ivan Rupnik, dessen beklagenswertes Verhalten erst Jahre später ans Licht kommen sollte, der aber zu dieser Zeit von unbeflecktem Ruhm und zudem Viganòs geistlicher Führer war.

Als Viganò die Broschüren am 12. März der Presse vorstellte, las er drei Absätze und die Grüße des Briefes des emeritierten Papstes vor und erweckte den Eindruck, alles vorgelesen zu haben.

Die anschließende Pressemitteilung enthielt jedoch nur die ersten beiden Absätze des höflichen Schreibens. Und selbst Zeitungen und Fernsehnachrichten orientierten sich zuerst daran bei der Veröffentlichung der Nachrichten und zitierten nachdrücklich die "tiefe philosophische und theologische Ausbildung" von Franziskus und die "innere Kontinuität zwischen den beiden Pontifikaten".

Ich kümmerte mich dann darum, die Audioaufnahme von Viganòs Worten zu reproduzieren, von dessen Stimme ich den dritten Absatz des Briefes, den Absatz von Benedikts trockenem "Nein" und sein negatives Urteil über die Bände transkribierte. Und das habe ich bei Settimo Cielo veröffentlicht.

Aber aus den Fotografien des vom Vatikan manipulierten Briefes (siehe oben) und den sorgfältigen Untersuchungen von Nicole Winfield von Associated Press wurde bald klar, daß in Benedikts Brief noch etwas anderes geschrieben stehen musste. Ich haben den Inhalt aus einer Quelle abgeleitet, die den gesamten Brief gesehen hatte und darüber in zusammenfassenden Worten berichtete, einschließlich Ratzingers darin enthaltenem polemischen Hinweis auf Hünermann. Danach kapitulierte das vatikanische Medienbüro und veröffentlichte den vollständigen Text von Benedikts Brief.

Und das siebte Dokument in der Serie, dessen wahren Autor ich zu Lebzeiten geheim gehalten habe, ist genau das Memorandum von George Pell, das in den letzten Tagen wegen seiner scharfen Kritik am Pontifikat von Franziskus so viel Lärm verursacht hat. Ich habe es am 5. März 2022 direkt aus den Händen des Kardinals erhalten, um es mit der Unterschrift "Demos" zu veröffentlichen. Das geschah am 12. März bei Settimo Cielo."

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo

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