Auch der Herausgeber von FirstThings Dan Hitchens kommentiert bei firstthings. die 10 Jahre Bergoglio-Pontifikat, die seit dem 13. März 2013 vergangen sind.
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"10 JAHRE MIT PAPST FRANZISKUS"
In den zehn Jahren des Pontifikates von Papst Franziskus – er winkte zum ersten Mal am 13. März 2013 vom Balkon des Petersdoms – wurde er bis zum Erbrechen analysiert, gelobt, kritisiert und interviewt. Er begann das Jahrzehnt damit, von den Medien der Welt als Held verehrt zu werden, und endete damit, daß er von Jordan Peterson angeprangert wurde. Bücher, Artikel, Twitter-Threads sind aus überhitzten Hirnen ergossen. Und doch – und ich zähle mich dazu – hat es niemand, absolut niemand geschafft, ihn zu verstehen.
Eine Zeitlang, in diesen berauschenden frühen Tagen, sah die Erklärung ganz einfach aus: Er war ein rauer orthodoxer Jesuit, ein Veteran echter Seelsorge in den nagelharten Barrios von Buenos Aires, der bereit war, Risiken eingehen und im Dienst des Evangeliums provokative Aussagen machen. Er akzeptierte die härteren Lehren der Kirche bedingungslos und verkündete sie unbeirrt, aber er sah, daß sie ungehört bleiben würden, wenn sie nicht mit wahrem Radikalismus gepredigt würden: dem Radikalismus von Jesus Christus, der mit Zöllnern und Prostituierten speiste, der die respektablen religiösen Leute seiner Tag mit seinen unverschämten Worten schockierte, der unter den Ärmsten der Armen lebte und sich ihr Leben zu eigen machte.
Also, das wäre schön gewesen. Aber es reicht nicht aus, die letzten zehn Jahre zu beschreiben. Stattdessen wurde die Einfachheit der Lehre unseres Herrn fast unter einer Lawine inoffizieller Interviews, halboffizieller Dokumente, halb vergessener Fußnoten und kryptischer Nebenbemerkungen begraben, die alle einer verwirrenden Zweideutigkeit dienen. Die Geschichte wurde so oft erzählt – von den ranghöchsten Kardinälen (hier und hier), den ernsthaftesten Theologen und Philosophen (hier hier, hier, hier, hier, hier, und hier) den klügsten journalistischen Beobachtern (hier, hier und hier), daß es sich kaum lohnt, sie zu wiederholen. Es genügt zu sagen, daß der endgültige Kommentar zu dieser Ära von der wunderbar prägnanten Denkerin Alice von Hildebrand abgegeben wurde, als sie bemerkte: "Ich bitte Gott, mich zu sich zu nehmen, bevor ich eine Chance habe, verwirrt zu werden.“
Ist der Papst also, um eine zweite Theorie aufzunehmen, ein liberaler Katholik mit einem listigen Plan? Hat er, indem er so zweideutig über solche Lehren wie die Unauflöslichkeit der Ehe, die Notwendigkeit der Kirche für die Erlösung und die Unmoral der Empfängnisverhütung sprach, den Grund dafür gelegt, solche Lehren zugunsten eines erhebenden humanitären Breis aufzugeben? Hat er durch die Förderung solch dogmatisch herausgeforderter Persönlichkeiten und Boomern wie die Kardinäle Höllerich und McElroy effektiv gezeigt, daß er die Kirche nach ihrem Bild neu gestalten will?
Auch hier reichen die Beweise nur so weit. Denn Papst Franziskus hat von Zeit zu Zeit auch die Hoffnungen der Liberalen durchlöchert – er lehnte es ab, verheiratete "viri probati“-Geistliche dem Amazonas aufzuzwingen, billigte die Verurteilung gleichgeschlechtlicher Segnungen durch die Glaubenskongregation und drohte der deutschen Synode mit der Faust. Und von Zeit zu Zeit appelliert er mit tiefer Emotion an so unliberale Themen wie die furchtbare Realität dämonischer Aktivitäten und die zentrale Stellung der Heiligen Jungfrau im christlichen Leben. So würde sich ein Papst James Martin – möge Gott uns bewahren – nicht im Amt verhalten.
Dieser Widerspruch hat einige Beobachter dazu veranlasst, eine dritte Theorie vorzuschlagen: daß dieses Pontifikat am besten verstanden wird, nicht in Bezug auf die Überzeugungen, die es beseelen, sondern als das Streben nach und dem Bewahren purer Macht. Die Sympathie für diese Theorie verbindet amüsanterweise die eingefleischten traditionalistischen Kritiker des Papstes mit einem so raffinierten Kommentator wie dem irischen Romanautor Colm Toíbín, der in der London Review of Books schreibt, daß Franziskus in der argentinischen Tradition des Peronismus steht. "Der springende Punkt beim Peronismus ist, daß er nicht festgehalten werden kann“, schreibt Toíbín. "Peronist zu sein bedeutet nichts und alles. Es bedeutet, daß Sie manchmal mit genau den Dingen einverstanden sein können, die Sie unter anderen Umständen nicht wirklich bevorzugen.“
Anhänger der peronistischen Theorie weisen auf die merkwürdige Zahl von Inkompetenten, Verrückten und sexuellen Missbrauchern hin, die in die Gunst des Papstes gebracht wurden. Deutet das nicht darauf hin, daß er gerne Menschen um sich hat, die sich absolut auf ihn verlassen – eine klassische diktatorische Strategie? Wiederum ist da der Verfall der Rechtsstaatlichkeit in Rom, was zu der bemerkenswerten Aussage von Kardinal George Pell, dem ehemaligen Finanzzaren des Papstes, führte, daß der Vatikan "gesetzlos“ sei. Man könnte auch anmerken, daß im Sinne einer wahren Tyrannei starke Institutionen anderswo destabilisiert oder aufgelöst werden mussten. Der Malteserorden, die Lateinische Messgemeinschaft, Chinas Untergrundkirche, kontemplative Ordenshäuser, die Päpstliche Akademie für das Leben – wo immer dieses Pontifikat etwas Festes findet, lässt es es zu Luft werden.
Aber bei der Diktator-Theorie zögere ich. Zum Teil aus sentimentalen Gründen: es besteht kein Zweifel, daß Katholiken den Papst unter bestimmten ungewöhnlichen Umständen kritisieren können, und zweifellos sind die aktuellen Umstände mehr als ungewöhnlich. Trotzdem bleibt er der Vater von uns Katholiken, der direkte Nachkomme des heiligen Petrus, dem die Schlüssel des Himmelreichs gegeben wurden; und er verdient nicht nur meine Liebe, sondern auch den Vorteil des Zweifels, solange ich den gewähren kann. Und es ist schwer, eine so zynische Darstellung eines Pontifikats zu glauben, das bisweilen das Gegenteil von Zynisch war: Vor allem, wenn der Papst zu seinem großen Thema der "Wegwerfgesellschaft“ zurückgekehrt ist, seine einsame Haltung gegen ein globales System, das, von den Sweatshops bis zu den Euthanasie-Kliniken, die Schwachen nicht als Abbild Christi, sondern als nutzlosen Müll behandelt. Diese großartige Kritik wird eines seiner bedeutendsten Vermächtnisse sein.
Wird es weitere positive Vermächtnisse dieses Pontifikats geben? Ich denke, wir sind verpflichtet, dafür zu beten. Was das erste Jahrzehnt anbelangt, lässt sich sein Vermächtnis trotz aller Rätselhaftigkeit, die es umgibt, einfach zusammenfassen: zehn Jahre, die viel zerstört und fast nichts geschaffen haben."
Quelle: Dan Hitchen, FirstThings
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