Freitag, 3. März 2023

Ein Paradox? Das Reskript zu Traditionis Custodes vom 21. Februar

Rorate Caeli veröffentlicht eine Bestandsaufnahme auf kirchenrechtlicher Basis zum derzeitigen Stand der Dinge um die Traditionelle Lateinische Messe, die Peter Kwasniewski zunächst für Corrispondenza Romana verfaßt hat. Hier geht´s zum Original:  klicken

"WIR STEHEN VOR EINEM KAFKAESKEN PARADOX": KANONISCHE ANMERKUNGEN ZUM RESKRIPTUM VOM 21.FEBRUAR" 

Wenn das Rescriptum ex Audientia SS..mi vom 21. Februar 2023 - ein administrativer Akt durch den der Vorsitzende einer Abteilung den Pontifex maximus formal (rescriptum : "zweimal geschrieben")  um etwas bittet und am Ende einer Audienz erhält (ex Audientia) - beabsichtigt das motu proprio Traditionis Custodes vom 16. Juli 2021 zu "implementieren, verändert er es von einem praktischen Gesichtspunkt aus in seiner substantiellen Struktur. 

Das Rescript untergräbt de facto die Grundlage auf der Traditionis custodes selbst beruht, dessen erste Worte - ein Echo auf Lumen gentium NR. 23 (die dogmatische Konstitution des II.Vaficanischen Konzils zur Kirche), und an die Bischöfe adressiert ist: "Wächter der Tradition" beginnt mit einem Vorwort aus Papst Franziskus´ motu proprio, das das motu proprio Summorum Pontificum  von Benedikt XVI abändern soll: "die Bischöfe bilden zusammen mit dem Bischof von Rom das sichtbare Prinzip und Grundlage der Einheit in ihren Ortskirchen." Aber wenn Traditionis Custodes für die Regelung des Gebrauchs der präkonziliaren Formen vor den postkonziliaren Reformen hingewiesen hat, stößt das Rescript vom 21. Februar dieses Prinzip um, indem er dem Hl. Stuhl (und damit der Liturgie-Kongregation) die Regelung eines gesamten Gebietes zuspricht, das dann jedoch- der Diskretion der individuellen Ortsordinarien durch die selbe Maßnahme überlassen wird, mit der das Rescript die Implementierung erreichen will. 

Deshalb stehen wir vor einem Kafkaesken Paradox, logisch- noch bevor wir juristisch werden- durch das die selbe Autorität, die durch einen normativen Akt eine Sache abschafft, den in einem folgenden Akt widerruft, und so de facto, das vorhergehende Prinzip - ohne jedoch diesen Widerruf zu formalisieren- so in einem nicht lösbaren Widerspruch hinterläßt. 


Wenn de facto Traditionis custodes in Art. 2 ein Echo auf das zuvor erwähnte Konzils-Lehramt ist und fraglos bestätigt, daß den "Diözesan-Bischöfen als Moderatoren, Förderern und Wächtern allen liturgischen Lebens in der ihm bestimmten Kirche anvertraut ist, sie für die Regelung liturgischer Feiern ins ihrer Diözese verantwortlich sind und daß es deshalb in ihrer ausschließlichen Kompetenz liegt, den Gebrauch des Missale Romanum von 1962 gemäß der Richtlinien des Apostolischen Stuhls zu nutzen, schränkt das Rescriptum vom 21. Februar diese Kompetenz ein, obwohl es die als "exklusiv" definiert und feststellt, daß es einen neuen juristischen Anspruch des Apostolischen Stuhls unter dem letzten Abschnitt von §1 von Can 87  des CIC gibt, einem Canon, der de facto feststellt: "Der Diözesan-Bischof kann die Gläubigen gültig dispensieren, wann immer er denkt, daß das ihrem spirituellen Wohlergehen nützen würde, sowohl von den universalen als auch besonderen Disziplinargesetzen der obersten Autorität der Kirche für ihr Territorium aus oder für ihre Untertanen, jedoch nicht für prozess-oder verfahrensrechtliche Gesetzes- Verfahren- noch für jene, deren Dispensierung auf spezielle Weise dem Apostolischen Stuhl oder einer anderen Autorität vorbehalten ist.

Auf den ersten Blick scheint die Frage unklar zu sein: warum in aller Welt man sich in einem Reskript mit der Nutzung der Liturgie vor der Reform der 1970-er und warum der Canon der den Dispens erwähnt, speziell von der Observanz eines rein kirchlichen Gesetzes dispensiert werden kann, den der Bischof in bestimmten Fällen gewähren kann (vgl. Canon 85)?

Die Antwort liegt in der Praxis, die sich in einigen Diözeen  gefestigt hat- im Nachklang des Inkrafttretens von Traditionis custodes, durch das einige Ordinarien sich befähigt sahen- und damit genau diese Diskretion ausübten, die das motu proprio selbst ihnen zuerkennt - sich selbst von der Observanz der normativen päpstlichen Anordnung auszunehmen, indem sie ihren Diözesan-Priestern die Lizenz erteilen, die Hl. Messe gemäß der Rubriken des Missales von 1962 zu zelebrieren und diese Feiern auch in Gemeinde-Kirchen zu erlauben oder Kaplanstellen oder persönliche Gemeinden für den Alten Ritus einzurichten.  

Das veranlaßte den eifrigen Präfekten der Liturgiekongregation Kardinal Arthur Roche-trotz der Tatsache, daß es dafür sehr präzise Normen  gibt, von keinem anderen als dem Papst selbst ( Traditionis custodes Art.3 und 4) diktiert, durch die auf detaillierte Weise, die Sache geregelt wurde- so daß dem Hl. Stuhl nur das Recht vorbehalten bleibt, Richtlinien herauszugeben- so wie sie durch eine unvorsichtige Publicity "traditionalistischer" blogs nötig geworden sein mögen,  Bischöfe bei mehreren Gelegenheiten zu tadeln, die sich angeblich selbst erlaubten, dem motu proprio von Papst Franziskus sklavisch zu folgen und sich der Möglichkeit von Can 87 §1  CIC zu bedienen. 

Das sind die faktischen Voraussetzungen aus denen zweifellos das Reskript vom 21. Februar entstand, dem die akribischen Responsa ad dubia mit den fanatischen "Erklärungen" vom 4. Dezember 2014 (am 18.Dezember veröffentlicht) vorausgingen, deren Inhalt jedoch weit über das zuvor erwähnte Konzept der "Orientierung" hinaus ging, das in Artikel 2 von Traditionis custodes  enthalten ist.

Diesen Responsa scheint das Reskript darüber hinaus ein weiteres Siegel "authentischer Legitimität " aufdrücken zu wollen, indem sie betonen, wie sie- -nachdem die Veröffentlichung bei der letzten Tisch.- Audienz mit dem Papst- bestätigt wurden. An diesem Punkt sollte man aber klären, daß das keine "Zustimmung in forma specifica" zu dem Dokument ist, sondern lediglich als "Zustimmung" zur Veröffentlichung ist, die per se nicht aussagt, daß der fragliche Akt einen päpstlichen Autor hat (und daß sie aus diesem Grund als "nicht-anfechtbar angesehen werden muß) sondern, daß er sich nur einer gewissen Stabilität erfreut, Kraft der obersten Zustimmung zu seiner Veröffentlichung (wie im Responsum ad dubium über die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare vom 21. Februar 2021 geschehen.)

Es sollte jedoch klargestellt werden, daß solche Prozeduren in der aktuellen Praxis der Kurie eher lässig sind. Man denke nur an alle die Dekrete der Dicasterien, denen in forma specifica zugestimmt wurde, die persönliche Entscheidungen enthalten -wie Rücktritt aus dem Klerus oder dem geweihten Status  -als Resultat dubiöser administrativer Prozeduren: daß man- wenn der Papst seine Unterschrift darunter setzt- ipso facto seine Autorenschaft annimmt und damit implizit die Verantwortung- ohne jedoch-daß er sich effektiv und komplett des Inhalts oder dessen bewußt ist, was in diesem individuellen Fall passiert ist.

Das ist dann eine ungesunder Praxis und eine sehr gefährliche, weil sie wegen eines fleischwolf-artigen administrativen Mechanismus´ -dem alle legalen Garantien fehlen, weil er in absoluter Willkür funktioniert,-  den Papst zum Komplizen der Verwaltung selbst und damit de facto zur Geisel der Entscheidungen anderer macht. 

In diesem Licht- und ohne in einen sehr komplexen wenn auch schlüpfrigen Schlamassel eintreten zu wollen,  nicht nur durch die Bestätigung der Zustimmung -verliert auch das Reskript irgendwie an Wert, sowohl juristisch als auch moralisch- weil bis vor einiger Zeit solche speziellen Prozeduren (wie in den aktuellen in Kraft befindlichen Regelungen der Römischen Kurie Art. 126)  den Sinn hatten, eine spezielle Art von Eingriffen des Pontifex´ in Fragen von Glaube und Moral zu betonen, scheinen sie heute eher die Zurschaustellung einer erzwungenen Panzerung zu sein, die eine ebenso tiefe wie peinliche Unsicherheit kaschiert. Galt früher tatsächlich das beruhigende Sprichwort Roma locuta, quaestio soluta, so scheint es heute eher so, als ob die Position Roms der Ursprung von Chaos, rechtlicher Unsicherheit und damit institutioneller Instabilität ist, was sehr oft zu peinlichen Widersprüchen führt

Kehren wir zum Reskript zurück, es scheint offensichtlich, daß der verkündete Vorbehalt des Gesetzes bezüglich der Erteilung von Genehmigungen und der Angabe der Modalitäten für die Feier der Messe nach dem alten Ritus in offenem Gegensatz zu dem steht, was bereits durch das Motu Proprio TC selbst festgestellt wurde, was paradoxerweise so vorgeben würde, es ginge um "Implementierung", die aber vor allem - wie Kard. Müller kürzlich in einem Interview feststellte - Konflikte mit den Normen des göttlichen Rechts, die Macht der Diözesanbischöfe, regelt.

Wenn ein Bischof heute nicht für fähig gehalten wird – denn darum geht es doch – zu erkennen, ob auf dem Gebiet seiner eigenen Diözese Bedingungen gegeben sein könnten, unter denen die Befugnis zum Gebrauch des alten Messbuchs ohne vorherige Zustimmung des Dicasteriums ausgeweitet werden könnte und wenn er als einer betrachtet wird, dessen eigene Macht, liturgische Bücher zu benutzen, eingeschränkt werden muß, indem man ihm verbietet, das Pontificale in den Gemeinden zu benutzen, dann kann man sagen, daß die ganze Theologie der hierarchischen Konstitution der Kirche, vor kurzem erst vom Konzils-Lehramt für die den Bischöfen beschlossen, de facto annulliert wurde und einer Form monokratischer und selbstbezoener Regierung gewichen ist, die so präzedenzlos wie gefährlich ist.

Wenn man liest, was das Reskript vorsieht, wo es heißt: "Sollte ein Diözesanbischof in den beiden oben genannten Fällen Dispens erteilt haben, ist er verpflichtet, das Dikasterium für Gottesdienst und Sakramentenordnung zu informieren, das die einzelnen Fälle prüft, "ist man fassungslos über den offensichtlich herrschenden kurialen Willen, der nicht nur ein Prinzip der juristischen Zivilisation bricht, den das Recht verfügt

Solche manische Hyperkontrolle durch das Dicasterium für Gottesdienst und Sakramentenordnung -zusammen mit der obsessiven Form der Normierung, könnte in der aktuellen Zeit eine große Überraschung verursachen, die zutiefst anti-legal und wirklich offen feindselig gegenüber den "Regeln" und eher offen für fließende Modelle sind. Es könnte überraschend sein, daß in einer Zeit, in der Sakrileg und Profanation täglich vorkommen, sehr oft zum Schweigen und der komplizenhaften Blindheit der Institutionen, wobei man so sorgfältig die Grenzen dessen definiert hat, was einem Bischof in seiner eigenen Diözese gestattet ist, wie z.B. einen Priester daran zu hindern, zweimal im alten Ritus zu zelebrieren, wenn niemand sich auch nur um die vier Messen kümmert, die ein guter Gemeinde-Priester jeden Sonntag auf dem Territorium der Gemeinde zelebriert, der es jetzt häufig an Priestern fehlt. Es ist klar ersichtlich daß das alles ein Hinweis auf den Grad großer Angst und Unsicherheit ist, die die Innovatoren haben, während sie Revolutionen machen. Wenn- de facto-die Tradition die Solidität und Robustheit ihrer eigenen Prinzipien besitzt und deshalb eine Konfrontation mit der Vielfalt nicht fürchtet, mit der sie - im Gegenteil- verflochten ist und sich entwickelt, und sich sogar noch mehr konsolidiert und in die Zukunft projiziert, nicht so die Revolution, die nichts anderes kann, als ihre "Visionen" durch die selbe Kraft zu zerstören, die sie herausgefordert hat und wie sie glaubt, auf ihre eigene Weise abgelöst hat: auctoritas.

In den Systemen Gesetzes-basierter Zivilisation "veritas non auctoritas facit legem": es ist weder Willkür, noch die bloße Machtausübung, die die Grundlage der als verbindlich zu betrachtenden Norm integriert - wie Hobbes argumentierte - sondern es sind die unverzichtbaren und nicht verhandelbaren Prinzipien des göttlichen Rechts und des Naturrechts. Die gewaltsame Auferlegung eines Gesetzes hat noch nie etwas Gutes hervorgebracht, und außerdem haben revolutionäre Aktionen selbst bekanntlich früher oder später immer zu einem "Saturnmahl" geführt.

Was vor uns liegt, und schon seit einiger Zeit stattfindet,- ist eine in der Kirchengeschichte präredenzlose Schlacht zwischen zwei gleich erbitterten aber ungleichen Fronten, die sich gegenüber stehen- ungleich in Zahlen und "institutionelller Stärke". Die heutige Schlacht ist jedoch nicht die selbe wie die unmittelbar nach dem Konzil, weil seit damals bis heute die Ränge jener, die von der Schönheit der Tradition verzückt sind, viel dichter geworden sind als früher: in jenen Tagen war die Gesellschaft eine andere, hatte Gehorsam eine andere Bedeutung... dennoch besaß Paul VI - während er ein neues Missale promulgierte- nicht die Kühnheit, das vorherige zu widerrufen, weil er vom Anathema der Bulle Quo primum tempore des Hl. Pius V wußte.

Dann wieder, mit aller nötigen Ehrerbietung für die Solons des Dicasteriums für Gottesdienst, bildet die traditionelle Liturgie einen so gewaltigen strukturellen Komplex in der ganzen Kirche, daß es reiner Wahnsinn wäre, es für möglich zu halten, alles [nach Roches Vorlieben] zu "normalisieren“. Man wird immer Arrangements finden, die es der alten Liturgie ermöglichen, wie sie es bisher auch ermöglicht haben, zu überleben. Und wenn sogar die Gerüchte immer lauter werden, daß dieses jüngste Dokument nur die Spitze des Eisbergs eines wiederauflebenden Krieges ist; und wenn heute die Bischöfe gezüchtigt werden, werden morgen diejenigen gestraft, die noch von der Einhaltung von Traditionis custodes (d. h. den sogenannten "Ecclesia Dei institutes“) befreit sind; dennoch sollte klargestellt werden, daß ein restriktives und strafendes Vorgehen gegen sie unweigerlich zu einem immensen Bruch der Einheit der Kirche führen würde, da es wirklich verrucht wäre, sie von der Kommunion auszuschließen, wenn sie nicht dem einen reformierten Ritus entsprechen. Und auf der anderen Seite wäre beim Stand der Dinge und bei der Qualität, die der Gehorsam in einer Kirche in voller Krise des Autoritätsprinzips zeigt, eine flächendeckende Repression undenkbar; sie hätte in der Tat den gegenteiligen Effekt."

Quelle: P. Kwasniewski, Rorate Caeli,  Corrispondenza Romana  

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