Rorate Caeli veröffentlicht einen Kommentar von M.A. Quintana Paz zu den vergangenen 10 Jahren des aktuellen Pontifikates. Hier geht´s zum Original: klicken
"ZEHN JAHRE PAPST FRANZISKUS: LICHT, SCHATTEN UND FINSTERNIS"
Miguel Angel Quintana Paz
Zwei amüsante Patzer in den spanischen Medien begleiteten am Montag den zehnten Jahrestag der Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum 26. Bischof von Rom. Die Überschrift des Portals Info Católica lautete: "100 Jahre seit der Wahl von Franziskus zum Papst“. Beim Fernsehsender La Sexta verkündete sein Sprecher, daß "seine Ankunft als erster schwarzer Papst im Vatikan die öffentliche Meinung revolutioniert hat"
Es ist nicht nötig, auf Freudianer zu machen, um zu sehen, wie viel diese beiden Fauxpas über ihre Sprecher preisgeben. Es scheint, daß für ein konservatives Medium wie Info Católica dieses Pontifikat lange dauert, und daher zögert es, ob wir seit einem Jahrzehnt oder vielleicht einem Jahrhundert mit ihm sind. Andererseits verkörpert Franziskus für die Progressiven von La Sexta zweifellos ein lobenswertes Identitätssymbol, woke wie es Barack Obama zu seiner Zeit war; vielleicht wäre es übertrieben gewesen, ihn als ersten nicht-binären oder trans-Papst anzukündigen, ihn also als ersten schwarzen Papst zu belassen, zeugt am Ende von einer gewissen Mäßigung.
Abgesehen vom ein oder anderen Fehltritt, ist es wahr, daß die Bewertung eines Pontifikats wie dem jetzigen nicht wenige Schwierigkeiten mit sich bringt. Als Erstes möchte ich darauf hinweisen, daß es viele (sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche) gibt, die missverstehen, was es bedeutet, Papst zu sein. Und die Verwerfungen liegen hauptsächlich im 19. und 20. Jahrhundert.
Im 19. Jahrhundert, mit dem Aufkommen und der Verbreitung politischer Ideologien, begannen viele, den Katholizismus nur als eine weitere zu betrachten. Und wenn der Katholizismus eine Ideologie ist, dann ist die Kirche eine politische Partei und ihr Papst der oberste Führer. Niemand wird 1917 Bolschewik, wenn es nicht darum geht, Lenin zu ehren; niemand wird 1875 britischer Konservativer, wenn er nicht Disraeli mag. Die Konsequenz dieser falschen Vision des Katholizismus ist bedauerlich: So wie in einer politischen Partei Kritik am obersten Führer verpönt ist (sie behindert so ihr Ziel, den Zugang zur Macht!), wird es auch bei denen sein, die den Katholizismus aus der Perspektive einer Ideologie sehen und jegliche Kritik an ihrem obersten Führer, dem souveränen Papst, verabscheuen.
Gesagt werden muß, daß einer der lobenswerten Aspekte bei Franziskus ist, daß er mehrmals diesen Irrtum bekämpft hat."Man kann den Papst kritisieren, das ist keine Sünde" sagte er wiederholt. Zusammen mit einer Warnung: "Ich bin gegen chupamedias allergisch" (so nennen sie Speichellecker in Argentinien).
Wahr ist jedoch, daß Liebe durch Taten und nicht durch schöne Worte gezeigt wird. Und deshalb, nachdem wir diese Einsicht des Papstes zitiert haben, beruhigen wir uns nicht nur, weil es keine Sünde ist, ihn zu kritisieren, wie wir ihn jetzt kritisieren werden, sondern weil es unvermeidlich ist, einen Schatten zu erwähnen: Franziskus hat sich nicht immer offen gezeigt für Kritik, wie er verkündet. Es genügt, an den Fall von Bruno Forte zu erinnern, einem der führenden Theologen der letzten Jahrzehnte, italienischer Erzbischof, enger Mitarbeiter des Papstes ... bis er 2016 die Kühnheit hatte, sich über seine jesuitischen Methoden lustig zu machen. Ihm wurde ipso facto jede Aufgabe, jedes Vertrauen, jede Beförderung entzogen. Witze amüsieren nicht immer jeden. Kritisiert werden auch nicht.
Ein weiteres Zeichen für die päpstliche Allergie gegen Kritik sind die Gelder, die der Heilige Stuhl für die zweitrenommierteste Anwaltskanzlei der Welt, Baker & McKenzie, ausgegeben hat. Ging es darum, einen der Tausenden von Angriffen auf katholische Tempel auf der ganzen Welt anzuprangern? Darum einer der Verleumdungen entgegenzutreten, die Tag für Tag über die Kirche gegossen werden? Nein, es ging nur darum, einem der wichtigsten spanischen religiösen Informationsportale, InfoVaticana, das Recht zu nehmen, diesen Namen zu verwenden. Ein bisschen so, als ob mir der Bürgermeister von Madrid verbieten wollte, eine Bar in Vitigudino "Bar Madrid" zu nennen.
Diese Gelder stießen auf taube Ohren: Baker & McKenzie scheiterten zusammen mit dem Heiligen Stuhl bei ihren Bemühungen (die seltsamerweise nicht mit ähnlichen Beschwerden bei anderen Medien einhergingen, die das Adjektiv „Vatikan“ verwenden, wie z. B. dem Vatikan-Insider-Portal). Und wir alle blieben mit der Überzeugung zurück, daß die Bösartigkeit gegenüber diesen spanischen Medien nur auf ihrem Mangel an Komplexen bei der Kritik des Papstes beruhte und nicht auf ihrer Besessenheit, das Adjektiv "Vatikan“ nur für sich selbst zu beanspruchen.
An dieser Stelle ist es angebracht, an den zweiten Stein des Anstoßes zu erinnern, der es heute schwierig macht, zu verstehen, was ein Papst ist. In diesem Fall handelt es sich, wie gesagt, um ein aus dem 20. Jahrhundert geerbtes Hindernis. Vor der Erfindung des Radios, des Fernsehens, des Internets oder der Flugzeuge war der Bischof von Rom für die riesige Masse der Katholiken eine ferne Figur, für die man beten musste, und wenig mehr. Von Zeit zu Zeit traf eine Bulle oder eine Enzyklika ein, um uns an seine Existenz zu erinnern; aber es war lächerlich, so zu tun, als müsste man den Papst „mögen“, dessen Gesicht man auf der Straße kaum erkennen konnte; es war auch absurd, danach zu streben, jede Predigt, die er halten konnte, zu kommentieren. Man konnte im Mittelalter oder in der Neuzeit ein vorbildlicher Katholik sein, ohne eine Meinung vom obersten Papst zu haben; Ganz zu schweigen davon, daß man für seine weltliche Regierung sogar gegen seine Truppen kämpfen konnte, wie Kaiser Karl V. und seine Landsknechte 1527 es gut konnten.
Diese ganze Welt ist heute auf den Kopf gestellt. Die meisten Katholiken kennen den Papst besser als ihren Gemeinde-Priester. Und -weil wir in einer Demokratie leben, sind wir veranlaßt, uns wieder und wieder zu allem zu äußern: zusammen mit unserer kleinen Meinung über den arabisch-israelischen Konflikt, die Ozonschicht und die letzten Wahlen in Brasilien drängt es uns auch den Pontifex maximus zu beurteilen. Und was noch mehr ist: wenn möglich jede seiner gestrigen Handlungen und Aussagen. Parmenides und Plato wären entsetzt über diese Leidenschaft, die wir heute für bloßen Ruhm (doxa) entwickeln. Harry Frankfurt hat uns gewarnt, daß das die Quelle für soviel Scharlatanerie ist, die uns umgibt.
Für diejenigen von uns, denen die Wahrheit wichtig ist, erscheint das Äußern unserer Meinung zu jeder Kleinigkeit über den Papst als albern im Vergleicht zum Katholizismus.
Angesichts dieser neuen Situation, in der wir alle "doxophores" oder Träger von Meinungen sind, glauben viele fromme Leute, daß die Definition "Katholisch" bedeutet, alle diese kleinen Ideen, die dem Papst gefallen, zu glauben; andere, daß wenn sie den Papst diskreditieren, sie auch die Kirche unglaubwürdig machen. Beide Gruppen irren sich.
Der Katholizismus, wenn er ernst gemeint ist, ist die Wahrheit. Und Wahrheiten stehen über dem Papst, Agamemnon oder seinem Schweinehirten. Fast zwei Jahrtausende lang wurden alle möglichen Überlegungen und Argumente über die katholische Wahrheit erdacht, geschrieben und ausgearbeitet. Wenn morgen entdeckt würde, daß Jorge Mario Bergoglio Vater von vier Kindern ist (das Beispiel ist nicht so weit hergeholt, es gab solche Päpste), würde dies kein Jota von der katholischen Wahrheit abziehen (obwohl es ein Jota von Bergoglios Moral abziehen würde ). Wenn der Papst sich morgen mit seinem Assistenten streiten würde, weil dieser sich mit seiner Mutter angelegt hatte (wozu fähig zu sein, er schon 2015 ankündigte), würde das keine Wahrheit der Bibel, des hl. Justin des Märtyrers oder des Hl. Bonaventura verändern. Kurz gesagt, für diejenigen von uns, die sich um die Wahrheit sorgen, so sehr sie auf dem 20. Jahrhundert lastet, erscheint es im Vergleich zum Katholizismus albern,jede Kleinigkeit über den Papst zu beachten und zu beurteilen. Und so muss es sein.
Nachdem wir diese beiden Schwierigkeiten (eine aus dem 19. Jahrhundert, die andere aus dem 20. Jahrhundert) bei der Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Papsttums beschrieben haben, ist es an der Zeit, sich an die beiden anderen zu erinnern, die offensichtlicher sind: die erste, dass es sich um ein sehr umstrittenes Pontifikat handelt, mit Enthusiasten und Hassern von äußerst entschlossenem Charakter. Das zweite ist, daß Papst zu sein bedeutet, eine ungewöhnliche Position in der Welt einzunehmen, mit so vielen Facetten, daß es unmöglich ist, kompetent genug zu sein, um sie alle zu bewerten: geistliches Oberhaupt, kirchliches Oberhaupt, Oberhaupt eines Staates und seiner Diplomatie, Interpret der Tradition und Schriften, der Sitten und Sittenprediger, Herausgeber von Lehr- und Pastoraltexten, letzter Richter bei inneren Konflikten, Vermittler bei äußeren Konflikten...
Fortsetzung folgt...
Quelle: M.A. Quintana Paz, Rorate Caeli
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