Montag, 6. März 2023

Papst Franziskus und das Narrativ

In seiner heutigen Kolumne in Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die jüngsten Entscheidungen und Schritte von Papst Franziskus in Regierungsangelegenheiten des Vaticans und der Kurie. Hier geht´s zum Original:  klicken

     "PAPST FRANZISKUS, HARTES DURCHGREIFEN?"

Während der 10. Jahrestag dieses Pontifikates näher kommt, hat Papst Franziskus eine weitere Entscheidung zu etwas getroffen, das er als ein Vatican- "System" erachtet. Mit einem Reskript, einem Dokument, das nach einer Audienz mit dem Papst geschrieben wird, blockierte er sowohl die mietfreien Apartments als Büros und die subventionierten Preise für die Vorsitzenden der Abteilungen. Kurz gesagt, keine Privilegien mehr. Oder zumindest ein Ende für das, was Papst Franziskus als Privilegien betrachtet. Das wurde zunächst nicht von den Medien verbreitet sondern nur innerhalb der Vaticans gepostet. Diese Anordnung ist nur die letzte in einer Serie von plötzlichen Maßnahmen, gemäß der Shock-an-awe-Technik, die Papst Franziskus charakterisiert, Kurz zuvor war ein anderes Reskript erschienen, das die Zulassung der Traditionellen Messe weiter einschränkt, obwohl das Reskript nicht vorhergesehene  Widersprüche enthält. 

Und sogar noch davor kam die plötzliche Ernennung des neuen Präfekten des Dicasteriums für die Bischöfe, Bischof Prevost, die seit langem erwartet worden war- und dennoch für fast zwei Jahre auf stand-by gehalten wurde. 

Und die Entscheidung, zu wiederholen, daß das Vermögen des Heiligen Stuhls nur dem Heiligen Stuhl gehört, um seine Reformen vor möglichen Ausnahmen zu schützen, die sich aus der Tatsache ergeben, daß einige Mitglieder der Vatikanverwaltung bei der Verwaltung ihres eigenen Vermögens Autonomie besaßen. In diesem zehnten Jahr seines Pontifikats fügt Papst Franziskus dem vatikanischen System die letzte Umdrehung der Schraube zu. Er hat geduldig gewartet, setzte einigen Abteilungsleitern Fristen, entfernte andere, wenn er es für richtig hielt, und wies Leute ab, wenn er das Vertrauen verlor. Jetzt hat der Papst begonnen, plötzliche Entscheidungen zu treffen, jeden internen Streit zu vermeiden und sich stattdessen darauf zu verlassen, daß er Papst ist.

Papst Franziskus ist ein Papst, der regiert. Aber es sieht fast so aus, daß er nicht will, daß das gesagt wird. Während seine Regierungsaktivitäten zunehmend unaufhaltsam werden, ergeht sich Papst Franziskus sich in Interviews und Interviewbüchern. Er baut das Narrativ selbst auf und versucht einige der Kritiken beiseite zu schieben. Als Ergebnis werden alle Klagen von Papst Franziskus ideologisch. Es ist nie vorgekommen, daß der Papst einen Irrtum bei der Beurteilunt zugegeben hat. Statt dessen sind es die anderen, die sich irren.

Zu den zahllosen Interviews der letzten Zeit ist eine neue Biographie gekommen, "Der Hirte" von Sergio Rubin und Francesca Ambrogetti, in denen Papst Franziska über die Jahre seines Pontifikates, seine Art zu verstehen, was in den letzten Jahren passiert ist und seine Weltsicht spricht.


Die Vorbesprechungen sprechen von einem Papst, der von der Notwendigkeit eines politischen Engagements spricht, weil das christlich ist. Verblüffend ist, daß es keine Erwähnung von inspirierender Politik gibt, wenn man den rein säkularen Teil der Geschichte betrachtet.

Die Vorankündigungen fügen hinzu, daß der Papst über die Finanz-Skandale sprach und sagte, daß es Laien gibt, die sich dadurch Vorteile verschafft haben und daß er die sofort blockiert habe, als er erfuhr, daß die Investitionen des Staatssekretariates in eine Luxus-Immobilie in London etwas undurchsichtig waren. Der Papst jedoch versäumt zu sagen, daß er im Verhandlungsraum dabei war und deshalb persönlich informiert war. Und er versäumt zu sagen, daß wahr ist, daß alles auf einer internen Aktion beruht. Der Vorwurf resultiert ursprünglich aus der Weigerung einer staatlichen Instanz, d.h. die IOR, den Forderungen eines Regierungsorgans, d.h. des vaticanischen Staatssekretariates zu entsprechen.

Und wieder sagen die Vorankündigungen, daß der Papst sagt, daß er zweimal die Ernennung zum Bischof abgelehnt habe und daß der Ordensobere der Jesuiten-zu der Zeit Hans Kolvenbach sofort seine Ernennung zum Weihbischof von Buenos Aires unterstützte. Dennoch wurde in keiner Rekonstruktion jemals erwähnt, daß der Papst die Ernennung zweimal angeboten worden war, noch daß Kolvenbach zustimmte.

Auf diese Art baut Papst Franziskus das Narrativ um sich selbst herum auf, während seine Art zu regieren immer zentralistischere Züge annimmt.

Wie soll man diese ganzen Umstände verstehen? Zunächst einmal auf die einfache Weise. Papst Franziskus sorgt sich um die öffentliche Meinung, er hat sein Pontifikat auf seinem öffentlichen Image aufgebaut, und daher wird die Konstruktion der Erzählung entscheidend. Natürlich ist es ein Narrativ, das auf Verleugnung der Verantwortung konstruiert wurde – zum Beispiel bestritt er, jemals von den Missbrauchsvorwürfen gegen Pater Marko Rupnik gehört zu haben, obwohl die gegen den Jesuiten verhängte Exkommunizierung latae sententiae eine Benachrichtigung des Papstes erforderte . Vor allem aber ist es ein Narrativ, das nicht darauf abzielt, kritische Themen zu definieren, Führungs-Probleme nicht anspricht, sondern sie so weit umgeht, daß sie zweitrangig zu werden scheinen.

Die Führungsprobleme sind jedoch nicht zweitrangig. In der Tat entledigt sich Papst Franziskus schnelle der Leute, denen er nicht mehr vertraut. Das ist kürzlich passiert - sogar berühmten Leuten und es wird wieder vorkommen. 

Der zweite Punkt ist, daß Papst Franziskus es eilig hat, seine Weltsicht durchzusetzen. Es ist als ob der Papst realisiert habe, daß er in einer Sackgasse steckt und nicht länger auf seine Worte gehört wird. Deshalb bekräftigt er-sobald er sieht, daß jemand sich Freiheiten nimmt, seine Linie- sogar brutal,

Das Reskript vom 13. Februar ist ein solches Beispiel. Es berücksichtigt nicht die anderes Seite der Geschichte: Wohnungen mit niedrigen Mieten, waren Teil eines Vatican-Systems, das jedem ermöglichte, im Vatican zu arbeiten. Die Gehälter sind nicht hoch, wenn auch steuerfrei (von 1300 bis 2400 €, in 10 Vergütungsstufen, obwohl man auf der 10. Stufe auf 3000.-€ kommen kann). Immer noch  haben die Angestellten des Vaticans eine steuerfreie Tankstelle, einen Supermarkt mit angenehmen Preisen und einen Staat, der ihnen zu leben hilft. Jetzt werden diejenigen, die im Vatican arbeiten können, besonders die Chefs der Dicasterien, die sein, die schon reich genug sind, die Wohnung zu mieten oder diejenigen, die persönliche Zuwendungen bekommen und von ihnen abhängen. Oder sie wohnen außerhalb des Vaticans und die Vatican-Wohnungen bleiben unvermietet. Das ist die Gegenseite, die der Papst nicht sieht. 

Der dritte Punkt ist, daß Papst Franziskus einen Punkt in seinem Pontifikat erreicht hat, in der glaubt, alles unter Kontrolle halten zu können. Deshalb ist die Zeit der Vorsicht vorüber und die Zeit der Aktion hat begonnen. Das ist angesichts dessen, daß sein Gesundheitszustand nicht sehr gut ist, und sogar die nächste Reise nach Ungarn mit so wenig Bewegung wie möglich geplant wurde. 

Niemand weiß, was der Papst denkt, aber wie er auf Situationen, die er nicht mag, reagiert ist offensichtlich. Unglücklicherweise hat diese Situation auch einen leichten Stillstand in der Kurier geschaffen, unsicher wegen der Worte des Papstes und deshalb in ihren Aktionen in der Schwebe. 

Papst Franziskus jedoch fährt unangefochten fort. Er will seine Reformen vollenden und denkt, daß der alte Vatican nur ein Überbleibsel der Renaissance war. Das ist nur teilweise wahr, aber das weiß Papst Franziskus nicht oder gibt vor, es nicht zu wissen."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

 

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