Donnerstag, 25. Mai 2023

George Weigel über die Enzyklika "Centesimus Annus"

George Weigel bei befaßt sich bei Firstthings mit der Enzyklika "Centesimus Annus" des Hl. Johannes Pauls II. Hier geht´s zum Original:  klicken

"JOHANNES PAULS II CENTESIMUS ANNUS UND DIE HEUTIGEN DISKUSSIONEN" 

In einem kürzlich in der Jesuiten-Zeitschrift La Civiltà Cattolica erschienenen Artikel hatte Fr. Fernando de la Iglesia Viguiristi, S.J.  folgendes zu einer Facette der historischen Enzyklika Johannes Pauls II Centesimus Annus zu sagen: 

Auf die Schlüsselfrage: "Ist der Kapitalismus nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die einzige Alternative, die noch übrig ist?“ antwortete Wojtyła [d. h. Johannes Paul II.: "Wenn mit ‚Kapitalismus‘ ein System gemeint ist, in dem die Freiheit im Wirtschaftssektor nicht in einen strengen rechtlichen Rahmen eingegrenzt ist, der sie in den Dienst der menschlichen Freiheit in ihrer Gesamtheit stellt, und sie als besonderen Aspekt dieser Freiheit sieht, deren Kern ethisch und religiös ist, dann ist die Antwort sicherlich negativ“ (CA 42).

Immerhin ist das ein genaues Zitat. Aber warum läßt der Professor für Internationale Wirtschaft an der päpstlichen Gregoriana-Universität den Satz aus, der diesem negativen Urteil unmittelbar vorangeht- : 

"Wenn mit Kapitalismus ein Wirtschaftssystem gemeint ist, das die fundamentale und positive Rolle des Marktes, des Privateigentums und die daraus entstehende Verantwortung für die Produktion wie auch für die menschliche Kreativität auf dem Gebiet der Wirtschaft, dann  ist die Antwort sicher zustimmend, auch wenn es vielleicht passender wäre über eine "Unternehmenswirtschaft", "Marktwirtschaft" oder einfach "freie Wirtschaft" zu sprechen."

Ich stimme dem verstorbenen Papst völlig zu, daß "freie Wirtschaft" hier der bessere Ausdruck istund nicht nur, weil das das Wort Kapitalismus bei europäischen Akademikern offensichtlich scharenweise auszubrechen.

Eine freie Wirtschaft - eine, in der der Markt, nicht der Staat, Hauptakteur im Wirtschaftsleben ist- ist einer der drei ineinandergreifenden Sektoren der freien und tugendhaften Gesellschaft der Zukunft, die Johannes Paul II. in Centesimus Annus skizziert hat, die beiden anderen ein demokratisches Gemeinwesen und eine lebendige öffentliche Moralkultur sein. Nach Ansicht von Johannes Paul waren sowohl die demokratische politische Gemeinschaft als auch die öffentliche Moralkultur von entscheidender Bedeutung, um die enormen Energien, die freie Wirtschaften freizusetzen, zu zügeln und zu lenken, so daß diese Energien dem individuellen menschlichen Gedeihen und der sozialen Solidarität dienen. Das demokratische Gemeinwesen tut dies, indem es einen rechtlichen und regulatorischen Rahmen für die freie Wirtschaft schafft, der Ehrlichkeit und Kreativität belohnt und Korruption bestraft. Die öffentliche Moralkultur (die die Kirche mitgestaltet) tut dies, indem sie dabei hilft, eine Bürgerschaft zu bilden, die versteht, daß man manchen Gelüsten nicht nachgeben darf, weil sie dem Einzelnen schaden und die Tugenden zerstören, die notwendig sind, um die Freiheit – einschließlich der wirtschaftlichen Freiheit – nobel zu leben.

Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Realitäten des 21. Jahrhunderts geht es nicht um die Wahl zwischen einer marktorientierten Wirtschaft und der sozialistischen Fantasie, die weiterhin Intellektuelle verführt. Die eigentliche Frage ist der Grad der Regulierung, der die Aktivitäten der freien Wirtschaft bestimmen sollte, von Mindestlöhnen über Pornografie und CO2-Emissionen bis hin zur Entwicklung künstlicher Intelligenz. Die Debatte über die ordnungsgemäße gesetzliche Regulierung der Wirtschaft dauert an, wie es auch sein sollte. Im Moment ist sie ziemlich hitzig, und zu den Akteuren in diesem Drama gehören nicht nur Liberale und Konservative alten Stils, sondern auch Populisten und "Nationalkonservative“, die mit dem Freihandel unzufrieden sind und von der nationalen Industriepolitik, wie sie von den Sozialdemokraten und anderen im linken Spektrum favorisiert wird, angetan zu sein scheinen.

Ich schlage vor, daß diese fortwährende Debatte zwei wichtige Lehren aus Centesimus Annus ziehen kann.

Die erste hat mit der Natur des Reichtums in einer postindustriellen Welt und seiner Auswirkungen auf die wirtschaftliche Gerechtigkeit zu tun. Wenn Wohlstand heute in erster Linie durch wirtschaftliche Vorstellungskraft und unternehmerische Fähigkeiten geschaffen wird, die durch disziplinierte und expandierende-Produktions- und Austauschnetzwerke wirken, dann ist das oberste Gebot der Gerechtigkeit in der Wirtschaft die Einbeziehung möglichst vieler Menschen in diese Netzwerke – was Armutsbekämpfung- Programme umfaßt, die sich für die Stärkung der Armen einsetzen. Im katholischen Kontext der USA unterstreicht diese wirtschaftliche Realität des 21. Jahrhunderts die Tatsache, daß die wirksamsten Programme der Kirche zur Armutsbekämpfung unsere innerstädtischen Schulen sind, deren Überleben einen moralischen und sozialen Imperativ darstellt.

Die zweite Lektion ist mit der ersten verbunden und berührt die scharf diskutierte Frage der "Globalisierung". Ohne Zweifel hatte die Globalisierung  für manche Amerikaner nachteilige Wirkung; sie hatte auch dazu beigetrage um die 2 Milliarden Menschen aus bitterer Armut zu erheben Die sozial-ethische Tugend der Solidarität, die so sehr von Johannes Paul II betont wurde, würde bedeuten, zwei Tatsachen, die dem Wirtschaftsleben des 21. Jahrhunderts gemeinsam sind- anzusprechen, sie nicht einander in einem nationalistischen Null-Summenspiel nach Art von "bettle Deinen Nachbarn an" gegenüber zu stellen

Die Fragenach dem "wie" überlasse ich den Wirtschaftsfachleuten. Das Prinzip ist, was die Kirche ansprechen sollte." 

Quelle: G.Weigel, Firstthings

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