Freitag, 26. Mai 2023

Zehn theologische Prinzipien Benedikts XVI ... Fortsetzung

Fortsetzung von hier und hier

5. Die Lehre der Kirche entwickelt sich organisch

Weil die Kirche ohne Wahrheit ihre Lehre nicht auf die Art entwickeln wir politische Parteien das tun. "Wahrheit wird nicht durch die Mehrheitsmeinung bestimmt," war eine der Aussagen von Ratzinger. Wahrheit wird nicht durch Meinungsumfragen und die Suche nach Übereinstimmung erkannt. In einem Essay, der im Buch "Demokratie in der Kirche" veröffentlicht wurde, bemerkte Ratzinger: 

Tatsächlich wird der Glaube durch seine eigene Natur aufgehoben, wenn er dem Mehrheitsprinzip unterworfen wird. Warum sollten Herr Müller oder Frau Huber mich dazu verpflichten können, dieses oder jenes zu glauben, was sie mehr oder weniger zufällig für richtig halten? Warum sollte ich verpflichtet sein, daß es heute eine Mehrheit gibt, die morgen von einer entgegengesetzten Mehrheit ersetzt wird? Entweder gibt es eine andere Autorisierung im Glauben der Kirche als für eine menschliche Wahrheit oder nicht. Wenn nicht, dann gibt es keinen Glauben, aber jeder glaubt, daß was immer er denkt, wahr ist. (S. 88).

Genau so wie Ratzinger von Newmans Verständnis der Gewissens beeinflußt wurde, war er von Newmans Verständnis von der sich entwickelnden Lehre beeinflußt. Newman betonte, daß die Lehre sic nur aus dem ursprünglichen depositum fidei entwickeln kann. Das bedeutet. daß diese Lehren subtil sein können, aber daß die doktrinale Tradition nicht hin und her wechselt oder ins Gegenteil, und heute das für Wahrheit hält, was gestern noch Häresie war. Es muß  auch eine innere Kohärenz zwischenden Lehren in den verschiedenen Bereichen der Theologie geben. 

Die Zweige der Theologie sind nicht vollkommen getrennte Gebiete des Verstehens,  sondern passen eher so zusammen, wie eine gotische Kathedrale strukturiert ist, so daß unterschiedlichen Teile (die hohen, spitzen Bögen, die äußeren Strebepfeiler, die gerippten Gewölbe, die bunten Glasfenster und die Wasserspeier) alle eine Rolle bei der Erhaltung der Stabilität des Gebäudes spielen. Theologen müssen sich dessen bewu0t sein, daß eine Veränderung einer Lehre auf einem Gebiet der Theologie  dramatische Rückwirkungen auf andere haben kann. 

6. Das Verhältnis von Glaube und Vernunft

Für Ratzinger ist das Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft symbiotisch. Sie müssen sich gegenseitig reinigen. Die katholische intellektuelle Tradition repräsentiert eine Synthese oder Integration der beiden. Aus diesem Grund wurde der Lehrstuhl von Romano Guardini an  der Universität München als Lehrstuhl für die Christliche Weltanschauung beschrieben, weil Guardini gleichzeitig auf den Feldern Philosophie  und Theologie arbeiten wollte. Das ging gegen die post-kantianische Tendenz, die Philosophie von der Theologie zu trennen. In Prinzipien der Katholischen Theologie argumentiert  Ratzinger, daß die Krise, die wir in der Kirche und der Menschheit erleben, eng mit dem Ausschluß Gottes verbunden ist, als einem Thema, mit dem die Vernunft sich angemessen befassen kann, -ein Ausschluss, der zur Degeneration der Theologie -zuerst zum Historismus, dann zum Soziologismus und gleichzeitig zur Verarmung der Philosophie." (S. 316). Er stand damit im Gegensatz zu sowohl zu einer Trennung der "reinen Vernunft" im Kant-Stil vom Glauben und einer Art Reserve wie die Barths- gegenüber den Verdiensten der Philosophie. Für Ratzinger wurde Philosophie in vormoderner Weise als Offenheit für das Göttliche verstanden.


7. Wir müssen an einen Schöpfergott glauben

In seinem Essay, der als "Am Anfang..." hat Ratzinger das Buch Genesis ernst genommen. Das bedeutet, daß er glaubte, daß Gott der Schöpfer des Kosmos ist,  einschließlich unserer Welt , der Menschen auf ihr und auch der Tiere. Er erklärte, daß "wir die Zukunft nur gewinnen können, wenn wir die Schöpfung nicht verlieren." (S: 100) Als Sache der Logik erklärte er, daß nur wenn die Schöpfung gut ist, kann der Mensch erlöst werden und nur unser Schöpfer kann unser Erlöser sein. Außerdem, wenn die Menschen wirklich von Gott geschaffen sind, sind sie Geschöpfe, keine  Rohstoffe. Außerdem findet sich ihre Würde als Geschöpf nicht in ihrer Fähigkeit, sich selbst als Marke zu verkaufen oder ihr eigenes Geschlecht auszuwählen, sondern darin nach dem Bilde Gottes geschaffen zu sein  Das bedeutet im Umkehrschluss, daß eine humane Ökologie gibt. Der Glaube an die Schöpfung ist auch für das Verständnis unserer Fürsorgepflicht für die Schöpfung wichtig. Der führende anglophone Gelehrte auf diesem Gebiet, der der theologischen Anthropologie des Hl. Johannes Pauls II und Benedikts XVI folgt, ist Michael Dominic Taylor.

8. Die synodale Autorität verstehen 

Synodalität ist ein zweideutiges Konzept. Ordentliche Synoden sind Zusammenkünfte der Bischöfe in regelmäßigen Abständen. Außerordentliche Synoden sind Treffen zur Erörterung eines bestimmten Themas, wie beispielsweise die Synode zum Wort Gottes während des Pontifikats von Benedikt XVI. Derzeit geht es um Fragen wie: Wie sollen Synoden gestaltet werden? Wer kann eingeladen werden? Welche Befugnisse haben die Teilnehmer? Welches Gewicht, welche rechtliche Autorität haben Beschlüsse von Synoden? Obwohl es sich bei diesen Fragen um Fragen der Ekklesiologie handelt, sind sie doch von grundlegender Bedeutung in dem Sinne, daß sie bis in die tiefsten Tiefen der katholischen Theologie reichen, wie zum Beispiel: Was ist die Kirche? Was ist ein Bischof? Welche Beziehung besteht zwischen dem ordinierten Amt und dem Laienapostolat?

Als Ratzinger in seinem Aufsatz "Demokratie in der Kirche“ über die Idee einer dauerhaften synodalen Struktur aus gemischten Laien und bischöflichen Mitgliedern sprach, erklärte er:
"Die Idee einer gemischten Synode als permanentes Regierungsorgan der nationalen Kirchen ist eine Chimäre aus Begriffen der Kirchentradition sowohl in ihrer sakramentalen Struktur als auch in ihrem speziellen Ziel. Einer solchen Synode würde jede Legitimität fehlen, und deshalb muß der Gehorsam ihr gegenüber entschieden und und unmißverständlich verweigert werden." (S. 31) 

Im selben Essay wies Ratzinger auf die nicht nachlassenden Konflikte in der Church of England durch permanente synodale Prozesse und auf die Unpopularität von Katholischen Gruppen in deutschen Universitäten, die auf eine Demokratisierung der kirchlichen Führung abzielen. Er lobte die Studenten in Köln, die resolut das " synodale Komplott" zurückwiesen, weil sie wollten, daß ihre Gemeinde durch die eine Sache, die sie gemeinsam hatten, verbunden bleibt- "das Evangelium Jesu Christi, wie der Glauben der Kirche bekennt." (S. 33)

Das soll  icht heißen, daß Ratzinger gegen Synoden war, aber er war gegen die Idee die Kirche durh permanenten Synoden nach Art der Church of England zu führen. Synodalität hat die Kapazität ein "Wieselwort" zu werden, in dem Sinn, daß verschiedene Theologen und Kirchenführer ihm einen unterschiedlichen Inhalt geben.  Das unterstreicht, daß einige Versionen Newmans Konzept vom sensus fidelium entsprechen. Das Dokument der  Internationale Theologen-Kommission von 2014 "Der Sensus fidei im Leben der Kirche" hat die Art der Vorkehrungen umrissen, die von den Laien verlangt wird, bevor man sich darauf verlassen kann, daß sie den sensus fidei besitzen. Nicht von jedem, der zufällig getauft worden ist , kann man annehmen, daß er diesen sensus hat. Johannes Paul II und Joseph Ratzinger und Papst Franziskus haben alle festgestellt, daß der sensus fidei nicht mit irgendeiner Art Meinungsumfrage  übereinstimmt. Viele populäre Anhänger des Konzepts jedoch bezeichnen es als eine Art Meinungsumfrage - die Referenden bzgl, kontroverser sozialer Themen in demokratischen Ländern. Hier muß die Spreu vom Weizen bei den Experimenten kirchlicher Leitung getrennt werden.

9- Die heiligen Weihen verstehen

Die fundamentalen Konzepte wie "Kirche" und "Bischof" erfordern Aufmerksamkeit, das tun auch die heiligen Weihen allgemein.  In der Zeit seines Rückzugs hat Papst Benedikt viel Zeit damit verbracht und emotionale Energie darauf angewandt, die Praxis eines zölibatären Priestertums und die Vorstellung eines Priesters als jemanden zu verteidigen, der mehr ist als ein Gemeindevorsteher. Im Herbst 2023 wird Ignatius Press "Was ist Christentum?: Die letzten Schriften“ veröffentlichen, einen Band, der eine Sammlung von Aufsätzen und kurzen Ansprachen enthält, die Papst Benedikt während seiner Zeit als emeritierter Papst gehalten hat. Er wird eine sehr bedeutsame Reflexion über das Priestertum beinhalten. Dies sollte zusammen mit dem Buch "Aus der Tiefe unserer Herzen: Priestertum, Zölibat und die Krise der Katholischen Kirche"  vom emeritierten Papst und Kardinal Robert Sarah und "Freunde des Bräutigams: Für eine erneuerte Vision des Priesterlichen Zölibats" von Kardinal Marc Ouellet gelesen werden.

10. Verständnis des Petrusamtes

In seinem Interview in Gott und der Welt bemerkte Ratzinger: Der Papst selbst kann nicht sagen: "Ich bin die Kirche oder ich bin die Tradition“, sondern er steht im Gegenteil unter Zwang, er verkörpert diese der Kirche auferlegte Pflicht … Der Papst ist also nicht das Instrument, mit dem man sozusagen eine andere Kirche ins Leben rufen könnte, sondern ein Schutzwall gegen Willkür. (S. 377)

Als solcher ist ein Papst kein absoluter Monarch, sondern eher ein konstitutioneller Monarch, dessen Befugnisse durch eine Verfassung oder Verfassungskonventionen eingeschränkt sind. In diesem Fall fungieren die Heilige Schrift und die kirchliche Tradition als Beschränkungen seiner willkürlichen Machtausübung. Er ist auch ein Prinzip der Einheit für die Kirche. Er ist kein Vorsitzender eines Debattierclubs oder CEO eines multinationalen Konzerns, wie manche behaupten, die sich für die Demokratisierung der kirchlichen Führung einsetzen. Er trägt die Verantwortung für die Verteidigung des Glaubens und seinen Schutz vor Korruption und ist in der Nachfolge Christi ein Hirte, der für das geistige Wohlergehen von etwa 1,3 Milliarden Schafen verantwortlich ist. Da einige dieser Schafe in Ländern verfolgt werden, die von totalitären Ideologen regiert werden, ist er auch für die Entscheidungen der Vatikandiplomaten verantwortlich, die sich mit den Ideologen befassen. Das Petrusamt ist daher die großartigste Verantwortung, die man sich vorstellen kann, und es ist nicht verwunderlich, daß Ratzinger das Adjektiv „martyrolologisch“ verwendete, um es zu beschreiben.

Was wir jetzt brauchen, ist eine Rückkehr zu den Grundprinzipien von Benedikt XVI., die zwei Jahrtausende katholischer Lehre zusammenfassen."

Quelle: T. Rowland, What we need to know

Professor Tracey Rowland ist St. John Paul II. Lehrstuhlinhaberin für Theologie an der Universität von Notre Dame in Australien. Sie hat 8 Bücher und mehr als 150 Artikel veröffentlicht. Für ihre umfangreichen Schriften zu seiner Theologie wurde ihr 2020 der renommierte Ratzinger-Preis verliehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die nach der DSGVO nötige Zustimmung, dass dieser, im Falle seiner Freischaltung, auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger« Software vorgegeben ist, dass Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie diese angeben, ebenfalls gespeichert wird. Daher stimmen Sie, sofern Sie Ihre email Adresse angeben, einer Speicherung zu. Gleiches gilt für eine Anmeldung als »Follower«. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars wünschen, können Sie dies, unter Angabe des Artikels und Inhalt des Kommentars, über die Kommentarfunktion erbitten. Ihr Kommentar wird dann so bald wie möglich gelöscht.