Montag, 31. Juli 2023

Beginnt der Endspurt des Pontifikats?

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die jüngsten Entscheidungen und Ernennungen des Papstes als Zeichen eines "Endspurts". 
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"PAPST FRANZISKUS IN RICHTUNG AUF EINEN WACHWECHSEL"

Es wurde nicht erwartet, daß Papst Franziskus im Monat Juli Audienzen haben werde- mit wenigen Ausnahmen. Aber im letzten Teil des Monats traf er sich mit jungen Pilgern, die auf dem Weg zum  Weltjugendtag durch Rom kamen. Msgr. Leonardo Sapienza, Regent des Päpstlichen Haushalts, der in den vergangenen Jahren immer ein treuer Hüter jedes Treffens von Papst Franziskus  war bei diesen Treffen  nicht anwesend. 

Msgr. Sapienza war nicht da, weil  er rechtmäßig im Urlaub war, im Wissen, daß der Papst keine Audienzen abhalten werde. Aber die Tatsache, daß Papst  Franziskus beschlossen hat, auf alle Fälle Audienzen abzuhalten, ohne das zu kommunizieren, hat auch eine Bedeutung. Es bedeutet, daß der Papst sagt, daß er die Dinge unabhängig handhaben kann, ohne Wächter.  

Vielleicht spekulieren wir zu viel darüber, dennoch gibt es in letzter Zeit klare Hinweise. Einer ist der plötzliche Abgang von Msgr. Gonzalo Aemilius. seinem Sekretär aus Uruguay, der erst vor zweieinhalb Jahren gekommen war und durch einen Priester aus Argentinien ersetzt wurde, den der Papst seit einiger Zeit kannte.

Die Privatsekretäre sind für Papst Franziskus nicht essentiell. Der Papst hat immer zwei Alternativen bereit gehalten: die offizielle und die seine eigenen Treffen zu planen, vor jedermann verborgen - sogar vor den Sekretären. Der Papst ist nicht gleich zu Beginn seines Pontifikats dazu übergegangen, seine Besuche selbst zu organisieren, weil er andere persönliche Verpflichtungen hatte, über die niemand etwas wußte. Auch über diese Abwesenheiten wurde eine Legende gebildet, die von einem Papst berichtete, der weltlichen Ereignissen fernblieb. Dahinter stand eine mehr praktische Wahrheit.

Und natürlich konnte aus diesem Grund der plötzliche Weggang eines Sekretärs nicht unbemerkt bleiben. Dieser Abgang zeigt, daß der Papst kein Team hat; er hat keine feststehende Mannschaft von Leuten, denen er vertraut außer einigen Langzeit-Freunden. 


Freund ist der baldige Kardinal Victor Fernandez, den der Papst zum Präfekten des Glaubens-Dicasteriums ernannt hat. Und vielleicht ist es kein Zufall, daß der Papst ihn am Ende nach Rom berufen hat. Weil Fernandez ein Mensch ist, der dem Papst treu ist und dem der Papst vertraut, er braucht ihn in dieser Zeit um sich, die die wahrscheinlich revolutionärste des Pontifikats sein wird.

Zusätzlich zum Austausch der Sekretäre, hat der Papst Kardinal Matteo Zuppi zu seinem Spezial-Gesandten in die Ukraine, Rußland und dann in die USA und jetzt wahrscheinlich nach China ernannt. Und obwohl spezielle Gesandte Teil regulärer diplomatischer Aktivitäten sind, benutzt der Papst seine Spezialgesandten auch als Signal.  Das bedeutet, daß der Papst seine Diplomatie und seine diplomatische Linie hat und die ist nicht unbedingt die des  vaticanischen Staatssekretariates. Aber er trifft seine eigenen Entscheidungen und er will, daß sie von Leuten ausgeführt werden, die ihm direkt berichten. 

Bedeutet das, daß das Staatssekretariat zunehmend an den Rand gedrängt wird? Auf gewisse Weise passiert das bereits, weil Papst Franziskus schon entschieden hat, die Kurie, so wie wir sie kennen, zu dekonstruieren. Er hat immer gesagt, daß er die Reform der Kurie als einen Auftrag betrachtet. Er hat einen Kardinals-Rat gegründet, dem anfangs nicht einmal der Staatssekretär angehörte und er entfernte den vaticanischen Staatssekretär auch aus dem Aufsichtsrat des IOR, nachdem er ihn aus der Leitung entlassen hatte. Schließlich nahm er dem Staatssekretariat auch die Verwaltung des Patrimoniums.

Die Gerichtsverfahren im Vatikan haben heftige Angriffe auf die Regierungsmethoden des Staatssekretariats gezeigt. Der vatikanische Staatssekretär schlug sogar vor, daß das Staatssekretariat sich auf die Justiz des Vatikans hätte  Bezug nehmen sollen, anstatt seine Autonomie aufrechtzuerhalten, so als ob eine Regierungsbehörde eines Staates die Justizbehörden als erste Referenz haben sollten und als ob jede Regierungsbehörde dies haben sollte. Sie verfügen dann nicht über Autonomie, Budget und Ermessensspielraum bei der Verwaltung der Mittel

Natürlich kann es zuweilen zu einer zu personalistischen Führung oder sogar zu einer Aufrechterhaltung der Macht gekommen sein. Doch ein angeblich personalistisches Management rechtfertigt keinen direkten Angriff auf die Institution. Es sind nicht die Institutionen oder Verfahren, die den Anlass schaffen, sondern die Menschen, die darüber entscheiden, ob sie Misswirtschaft betreiben. Man kann sie verlagern und einen Weg finden, sie einzudämmen, aber das Problem lässt sich nicht durch einen Angriff auf die Regierungsstrukturen lösen.

Auch damit will der Papst zeigen, daß er auf die typischen Regierungsstrukturen verzichten kann. Es gibt einen Papst, und der Papst ist die Zentralregierung, die die Entscheidungen trifft. Es gibt keine Berater; Es gibt keine Abteilungen, die Gewicht haben können. Der Nachteil besteht darin, daß, wenn nur eine Person das Sagen hat, diese Person leicht manipuliert werden kann. Der Papst glaubt nicht, daß er instrumentalisiert werden kann, aber er braucht Freunde wie den baldigen Kardinal Fernandez, die ihm helfen, seine Ideen durchzuführen. Fernandez wird aufgefordert, einen theoretischen Rahmen und eine Erläuterung der Maßnahmen zu geben, die Papst Franziskus von nun an ergreifen wird.

Was uns erwartet, ist offenbar ein massiver Wechsel in der vatikanischen Garde, erleichtert durch die Regeln von Praedicate Evangelium, die die Besetzung von Spitzenpositionen auf nur fünf Jahre beschränken, die nur einmal verlängerbar sind.

Daher müssen Abwesenheiten und Anwesenheiten sorgfältig abgewogen werden, wenn das Pontifikat seine entscheidende Phase erreicht. Der Prozess im Vatikan nähert sich einem Urteil, und die Entscheidungen des Gerichts-Präsidenten, Giuseppe Pignatone, werden zeigen, ob es ein politisches Urteil oder ein gerechtes Urteil sein wird. Aber sollte es politisch sein, würde das einmal mehr zeigen, dass der Papst ein Beispiel geben und auf seine Weise dekonstruieren, zerstören und wieder aufbauen möchte

Derzeit kann sich jederzeit alles ändern. Gleichzeitig scheinen viele die Vorgehensweise des Papstes inzwischen verstanden zu haben und versuchen, sie zu entschärfen oder Zeit verstreichen zu lassen, bis sich die Dinge ändern. Der Papst will sein Erbe sichern. Er weiß nicht, ob er Erfolg haben wird, und es ist ein schwieriges Unterfangen. Die theologisch-theoretische Nachfolge konnte gewährleistet werden. Dazu muss er jedoch viele seiner eigenen Akteure vor Ort haben, neue Abteilungsleiter und neue Leute in Schlüsselpositionen. Der Wachwechsel scheint unmittelbar bevorzustehen."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

 

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