In der Rubrik "Lehre" veröffentlicht La Nuova Bussola Quotidiana einen Text über die Gegenwart Gottes in seiner Schöpfung, der sich auf die Aussagen des Hl. Thomas von Aquin zum Johannes-Prolog bezieht. Hier geht´s zum Original: klicken
"GOTTES GEGENWART IN DER SCHÖPFUNG: WEDER PANTHEISMUS NOCH DEISMUS"
Der heilige Thomas lehrt, daß es nicht nur eine gewisse Gegenwart der Schöpfung in Gott gibt, sondern auch eine "Existenz Gottes in den Dingen". Im Gegensatz zu Pantheisten und Deisten bewahrt Aquin sowohl die Immanenz Gottes für seine Schöpfung als auch seine Transzendenz.
Für diesen dritten Sonntag im August schlagen wir einen Text von Thomas von Aquin vor. Maestro spirituale (Città Nuova, Rom, 1998, S. 81-84) von Jean-Pierre Torrell, heute sechsundneunzig Jahre alt, emeritierter Professor der theologischen Fakultät der Universität Freiburg und anerkannt als einer der größten Kenner des Werkes des Heiligen Thomas von Aquin. Es handelt sich um einen kurzen Auszug, der die Themen des schöpferischen Aktes und der Bewahrung der Schöpfung aufgreift und hilft, sich dem Geheimnis der Gegenwart Gottes in seiner Schöpfung zu nähern, ohne in die gegensätzlichen Irrtümer des Pantheismus einerseits und einer Art Fremdheit Gottes gegenüber der Schöpfung, die für deistische Strömungen typisch ist, zu verfallen.
Diese Lehre über die Dreifaltigkeit, die sich ganz dem schöpferischen und wiederherstellenden Werk verschrieben hat, stellt uns immer noch an die Wurzel einer Lehre von der Gegenwart Gottes in der Welt, die Thomas mit den größten Mystikern teilt, die er aber mit unerwarteter Kraft zum Ausdruck bringt und die er mit der ihm eigenen Richtigkeit und Präzision begründet. Er bezieht sich direkt auf einen Vers aus dem Prolog des Johannes (1,3), von dem er nicht weniger als sechs verschiedene Exegesen kennt und der in Anlehnung an den hl. Augustinus wie folgt lautet: »Was in ihm gemacht ist, war Leben«, sieht er in Gott nicht nur die geistlichen Geschöpfe, sondern die ganze Schöpfung vorbestehen: »Wenn wir die Dinge betrachten, insofern sie im Wort sind, sie sind nicht nur lebendig, sondern sie sind Leben. Denn ihre ›Ideen‹, die geistlich in der Weisheit Gottes existieren und durch die das Wort gemacht ist, sind Leben« (In Ioannem 1, lect. 2, 91).
Auf diese Weise ist also die Schöpfung in Gott gegenwärtig, aber das Gegenteil ist nicht weniger wahr: Es gibt eine »Existenz Gottes in den Dingen« (Summa Theologiæ I, q. 8). Dies ist ein privilegierter Ort, um zu verstehen, wie eine scheinbar bloß philosophische Haltung sofort ihre theologische Übersetzung und ihre mystische Verlängerung erfordert. Thomas geht von einer seiner klarsten Positionen aus: Gott allein ist das Sein durch das Wesen und sein Wesen ist sein Sein selbst (Ipsum esse subsistens); Daraus folgt, daß das Sein in jedem anderen existierenden Wesen nur von Gott erschaffen und empfangen werden kann, der es als seine eigene Wirkung hervorbringt. In einem geliebten physischen Bild heißt es: "Da Gott dem Wesen nach das Wesen selbst ist, ist es notwendig, daß das geschaffene Wesen seine eigene Wirkung ist, so wie das Verbrennen die eigentliche Wirkung des Feuers ist". Diese Abhängigkeit im Sein aller Dinge in Bezug auf Gott tritt nicht nur in ihrer Schöpfung auf, in dem Augenblick, in dem sie zu existieren beginnen, sondern dauert so lange an, wie sie existieren. Ein sehr beredter Vergleich erlaubt es uns, dies sehr leicht zu verstehen: Es ist kein Tag, es sei denn, die Sonne streut ihr Licht in die Luft; Wenn die Sonne verschwindet, gibt es kein Licht und keinen Tag mehr. Die Parallele zu Gott, der das Sein gibt, erzwingt die Schlussfolgerung:
"Solange ein Ding Sein hat, ist es notwendig, daß Gott dafür gegenwärtig ist, und dies in Übereinstimmung mit der Art und Weise, wie es Sein besitzt. Das Sein ist in jedem Wesen das Innigste und Innerste, da es in Bezug auf alles, was in ihm ist, die Rolle der Form, des bestimmenden Prinzips spielt. Es ist daher notwendig, daraus zu schließen, daß Gott in allen Dingen und das auf die intimste Weise ist« (Summa Theologiæ I, q. 8, a. 1).
Thomas beharrt auf diesem Punkt mit einer etwas überraschendem Nachdruck, aber wir befinden uns an einem Ort paradoxer Aussagen. Im Gegensatz zu dem, was mit einer materiellen Realität geschehen würde, ist diese Gegenwart Gottes in den Dingen nicht gleichbedeutend mit Gefangenschaft: Die Dinge enthalten Gott nicht; Das Gegenteil ist der Fall: "Geistige Dinge enthalten das, worin sie sind, also enthält die Seele den Körper. Darum ist Gott auch in den Dingen als Wesen, die Dinge enthalten« (Summa Theologiæ I, q. 8, a. 1, ad. 2). Nachdem Thomas dies klargestellt hat, scheut er sich nicht, hinzuzufügen: »Gott ist in allen Wesen und ganz in jedem einzelnen, so wie die Seele in jedem Teil des Leibes ganz ist« (Summa Theologiæ I, q. 8, a. 1, ad. 3). Die anfängliche Aussage wird also bereichert und verdeutlicht: Da das Bekannte im Erkennenden und das Geliebte im Liebenden zu finden ist, »sind die Dinge in Gott viel mehr als Gott in den Dingen« (ebd.)
Nur in Analogie zur materiellen Welt heißt es also, daß Gott in allen Dingen zu finden ist. Diese Vergleiche sind jedoch heikel zu handhaben; Thomas ignoriert das nicht und lehnt von dem Moment an, in dem er dem Pantheismus begegnet (Summa Theologiæ I, q. 3, a. 8), das Erbe des antiken Stoizismus ab, der Gott als die Seele der Welt betrachtete. Dieser relativ grobe Anthropomorphismus reicht nicht nur nicht aus, um die Immanenz Gottes bei seiner Schöpfung zufriedenstellend zu erklären, sondern er verfehlt auch völlig die Bewahrung seiner Transzendenz. Jetzt bewahrt Thomas beides gleichzeitig und, was noch besser ist, setzt er sich dafür ein, die zutiefst differenzierte Art und Weise, in der Gott in seiner Schöpfung gegenwärtig ist, wertzuschätzen und so der Kontemplation unerschöpfliche Perspektiven zu eröffnen."
Quelle: LNBQ
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