Montag, 11. September 2023

Papst Franziskus und seine Pressekonferenzen

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die päpstlichen  Pressekonferenzen und Interviews - und identifiziert sie als Papst Franziskus´ Regierungs-Stil.
Hier geht´s zum Original:  klicken 

"PAPST FRANZISKUS, PRESSEONFEREZEN ALS EINE FORM DES REGIERENS"

Den "fliegenden" Pressekonferenzen von Papst Franziskus muß man immer sehr aufmerksam folgen. Er spricht frei und ungefiltert, zeigt sich Papst Franziskus freiheraus, erklärt seine Argumentation und betont, was er plant. Papst Franziskus hat immer gesagt, daß er nicht gern mit Journalisten spricht und daß er das selten getan hat, als er Erzbischof von Buenos Aires war. Das ist wahr. Aber die Art, wie er die Kommunikation bei Pressekonferenzen nutzt, deutet an, daß der Papst aus Vorsicht wenige Interviews gibt und nicht so sehr, weil er nicht weiß, wie er eine Verbindung zu den Journalisten herstellen soll.

Die Pressekonferenz beim Rückflug aus der Mongolei ist ein Beispiel dafür.  Papst Franziskus kam in der Mongolei mit einem Gepäck ab Kontroversen an, die seiner Äußerung vom 25. August zu den jungen Russen gefolgt waren  Der Papst hatte bei einer Video-Konferenz mit jungen Russen Rede und Antwort gestanden und hatte ihnen am Ende gesagt, sie sollten ihre Identität nicht vergessen, die von Mütterchen Rußland, Peter dem Großen und Katharina II.

Die Worte des Papstes landeten im Kontext der breit angelegten  russischen Aggression gegen die Ukraine. Für die Ukrainer haben Peter und Katharina immer diejenigen repräsentiert, die die Ukraine zerstören wollten und die das Konzept des russischen Imperialismus entwickelten und verfolgt haben. Sogar seine Seligkeit Lubomyr Husar, der zum Kardinal kreierte letzte Groß-Erzbischbof der Ukrainisch-Griechisch Katholischen Kirche, sagte in einem Interview, daß er sich nicht wie ein Bruder von Katharina und Peter fühlen könne, die die Ukraine auslöschen wollten.

Es war offensichtlich, daß die Worte des Papste eine Kontroverse ausgelöst hatten. Es war ebenso offensichtlich. daß die Ukrainische Regierung politisch verstehen und protestieren würde. Der Hl. Stuhl antwortete mit einem kurzen Statement des Presse-Büros und einer Note der Nuntiatur. Die Erklärung des Papst ließ dagegen auf sich warten. 

In seiner Amtwort hat Papst Franziskus sich nicht entschuldigt. Er gab einen leichten Fehler zu und sagte, daß vielleicht die falschen Worte gewählt habe. Der Papst erklärte auch sein Denken. Er habe den jungen Leuten raten wollen, den Kontakt zum Erbe ihrer Großeltern nicht zu verlieren. Da sei ihm ein Beispiel in den Sinn gekommen. Er habe seine Schuljahre erinnert und was er über Peter den Großen und Katharina II gelernt hatte. Ihr Handeln- fügte er hinzu, wird von den Historikern beurteilt werden müssen. Er habe sich nur an die Geschichtsstunden in der Schule erinnert.


Auf diese Weise dämpfte Papst Franziskus die Kontroverse. Bei der selben Pressekonferenz gab der Papst zwei weitere kritische Informationen bekannt.

Die erste bezog sich auf die Ernennung von Bischöfen in China, für die es eine bilaterale Kommission Chinas und des Vaticans unter dem Vorsitz von Kardinal Parolin gibt. Das ist das erste mal, daß der Papst uns einen Blick in das geheime Abkommen für die Ernennung von Bischöfen, das 2018 mit China abgeschlossen wurde. 

Die zweite ist, daß der Papst erwägt ob er noch eine weitere europäische Reise unternehmen (das wäre  dann der Kosovo) solle,  weil das nicht mehr so einfach ist wie am Anfang und deshalb jede Reise kompliziert ist.

Die erste Nachricht ist eine Konzession. In einem delikaten Augenblick mit China, während die Reise Kardinal Zuppis kurz bevorsteht, und es gleichzeitig Spannungen wegen der chinesischen Interpretation des Abkommens gibt, spricht Papst Franziskus die Chinesen an und fordert sie auf, gute Staatsbürger zu sein und erklärt ein bißchen, wie das Abkommen mit Peking funktioniert. Das ist eine Beruhigung für die Katholiken, die auch China beruhigt.

Die zweite Neuigkeit scheint eher ein Lockvogel zu sein. Es ist nicht das erste Mal, daß der Papst sagt, daß es für ihn immer schwieriger wird zu reisen, und diese Information wird in seinem Alter und nach zwei Operationen innerhalb von drei Jahren sogar als selbstverständlich angesehen. Doch jedes Mal, wenn er es sagt, zeigt Papst Franziskus stattdessen, daß er von seinen Plänen ablenken will.

Papst Franziskus hat bereits erklärt, daß er den Kosovo besuchen möchte und erwägt, im nächsten Jahr nach Argentinien zurückzukehren. Beide Optionen sind wohl noch auf dem Tisch. Der Papst will es jedoch nicht explizit sagen; Er behält sich die Möglichkeit vor, eine Reise zu stornieren und eine andere Reise anzutreten, und das hängt sowohl von den besonderen Bedingungen des Kosovo (einem vom Heiligen Stuhl nicht anerkannten Staat) als auch von der Tatsache ab, daß die Reise nach Argentinien an die nächsten Wahlen dort gebunden sein könnte.

Diese drei Beispiele zeigen, daß der Papst bei Pressekonferenzen nicht ahnungslos ist. Er verwaltet Informationen, teilt einige Nachrichten anstelle anderer mit und führt manchmal mit Aussagen in die Irre, die sich später als falsch herausstellen – etwa als er drei mögliche Termine für den Besuch der Orte des Erdbebens nannte, das 2016 Mittelitalien erschütterte, aber keiner der Termine war real. Das Original war dasjenige, das drei Tage nach seiner Rückkehr von der Reise stattfand.

Können wir also sagen, daß die Pressekonferenzen des Papstes Regierungsmethoden sind? In gewisser Weise ja. Ebenso wie Interviews handelt es sich auch um Regierungsmethoden, die der Papst persönlich gewährt, oft (fast immer), ohne den Filter des Presseamtes des Heiligen Stuhls zu durchlaufen. Der Papst kommuniziert nicht nur, um sich selbst zu erklären, sondern auch, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Er verwaltet das Narrativ und tritt ins Narrativ ein. Das hat er auch getan, als er erfuhr, daß zwei Journalisten eine Biografie über seine Jahre in Cordoba schrieben: Er nahm Kontakt zu ihnen auf. Außerdem beantwortete er ihre Fragen und Neugierde, aber im Gegenzug wollte er ihre Texte sehen, bevor sie veröffentlicht wurde.

In diesem Sinne ist Papst Franziskus ein moderner Papst, smart im Umgang mit den Medien und in der Lage, genug zu lügen, um seine Ziele zu erreichen. Es gibt jedoch auch die andere Seite der Medaille. Das heißt, es besteht die Gefahr, daß ein Pontifikat, das der öffentlichen Meinung viel Gewicht beimisst, Gefahr läuft, allein ein Pontifikat der öffentlichen Meinung zu sein. In vielen Fällen hat Papst Franziskus die Welle der gemeinsamen Debatte mitgeritten: von der Verkündung von Laudato Si bis zu den Angriffen auf die Traditionalistenwelt, von seiner Weigerung, klare Antworten auf Lehrfragen zu geben, bis zu seinem Drang nach einem interreligiösen Dialog um jeden Preis Seine Worte gegen Korruption bis hin zum Kampf gegen Pädophilie mit dem spektakulären Anti-Missbrauchsgipfel im Februar 2019

Kurz gesagt, viele der Entscheidungen des Papstes sind eher Reaktionen als politische Maßnahmen – in manchen Fällen notwendige Reaktionen. Aber man fragt sich, wie viele dieser Reaktionen die Kirche schützen und wie viele ihn selbst.

Und doch besteht die Gefahr, dass diese Reaktionen immer zu gering ausfallen. Nun gibt es die Synodendebatte, die auf die Forderung nach stärkerer Beteiligung der Kirche reagiert, aber auch einige der vom deutschen "Synodaler Weg" vorgeschlagenen Themen berücksichtigt.

Was passiert, wenn die Synode die Erwartungen nicht erfüllt? Und vor allem: Welches Gewicht hat die Synode, während der Synodale Weg seinen Weg fortsetzt? Ab einem bestimmten Punkt wird der Papst die Verantwortung für die Entscheidung übernehmen müssen. Er könnte das Narrativ skizzieren und erklären, daß er das getan hat, weil Gottes Volk eine Diskussion wollte, aber als Papst muss er die Einheit der Kirche garantieren. Seine Handlungen würden jedoch nur eine Erzählung nähren.

Und so sind die Pressekonferenzen und öffentlichen Erklärungen von Papst Franziskus tatsächlich eine Regierungsform. Aber diese Regierungsform läuft Gefahr, nur ein Narrativ zu sein und uns ohne Antworten zurückzulassen. Letztendlich hat Papst Franziskus die Idee, Prozesse stets offen zu halten. Wie auch immer, am Ende ist es immer und nur er, der die Entscheidungen trifft."

Quelle: A. Galiarducci, Monday-at-the-Vatican

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