In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci kritisch den Verlauf der Synode zur Synodalität. Hier geht´s zum Original: klicken
"PAPST FRANZISKUS UND DIE GRENZEN DER SYNODALITÄT"
Die Terminveränderungen der Synode-Versammlung in letzter Minute zeigen einen Vorteil und eine Begrenzung von Synodalität. Der Vorteil ist, daß Zuhören auch zu Veränderungen von Entscheidungen und der Planung führen kann. Die Begrenzung ist, daß es auf diese Weise keine Langzeit-Projekte zu geben scheint oder geben kann. Statt dessen bleibt alles provisorisch, momentan, undefiniert und nur ein Mitglied der höheren Hierarchie kann die Ordnung wieder herstellen. So kann, während alle allen zuhören, nur der Papst und nur er allein Entscheidungen treffen und alles auf sich zurückführen.
Und in der Tat ist es das, was Papst Franziskus bis jetzt immer getan hat. Der Kardinals-Rat hat sich oft versammelt, aber der Papst hat die Reformentscheidungen vor den Treffen getroffen, wo er sie danach präsentierte oder sogar plötzlich, so wie er den Text der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium überraschend veröffentlicht hat.
Und das ist in der Tat ein Regierungsstil, den er auch beim Konsistorium von 2022 ausprobiert hat. Zum ersten mal seit Beginn der Pontifikates wollte der Papst, daß die Kardinäle miteinander diskutieren sollten, wobei die Diskussion die Reform der Kurie betraf. Aber die Kardinäle konnten nicht bei der General-Kongregation sprechen. Sie waren in Sprachgruppen aufgeteilt . Einige waren gezwungen, ihre Reden abzuändern.
Die Methodik bei dieser Synode ist ähnlich, Die Synodenväter werden sofort in kleinere Kreise aufgeteilt - in Gruppen von 11 oder 12 . Jeder Kreis jedoch- diskutiert nur über eines der "Unter-Themen" der Module, in die die Diskussion auf scholastische Weise unterteilt ist, etc. So hat de facto niemand eine Gesamtübersicht über die Diskussion, aber jeder hat eine Sicht auf einen bestimmten Teil der Debatte, die in seiner Gruppe stattgefunden hat.
Natürlich steht der Papst immer im Mittelpunkt, aber der Punkt ist der: der Papst muß nicht Teil des synodalen Prozesses sein, sondern hat eher die Aufgabe, Einheit zu garantieren. Einheit wird erreicht, wenn jeder eine vollständige -nicht nur teilweise- Übersicht über die Diskussion hat.
Diese Situation erlaubt auf gewisse Weise die Formung organisierter Kommunikations-Lobbys, die dazu neigen, die Lage zu ihren Gunsten zu manipulieren. Die Kampagne zugunsten der Aufnahme von LGBT hat von der Nachricht profitiert, daß der Papst sich mit dem Mitgründer und Mitarbeiter des New-Wave-Ministeriums getroffen hat, die Kampagne für "Synodalere Strukturen der Kirche" wurde von Journalisten aus deutschen und lateinamerikanischen Gruppen von Progressisten weiter verfolgt, die eine Reform der Kirche auch in Begriffen einer Demokratisierung unterstützen etc. Jeder kann etwas über die Synode sagen, weil die Synode zur Kommunikation, Mission und Teilnahme ohne Anweisung entstanden ist, sondern mit der klaren Absicht, jeden sprechen zu lassen.
Nein, sie ist weder eine Talk-Show noch ein Parlament- das wiederholt der Präfekt der Kommunikations-Abteilung Ruffini immer wieder-sondern -der Eindruck, den man gewinnt, ist genau der von einem Ort, an dem die Leute diskutieren, ohne zu entscheiden,. De facto hat die Synode keine Entscheidungsmacht sondern nur Beratungsfunktion.
Was also will der Papst? Ein großes Parlament zusammen bringen und dann seine eigenen Entscheidungen treffen und gleichzeitig den Eindruck erwecken, daß sich alles verändert hat?
Die Frage ist zulässig, ob wir bedenken, daß Papst Franziskus selbst sagte, daß "Synodalität" (oder das "Leben der Kirche", wie das General-Sekretariat des Synode vorzieht, es zu nennen) nur das zweite für die Synode ausgewählte Thema ist, während das erste das Priestertum war.
Warum hat Papst Franziskus dann beschlossen, über Synodalität zu diskutieren? Auch das ist eine zulässige Frage. Die vorgesehene Eröffnung dieses synodalen Treffens, das aber irgendwie auch eine ausgewählte Elite der Kirche umfaßt, erweckt bei vielen den Eindruck, zum ersten mal an der Entscheidungen der Kirche teilnehmen zu können. Aber dieser Aspekt - der stark betont wird, bringt auch einige Probleme mit sich.
Die Kirche ist tatsächlich keine demokratische Struktur, in der jeder eine Stimme haben muß und bei der die, die eine Stimme haben, sich zufrieden fühlen müssen. Sie ist kein Ort, an dem man darüber nachdenkt, Anteil an der Macht und Verantwortung zu erlangen. Sie ist eher eine Versammlung, in der man dient und man dient gemäß seiner Möglichkeiten - unabhängig von Geschlecht, Rasse und Sexualität.
Die dieser Synode zugrunde liegende Krise ist eine Glaubenskrise, die eine Kulturkrise mit sich bringt. In der Praxis hat die Debatte bei der Synode das positivistische Paradoxon erreicht: Alles wird Teil für Teil analysiert, aber dann geht die Gesamtvision verloren und es besteht die Gefahr, Schaden anzurichten. Früher bestand die Idee darin, eine globale Analyse durchzuführen und dann ins Detail zu gehen. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben wir versucht, vom Besonderen auszugehen, um zum Universellen zu gelangen, und die Konzilskonstitutionen sind in diesem Sinne ein wahres Juwel. Aber sie sind ein Juwel, weil das Besondere immer universell wurde und nicht umgekehrt, und zwar mit der Unterstützung eines Kulturprojekts, das jetzt zu fehlen scheint.
Was macht man eigentlich, wenn man mehr Meinungen als Ideen hat? Es werden populäre und populistische Themen ausgewählt, wie die Aufnahme von Migranten, die Frage der Kommunion für Geschiedene und Wiederverheiratete, die Idee einer Änderung der Glaubenslehre, auch wenn diese Änderung nie eintreten sollte. Kultur hingegen ermöglicht einen gesunden Menschenverstand in der Debatte und auch ein kontextualisiertes Verständnis der Fakten. Es vermeidet Spaltungen nicht, sondern ermöglicht es den Spaltungen, sich gegenseitig zu absorbieren und zu verstehen. Kultur ist synodal.
Es handelt sich um eine Glaubenskrise, die aus der Tatsache entsteht, dass der katholische Glaube nur durch Tradition oder Vorurteile bekannt ist. Es ist eine Glaubenskrise, die Priester und damit auch Bischöfe betrifft. Es ist eine Glaubenskrise, die sich in den immer geringer werdenden Messbesuchszahlen widerspiegelt, auch ein Zeichen mangelnder liturgischer Betreuung. Die Synodalität lässt sich jedoch keine Zeit für den kulturellen Aufbau. Besessen von der Antwort auf das Hier und Jetzt, muss die Synode verschiedene Themen diskutieren und alle einbeziehen, während sie gleichzeitig den Kalender ändert, um den Synodenvätern mehr Unterscheidungsmöglichkeiten zu geben. Oder ist eine Unterscheidung seitens des Generalsekretariats der Synode erforderlich?
Synodalität ist eine Begrenzung, und wenn sie auf diese Weise praktiziert wird, ist sie eine noch größere Beschränkung Es herrscht eine starke Fragmentierung, und die kann tatsächlich dazu führen, daß sich die Kirche auf sich selbst und auf einige wenige große Themen konzentriert und dabei die gemeinsame Debatte aus den Augen verliert.
Doch jetzt ist es an der Zeit, wieder aufzubauen. Wahrscheinlich nicht von der Synode, denn die Synode läuft Gefahr, zu einer Diktatur der Mehrheit zu werden. Aber wir müssen immer noch wieder aufbauen. Andererseits fragte die Apokalypse: „Wenn der Menschensohn zurückkehrt, wird er dann auf dieser Erde Glauben finden?“
Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican
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