Luisella Scrosati berichtet bei La Nuova Bussola Quotidiana darüber, wie Kardinal Müller die Antwort, die der Präfekt des Glaubens-Dicasteriums auf die Dubia und die Nachfrage von Kardinal Duka. Hier geht´s zum Original: klicken
DISKONTINUITÄT
"MÜLLER: FERNANDEZ BEANTWORTET DIE DUBIA NICHT, SONDERN VERGRÖSSERT SIE"
Der ehemalige Präfekt der Glaubenslehre "weist" die Antworten auf Amoris Laetitia zurück, die sein Nachfolger an Kardinal Duka geschickt hat. Duka: "Es ist fragwürdig, religiöse Zustimmung von Intelligenz und Willen zu einer theologisch zweideutigen Interpretation zu verlangen" und daher nicht bindend.
Ein neues Dubium. Zu diesem Schluss kommt der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, in seinem Brief an Kardinal Dominik Duka. Der deutsche Kardinal teilt seinem Mitbruder in einem Schreiben im Wesentlichen mit, daß Fernández' Antworten wegen Formlosigkeit und ihres problematischen Inhalts unzulässig seien; Der neue Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre (DDF) kann daher nicht behaupten, daß der religiöse Gehorsam des Willens und des Verstandes (vgl. CIC, can. 752) aufgrund des authentischen Lehramtes, geboten ist, sondern muss eine genaue Antwort auf eine neue Frage geben: "Gibt es Fälle, in denen es nach einer Zeit der Unterscheidung möglich ist, einem Getauften, der sexuelle Beziehungen zu einer Person unterhält, mit der er in einer zweiten Verbindung lebt, die sakramentale Absolution zu erteilen, wenn dieser Getaufte nicht den Entschluss fassen will, diese Beziehungen nicht fortzusetzen?"
Aber gehen wir einen Schritt zurück. Nach der Veröffentlichung von Amoris Lætitia (19. März 2016) sorgte der Text des Schreibens, vor allem aber das Einfügen einiger trügerischer Notizen (329, 336, 344, 351, 364) sofort für Chaos. Im September schickten die Kardinäle Meisner, Caffarra, Burke und Brandmüller dem Papst fünf Dubia über die Auslegung der problematischsten Passagen des Schreibens, nämlich Nr. 300-305 und die Fußnote 351, die im Wesentlichen die katholische Lehre über in sich böse Handlungen, Ehebruch und sakramentale Absolution zerbröckeln ließen.
Im selben Monat, in einem Zeitraum von vierundzwanzig Stunden, wurden der Brief der argentinischen Bischöfe und die "sofortige" Zustimmung des Papstes veröffentlicht. Franziskus unterstützte die Interpretation, nach der AL "die Möglichkeit des Zugangs zu den Sakramenten der Versöhnung und der Eucharistie" für wiederverheiratete Geschiedene unter "komplexeren Umständen und wenn es nicht möglich war, eine Nichtigkeitserklärung zu erwirken" eröffnete. Beide Briefe wurden im Folgemonat in die Acta Apostolicae Sedis (Bd. 108, 10/2016, 1071-1074) aufgenommen. Am 5. Juni 2017 fügte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ein Rescriptum "ex audientia SS.mi" hinzu, mit dem der Papst beabsichtigte, sie als Ausdruck des authentischen Lehramtes zu betrachten, dem daher religiöser Gehorsam der Vernunft und des Willens geschuldet werden muss. Kardinal Fernández bekräftigte kürzlich, daß es sich um ein authentisches Lehramt handeln werde, gerade erst in seiner Antwort auf die Dubia von Kardinal Duka.
Wir haben bereits gesehen, dass immer dann, wenn die Zustimmung zur Lehre des Lehramtes in ihren verschiedenen Graden erforderlich ist, der Inhalt, zu dem man seine Zustimmung gibt, klar sein muss. Die Zustimmung unterscheidet sich in der Tat vom Gehorsam gerade deshalb, weil sie einen Inhalt weiterführt, den der Verstand erfaßt. Und genau hier setzt die erste Klarstellung von Kardinal Müller an: "Vom formalen Standpunkt aus ist es schon fragwürdig, die religiöse Zustimmung der Intelligenz und des Willens zu einer theologisch zweideutigen Auslegung einer partiellen Bischofskonferenz (Region Buenos Aires) zu verlangen, die ihrerseits eine Bejahung von 'Amoris laetitia' interpretiert und erklärungsbedürftig ist und deren Vereinbarkeit mit der Lehre Christi (Mk 10,1-12) in Frage steht. "Was kurz und bündig bedeutet: Wie kann man dem, was zweideutig und verworren ist, unterwürfig zustimmen?
Und erst recht, wie kann man religiösen Gehorsam gegenüber einem Text verlangen, der »zumindest mit den Lehren von Johannes Paul II. (»Familiaris consortio« 84) und Benedikt XVI. (»Sacramentum caritatis« 29) in Diskontinuität zu stehen scheint, da diese beiden Lehren, die im übrigen inhaltlich sehr präzise sind, auch »die religiöse Zustimmung des Verstandes und des Willens« erfordern? Der Kardinal nimmt als Beispiel diese Passage aus Fernández' Brief: "Franziskus (...) räumt ein, dass es Schwierigkeiten bei der Ausübung dieser [Enthaltsamkeit] geben kann, und erlaubt daher in bestimmten Fällen, nach angemessener Unterscheidung, die Spendung des Sakramentes der Versöhnung, auch wenn es nicht möglich ist, der von der Kirche vorgeschlagenen Enthaltsamkeit treu zu sein". Der kursiv gedruckte Ausdruck, erklärt Müller, "kann auf zweierlei Weise interpretiert werden. Erstens: Diese Geschiedenen versuchen, in Enthaltsamkeit zu leben, aber angesichts der Schwierigkeiten und der menschlichen Schwäche gelingt es ihnen nicht. (...) Die zweite: Diese Geschiedenen akzeptieren nicht, in Enthaltsamkeit zu leben, und versuchen es nicht einmal (es besteht also keine Absicht zur Besserung), angesichts der Schwierigkeiten, auf die sie stoßen". Es ist klar, daß es im ersten Fall keine Schwierigkeiten geben würde, zuzustimmen, während man im zweiten Fall in einen klaren Konflikt mit der Zustimmung geraten würde, die bereits zu der Lehre gegeben wurde, auf die sich die beiden früheren Päpste beziehen.
Dann gibt es noch ein weiteres Problem, auf das wir bereits hingewiesen hatten (siehe hier), nämlich, daß "es ungewöhnlich ist, wie die 'Antwort' die Genehmigung des Heiligen Vaters mit einer einfachen Unterschrift am Ende der Seite registriert", ohne "die übliche Formel", die die Genehmigung des Inhalts durch den Papst und seine Genehmigung zur Veröffentlichung anzeigt.
Kommen wir zurück zum Inhalt. Zunächst weist Müller darauf hin, daß die Kontinuität dieser Interpretation mit der Lehre von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. mehr erpresst als real ist. "Die Kontinuität sollte in der Tat nicht darin gesucht werden, daß jetzt jemand zur Kommunion zugelassen werden kann, sondern im Kriterium dieser Aufnahme." Nun erlaubten die beiden erwähnten Päpste die sakramentale Absolution und die Zulassung zur Kommunion keineswegs denen, die weiterhin uxorio lebten, sondern denen, die sich der Kommunion enthielten. Deshalb, so der Kardinal, "wird der Bruch zwischen der Lehre des Dokuments von Buenos Aires und dem Lehramt von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wahrgenommen, wenn man das Wesentliche betrachtet, das, wie gesagt, das Kriterium für die Zulassung zu den Sakramenten ist".
Die Frage wird noch ernster, wenn man die "authentische" Auslegung der AL mit der dogmatischen Lehre des Konzils von Trient vergleicht: "daß die sakramentale Beichte über alle schweren Sünden für das Heil notwendig ist (DH 1706-1707); daß es eine schwere Sünde des Ehebruchs ist, in einer zweiten Ehe als Mann und Frau zu leben, während der eheliche Bund weiter besteht (DH 1807); dass eine Bedingung für die Erteilung der Absolution die Reue des Pönitenten ist, die die Trauer über die Sünde und den Entschluss, nicht mehr zu sündigen, einschließt (DH 1676; 1704); daß es dem Getauften nicht unmöglich ist, die göttlichen Gebote zu befolgen (DH 1536, 1568)". In der Tat handelt es sich um Lehren, die eine Zustimmung des Glaubens zu einer offenbarten Lehre (de fide credenda) oder endgültig (de fide tenenda) erfordern. In beiden Fällen ist die Zustimmung voll, sicher, unwiderruflich und höher als diejenige, die dem bloß authentischen Lehramt gegeben wird.
"Daraus folgt, daß diejenigen, die die Interpretation von 'Amoris Laetitia' im Text von Buenos Aires und in der 'Antwort' ablehnen, nicht des Dissenses beschuldigt werden können. Ihr Problem besteht nicht darin, einen Gegensatz zwischen dem, was sie verstehen, und dem, was das Lehramt lehrt, wahrzunehmen, sondern einen Gegensatz zwischen zwei verschiedenen Lehren desselben Lehramtes wahrzunehmen, von denen eine nun endgültig bestätigt worden ist. Chapeau.
Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation hebt auch die "überraschende Aussage im Text der Glaubenskongregation" hervor, wer letztlich darüber entscheiden soll, ob ein Gläubiger freigesprochen werden kann oder nicht: "Es sind die Gläubigen selbst, die entscheiden, ob sie die Absolution erhalten oder nicht, und der Priester muss diese Entscheidung nur akzeptieren! Wenn das generell für alle Sünden gilt, dann verliert das Sakrament der Versöhnung seine katholische Bedeutung." Eine Vision des Sakramentes, die nicht weit entfernt ist von "einer protestantischen Vision (...) die von Trient verurteilt werden, wenn sie auf der Rolle des Priesters als Richter in der Beichte beharrt (vgl. DH 1685; 1704; 1709)».
Noch unglaublicher ist Fernández' Versuch, diese Absurdität zu rechtfertigen, indem er auf Ecclesia de Eucharistia, 37b, zurückgreift; "Tucho" lässt diesen Text das Gegenteil von dem behaupten, was er sagt, indem er genau die Passage auslässt, die die Nichtzulassung zur Kommunion "derer, die hartnäckig in offenkundigen schweren Sünden verharren", auf der Grundlage objektiver Bedingungen bekräftigt, unabhängig vom Urteil über den Gnadenstand eines jeden.
Francisco-Fernández' Antworten lösen die Zweifel nicht nur nicht aus, sondern verstärken sie. Und es ist klar, daß bis zur Beantwortung dieses neuen "Dubiums" "die Autorität der 'Antwort' auf Ihre 'Dubia' und des Briefes von Buenos Aires angesichts der Ungenauigkeiten, die diese Texte enthalten, in der Schwebe bleibt". Auf jeden Fall seien die Gläubigen "nicht verpflichtet, eine positive 'Antwort' auf das 'dubium' zu akzeptieren, weil es der katholischen Lehre widerspricht". Aber noch wichtiger ist es, "die Autorität, die auf das 'dubium' antwortet", unversehrt zu bewahren, damit sie nicht in die Ausflüchte verfällt, "die Gläubigen um die religiöse Zustimmung des Verstandes und des Willens in Bezug auf Wahrheiten zu bitten, die der katholischen Lehre widersprechen".
Quelle: L.Scrosati, LNBQ
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