In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican analysiert und kommentiert A.Gagliarducci die ausgiebige Gesetzgebungsaktivität und die damit verbundenen Reformen via motu proprio von Papst Franziskus. Hier geht s zum Original: klicken
"PAPST FRANZISKUS, GESETZGEBER ODER REFORMER?"
Während der vergangenen Woche hat Papst Franziskus drei weitere Reformgesetze erlassen, jedes durch ein päpstliches fiat. Im technischen Jargon der Kirchenleitung werden dieser Aktionen litterae apostolicae motu proprio datae genannt. Apostolische Briefe -gegeben durch eigene Zustimmung (des Gesetzgebers) - oder kurz gesagt motu proprio. Sie kommen zu den mehr als 70 motu proprio hinzu, die in zehn Jahren dieses Pontifikates veröffentlicht wurden.
Motu proprio werden im allgemeinen benutzt, um schnell Gesetze zu erlassen, Größere Reformen und durchgreifendere Gesetze verlangen üblicherweise andere Mittel und wurde historisch durch ausführlichere, penibel in gründlichen Konsultationen mit spezialisierten Ämtern der Römischen Kurie entwickelt.
Für dieses Vorgehen gibt es viele Gründe, aber sie fließen alle in dem Ziel zusammen, das Kirchengesetz so zu entwickeln, daß sie sofort mit der Sichtweise des amtierenden Papstes übereinstimmen, wie die Dinge sein sollten und auch mit dem kanonischen Recht und der vorhergehenden Tradition übereinstimmen. Dieses historisch erprobte und richtige Vorgehen hilft auch, größeren Reformen einen endgültigen Charakter zu verleihen und de facto die Notwendigkeit späterer Revisionen zu minimieren.
Daß Papst Franziskus ein motu proprio mindesten sechs mal pro Jahr benutzt hat, stellt einen Wendepunkt dar. Der Papst trifft Entscheidungen allein. Die Dokumente werden von ihm oder seiner+ engen Entourage formuliert und ohne allzu viel Aufmerksamkeit und manchmal ohne Vorbereitung veröffentlicht.
In der Vergangenheit hätte es häufige Briefings über solche gesetzgeberischen -grösseren oder kleineren-Reformen für das Pressebüro des Hl. Stuhls gegeben, die den Inhalt verständlich machten. Bei Papst Franziskus wurden diese Briefings immer seltener, oft genug, weil die Kommunikations-Abteilung nicht von den laufenden Veränderungen unterrichtet wurde.
Die letzten drei motu proprio haben ein gemeinsames Charakteristikum. Eines von ihnen legt etwas fest, das bereits allgemeine Praxis bei der Bekanntmachung von Gesetzen in Vatican-Stadt war, während die beiden anderen die Beschaffungs-Vorschriften des Vaticans verändern. Das Gesetz, das vor 4 Jahren promulgiert wurde, erforderte -wie üblich einige Feinkorrekturen. In Wirklichkeit jedoch verändert das motu proprio so viele Details der 4 Jahre alten Reform, als ob es noch einmal ganz neu geschrieben worden wäre.
Das neue Vergabegesetz legt beispielsweise eine maximale Ausgabenobergrenze fest, innerhalb derer die Ministerien ihre Verwaltungsautonomie haben und keine Genehmigungen einholen müssen. Dies ist eine Regel des gesunden Menschenverstandes, da es beispielsweise unmöglich ist, eine Ausschreibung für den Kauf von Schreibwaren auszuschreiben. Es handelt sich jedoch um eine Regelung, die einen Rückschritt gegenüber der Entscheidung der "absoluten Kontrolle“ darstellt,
Diese beiden Umstände lassen uns nachdenken. Zuerst zeigt die substantielle Neufassung des Gesetzes beweist mangelnde Präzision bei denen, die die Texte für Papst Franziskus schreiben (oder beim Papst selbst, angenommen, dass er sie eigenhändig schreibt). Deshalb - gibt es die Notwendigkeit alles in einer präziseren Sprache neu zu schreiben und die Details besser zu definieren und alles zu harmonisieren.
Es ist nicht das erste mal. dass das passiert ist.
2015 z.B. musste Papst Franziskus seine Entscheidung zurücknehmen, das Wirtschaftssekretariat für alle finanziellen Zweige verantwortlich zu machen, von der Supervision bis zu den Vorkehrungen für die Pensionen. Stattdessen wurde entschieden, einige Funktionen der APSA zu verschieben, um den Unterschied zwischen Supervision und Management besser zu definieren. Sogar in diesem Fall war es eine Entscheidung des gesunden Menschenverstands , die erst später gefällt wurde, als klar wurde, dass Supervision und Management nicht von der selben Körperschaft und dem selben Präfekten ausgeübt werden können-
Jedoch sticht auch eine weitere Tatsache heraus.
Bei den Reformen ist dem Wunsch drei Dinge zu zeigen eine Art "blinder Wut" eigen: mehr Kontrolle, einen Bruch mit der Vergangenheit und grössere Transparenz. Diese Wut jedoch besteht nie den Realitäts-Test. In der Praxis riskieren einige Reformen am Kriterium der Vernunft zu scheitern. Es ist eine Situation, die das ganze Vatican-System gefährdet.
Nach zehn Jahren des Pontifikates sind wir sicher, dass Papst Franziskus ein Gesetzgehern ist, der Entscheidungen trifft und Dokumente verfasst, die die auf dem Tisch liegenden Karten verändern. Eine grössere Herausforderung ist es, zu verstehen, ob er wirklich ein Reformpapst ist, trotz der vielen eingeführten Reformen.
Diese unterwegs entstandenen Reformen von Papst Franziskus -scheinen nie endgültig zu sein.. Sie entstehen durch Versuch und Irrtum. Sie sind nicht das Ergebnis einer in die Tiefe gehenden Studie, die zu Dokumenten führt, die die Zeit überstehen können. Form und Inhalt von Reformen, die sich aus an Papst Franziskus gerichteten und von ihm verkündeten Anträgen ergeben, hängen vor allem davon ab, wer gerade zu den vertrauenswürdigen Beratern des Papstes zählt und welche Interessen sie verfolgen.
Es sei daran erinnert, daß der Papst die Gesetzgebungsstruktur des Staates Vatikanstadt dreimal geändert hat, und dies während eines Prozesses – dem über die Verwaltung der Mittel des Staatssekretariats –, der erhebliche Auswirkungen auf die eigentliche Position des Heiligen Stuhls auf internationaler Ebene hat. Während der Recherchen zum selben Prozess änderte Papst Franziskus die Ermittlungsregeln durch vier Reskripte und änderte damit effektiv die Regeln des Prozesses, während dieser noch im Gange war.
Kurz gesagt, es handelt sich um eine gesetzgeberische Tätigkeit, die in gewisser Weise einfach eine Auswirkung des persönlichen Willens von Papst Franziskus zu sein scheint. Ob in oder hinter diesem persönlichen Willen ein wirklicher Plan oder eine weitreichende Vision steckt, konnte bislang nicht ermittelt werden. In diesem Pontifikat ist nichts von Dauer.
Die täglichen Messen in Santa Marta dauerten nicht bis zum Ende. Sie wurden zuerst täglich von den Vatikan-Nachrichten ausgestrahlt, dann während der Pandemie live und dann nie wieder so gefeiert wie zu Beginn des Pontifikats. Auch die Idee, bei den Ad-Limina-Besuchen interdikasteriale Momente einzubauen, hielt sich nicht durch, obwohl dies vor einigen Jahren noch die bedeutendste Neuerung zu sein schien. Auch die Begeisterung für die Synode hielt nicht an, denn nach der ersten Phase dieser Synode zum Thema "Kommunion. Mission und Teilhabe“ schien die treibende Kraft versiegt zu sein.
Es entsteht der Eindruck, dass Entscheidungen getroffen und Prozesse fortgesetzt werden, bis eine neue Entscheidung oder ein neuer Prozess die Situation umkehren kann. Oder bis ein „Entscheidungsträger“ eintrifft, der völlig im Einklang mit den Gesamtentscheidungen handelt.
Das ist die Bedeutung der Kirche als „Feldlazarett“ im ständigen Ausnahmezustand, und es ist die Bedeutung endloser „Reformen“ ohne wirkliche Vision.
Dies führt jedoch zu einiger Verwirrung.
Es gibt keine grundlegenden Reformen. Was die Lehrfragen betrifft, scheinen Probleme, die bereits pastoral behandelt werden, in den Mittelpunkt zu rücken, mit mehr oder weniger Erfolg je nach Fall und Situation (irreguläre Paare, geschiedene und wiederverheiratete Menschen und die Seelsorge für Homosexuelle).
Es wird oft gesagt, dass wir nach diesem Pontifikat einen gesetzgebenden Papst brauchen würden.
Vielleicht wäre ein Hirtenpapst nötiger, der in der Lage ist, die so entstandene Uneinigkeit zu überwinden und der intelligent genug wäre, sich mit Gesetzgebern zu umgeben. Es besteht kein Bedarf , die Reform des Papstes zu reformieren, weil die Reform von Papst Franziskus etwas fragil erscheint. Es muss eine grundlegende Reform durchgeführt werden, die die Regierung der Kirche und die Rolle des Papsttums betrifft. Wahrlich keine leichte Aufgabe."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday-at-the-Vatican
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