Montag, 5. Februar 2024

Die Pro-Bergoglio-Kampagne beim Konklave von 2013: Papst Franziskus plaudert aus dem Nähkästchen

In seinem heutigen Kolumne in "Monday at the Vatican" kommentiert A. Gagliarducci das jüngste Interview von Papst Franziskus, in dem er freimütig über das Konklave von 2013 plauderte und mögliche Auswirkungen auf das nächste Konklave
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"PAPST FRANZISKUS UND DIE KAMPAGNE, DIE ZU SEINER WAHL FÜHRTE" 

Als er am vergangenen 29.Januar mit LaStampa sprach, kehrte Papst Franziskus zum Konklave zurück, das ihn zum Papste wählte. Er erzählte einige bekannte Informationen, so wie den Applaus für ihn, nach seiner Rede über die nach "hinausgehende" Kirche. Er bezeichnete den Applaus als "präzedenzlos" und sagte "diese Rede war meine Verurteilung" . Und dann kommentierte er "Ich habe die Kampagne nicht realisiert, die zu  meiner Wahl führte."

Die Information über die aufkommende Kampagne für seine Wahl ist vollkommen neu. Zumindest hat Papst Franziskus zuvor nicht über sie gesprochen. Tatsächlich hat es zahlreiche Dementis gegeben, als Austen Ivereigh in seiner Biographie von Papst Franziskus "Der Große Reformer" von einem "Team Bergoglio" sprach, das zur Wahl Bergoglios gearbeitet haben soll.

Die Kontroverse über das Team Bergoglio begann mit dem Daily Telegraph, sicher keine katholisch-konservative Zeitung und verbreitete sich sofort in der Blogosphäre. Ivereigh argumentierte, daß die Kardinäle, die  Bergoglio bereits 2005 unterstütz hatten, wie Cormac Murphy O´Connor, Walter Kasper und Karl Lehmann die Lektion von 2005 gelernt hatten, organisiert waren und vor allem "seine Zustimmung sicherstellten" (Bergoglios). Laut Ivereigh hatte  Bergoglio selbst geantwortet, daß in einer derartigen Krise der Kirche, kein Kardinal sich weigern könne, wenn er gefragt würde.

In einem Tweet (wie wir es damals nannten) stellte Ivereigh dann klar "Sie versicherten sich seiner Zustimmung" (S.355)  Es hätte heißen müssen: "Sie glaubten, er würde seine Wahl nicht ablehnen". as werden ich in kommenden Ausgaben verbessern. 

Im gegenwärtigen Interview spricht Papst Franziskus von einem englisch-sprechenden Kardinal, der "mich sah und ausrief "Was Sie sagen ist wunderbar! Sehr schön. Sehr schön. Wir brauchen einen Papst wie Sie". Diese Worte spiegeln die Beschreibung von Murphy O´ Connor wieder, der ihm auch riet, vorsichtig zu sein, dieses mal wäre er an der Reihe. 


Wenn über eine entstehende Kampagne gesprochen wird, ist Papst Franziskus zum Teil  naiv und teilweise ...nicht. 

Naiv, weil über eine Kampagne zu sprechen, bedeutet oder deutet an, daß es auf alle Fälle Interesse an seinem Namen gab -wie es natürlich ist- und wie es natürlich nie hätte enthüllt werden sollen. Es ist offensichtlich, daß jede Übereinkunft vor dem Konklave zur Wahl eines Papstes nicht nur illegal ist sondern auch die Exkommunikation nach sich zieht. Es ist auch offensichtlich, daß die Kardinäle sich vor der Wahl beschnupperten, um sich ein Bild darüber zu machen, wen und wie sie wählen würden und sie werden auch vom Instinkt angeleitet. Außerdem versuchen sie, miteinander zu reden. 

Zur selben Zeit läßt das Sprechen von einer "entstehenden Kampagne" annehmen, daß diese Kampagne bei den General-Kongregationen entstanden ist, d.h. bei den Präkonklave-Treffen und nicht vorher, weil sie vorher nicht mit einem Namen, der promotet werden sollte, herausgekommen waren. Das sicher die Gültigkeit des Konklaves, das ihn gewählt hat, in der Annahme, daß ein Konklave  als ungültig angesehen werden kann, bei dem die anwesenden Kardinäle die Wahl akzeptiert und mindestens mit einer 2/3 Mehrheit unterstützt haben. 

Die richtige Frage aber betrifft den Papst und warum er wieder über das Konklave spricht, das ihn vor 11 Jahren gewählt hat. Papst Franziskus sprach darüber - fast als ob er vorhernahm, was in einer Biographie über sein Leben und die Ereignisse die es und die Welt charakterisierten stehen sollte, die in den kommenden Monaten in verschiedenen Sprachen veröffentlicht werden wird. 

Es ist im allgemeinen schwierig, wenn Päpste über das Konklave sprechen, das sie gewählt hat, außer in sehr vagen Worten. Papst Franziskus aber will darauf zurückkommen, und das scheint Teil der Notwendigkeit zu sein, seine Reformbemühungen in einem Augenblick zu legitimieren, der besonders kritisch erscheint.

In jüngster Zeit scheint Papst Franziskus in vielen Fragen seine Reformbemühungen vorangetrieben zu haben, die in diesem Pontifikat beispiellos waren. Die Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre Fiducia Supplicans war ein Wendepunkt. Da die Erklärung bei vielen nicht gut ankam, sahen sich mehrere Bischofskonferenzen zu theologischen Klarstellungen verpflichtet. Aber der Papst verteidigte es, indem er sogar von ideologischen Minderheiten sprach und die afrikanischen Episkopate, die den Text am wenigsten akzeptierten, als „einen anderen Fall“ brandmarkte, weil „Homosexualität für sie aus kultureller Sicht eine schlechte Sache ist“.

Im Interview mit La Stampa spiegeln die Worte von Franziskus die von Kardinal Fernandez wider, der die Aussage in mehreren Interviews mit der Behauptung verteidigte, diejenigen, die die Aussage kritisierten, hätten sie nicht verstanden. An diesem Punkt ist eine weitere Polarisierung in der Kirche entstanden: diejenigen, die den Papst und seine Initiativen verstehen, und diejenigen, die ihn nicht verstehen. Zumindest bei der Lektüre der Antworten scheint es keinen Platz für kritische Kommentare zu geben, denn die Reaktion ist kein weiteres Argument, sondern ein persönlicher Angriff.

Wenn Fiducia Supplicans ein Wendepunkt ist, sollte berücksichtigt werden, dass Traditionis Custodes, das die Liberalisierung der Feier der traditionellen Messe widerrief, ein weiterer Wendepunkt war. Dann kündigte der Papst die Maßnahmen gegen Kardinal Raymond Leo Burke an, die zwar privat stattfanden, aber mit der Gewissheit, dass sie offengelegt würden. Es gab einen Rücktrittsantrag für Kardinal Angelo Becciu, weil der Papst ihm nicht traute. Die Zeit der Prozesse im Vatikan ist noch im Gange, jeder mit einer Geschichte, die erst noch definiert werden muss

Jede Handlung des Papstes scheint darauf ausgerichtet zu sein, einen Kontrast zwischen dem, was vorher war, und dem, was jetzt in der Kirche geschieht, herzustellen. Angenommen, es gäbe keinen echten Wahlkampf für seine Wahl. Eine Medienkampagne unterstützte diese Linie jedoch seit Beginn des Pontifikats, und es ist verständlich, warum. Es erfordert Ausgeglichenheit und auch Verstehen, die Fakten zu lesen. Und man kann mit gutem Gewissen weder sagen, daß vor Papst Franziskus in der Kirche alles gut gelaufen sei, noch daß alles korrupt, rückständig oder nicht auf der Höhe der Zeit gewesen sei.

Wenn der Papst auf seine Wahl zurückkommt, dann deshalb, weil mit seiner Wahl auch ein Reformauftrag verbunden war, den er für sich beansprucht. Auf die Wahl zurückzukommen bedeutet jedoch auch, sich an die Themen zu erinnern, die bei den Treffen der Kardinäle zur Sprache kamen, die alle schockiert waren, weil sie sich einem Szenario stellen mussten, das sie nie vorher gesehen hatten: dem Rücktritt eines Papstes.

Es gab die Vorstellung, daß der Verzicht auf Korruption zurückzuführen sei. Dies war auf einige komplexe Situationen zurückzuführen, auch wenn sie in den Medien – insbesondere in den italienischen Medien – überbetont wurden, wie beispielsweise die Aussetzung der Zahlungen an Geldautomaten im Vatikan, und auf eine solide Medienkampagne, die alle darauf abzielten, die Souveränität des Heiligen Stuhls anzugreifen. Es handelte sich um eine Kampagne, die Finanzfragen berührte und im italienischen Kontext entstand, gerade weil der Heilige Stuhl seine Beziehungen zu Italien aufgegeben hatte, europäisch und international geworden war und sein Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche entwickelt hatte.

Das klingt alles technisch und das ist es auch. Aber gerade aus dieser Kampagne entstand die Notwendigkeit einer narrativen Veränderung im Hinblick auf den Verzicht. Wir erinnern uns nicht mehr an den Einfluss der Kirche auf die Welt von Benedikt XVI., die von der Financial Times veröffentlichten Enzykliken, die Debatten auslösten und auch in säkularen Buchhandlungen verkauft wurden. Die Angriffe erfolgten, weil die Kirche autoritär und unabhängig ist. Dennoch besteht die Auffassung, daß die Kirche ihr Image ändern muss, wenn sie nicht erneut in den Fleischwolf der Medien geraten will, wie es 2010 geschah, als am Vorabend des Priesterjahres immer wieder Fälle tatsächlicher bzw mutmaßlicher Missbräuche wie Pilze aus dem Boden schossen.

Bergoglio war bereits 2005 Kandidat und angenommen ein Tagebuch dieses Konklaves wäre bereits in den frühen Jahren von Benedikt XVI. veröffentlicht worden. In diesem Fall ist es in dieser neuen Situation leicht, ihn erneut als Kandidaten vorzuschlagen, mit der Notwendigkeit, einen Bruch zu fördern. Unter den Indiskretionen dringt ein kryptischer Satz durch: „Vier Jahre Bergoglio könnten reichen.“ Es ist ein Satz, der einen Hinweis gibt, aber nicht die Dauer des Pontifikats definieren kann. Wir befinden uns im elften Jahr seines Pontifikats und wahrscheinlich haben nur wenige mit den verschiedenen Wendepunkten gerechnet, die dieses Pontifikat erreichen würde. Vor allem glaubten nur wenige, daß Papst Franziskus sich durch das Pontifikat nicht verändern würde.

Aber so ist es: Bergoglio und Franziskus sind ein-und dasselbe; Der Ansatz ist immer pragmatisch und praktisch und führt zu der Entscheidung, Reformen spontan durchzuführen. Schließlich ist es eine elegante Möglichkeit, jedem die Möglichkeit zu geben, zu diskutieren, zu argumentieren und sogar zu reformieren und dann klar einzugreifen, auch wenn völlig gegensätzliche oder überraschende Positionen vertreten werden.

Das Pontifikat von Papst Franziskus geht nun in Richtung zunehmend spaltender Entscheidungen und mit Ansätzen, die sowohl aus diplomatischer Sicht einen Bruchpunkt mit der Tradition des Heiligen Stuhls markieren (siehe die jüngsten Erklärungen zur Lage in der Ukraine und im Heiligen Land, und wie er Chinas Position zur Ernennung von Bischöfen akzeptierte) als auch aus Regierungssicht

Vielleicht wird Papst Franziskus die Lehre nicht ändern, sondern Raum für vage Interpretationen lassen, damit jede noch so kleine Krise zu einer Gelegenheit für diejenigen wird, die eine neue Debatte eröffnen wollen und versuchen, die Säulen des Glaubens, der Lehre und der Disziplin in Frage zu stellen. Denken Sie daran, wie die Leute anfingen, über die Aufgabe des Priesterzölibats zu reden, und dabei sogar eine bekannte Geschichte benutzten: von einem Priester aus Avellino, der das Priesteramt verließ, weil er in eine Frau verliebt war.

Die Rückkehr zu diesem Konklave dient auch dazu, sich daran zu erinnern, warum Papst Franziskus gewählt wurde. Es bestand die Notwendigkeit, das Bild der Kirche zu verbessern, ja sogar zu revolutionieren. Letztlich steigerte das Pontifikat das Bild des Papstes enorm. Die Kirche gilt jedoch immer noch als voller Korruption und korrupter Menschen. Und um diese Vision zu überwinden, muss Papst Franziskus, wie er sagte, Entscheidungen "auf dem Altar der Heuchelei“ treffen.

Die Lektion des Konklaves von 2013 führt zum gegenwärtigen Szenario. Und die muss beim nächten Konklave bedacht werden. "

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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