In seiner heutigen Kolumne in Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die vor der Veröffentlichung der Autobiographie von Jorge M. Bergoglio bekannt gewordenen Ausschnitte.
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PAPST FRANZISKUS UND DIE BEDEUTUNG DES PONTIFIKATES
In den Auszügen aus der Autobiographie von Papst Franziskus, die letzte Woche in Italiens Corriere della sera veröffentlicht wurden, gibt es reichlich Wasser auf die Mühlen. Etwas fällt jedoch besonders auf: Papst Franziskus fühlt sich besonders durch die Behauptung "Franziskus zerstört das Papsttum" gekränkt.
Die Antwort des Papstes darauf ist: "Meine Berufung ist die des Priesters: Erstens bin ich Priester, ich bin Hirte, und Hirten müssen unter den Menschen sein.“ Der Vatikan ist die letzte absolute Monarchie in Europa, und diese Art zu argumentieren zu manövrieren wird dort häufig angewendet. . Dennoch müssen diese Muster endgültig aufgegeben werden."
Warum überraschen diese Äußerungen? Sie erklären die Art und Weise wie Papst Franziskus den Vaticans sieht und wie er versucht, ihn in Ordnung zu bringen. Mit den Worten des Papstes gibt es viele allgemeine Vorurteile darüber, wie die Welt des Vaticans ist- eine höfische Welt- voller Klatsch, die einen Bruch mit der Vergangenheit benötigt.
Natürlich bedarf es keines Experten, um die Gedanken des Papstes zu verstehen, Papst Franziskus hat sich wiederholt über den Terrorismus des Geschwätzes beklagt und mit dem Finger auf die "Krankheiten der Kurie" gezeigt und " eine -im Gegensatz der Kirche des Kirchenstaates nach draußen gehende Kirche verlangt.
Im Buch erklärt Franziskus, daß es im Konklave von 2013 "einen großen Wunsch nach einer Änderung des Dinge gab, danach bestimmte Haltungen aufzugeben, die unglücklicherweise heute immer noch gegen ihr Verschwinden kämpfen".
"Es gibt immer jene, die versuchen Reformen zu verlangsamen" sagt Papst Franziskus" jene, die lieber in den Zeiten des Papst-Königs bleiben möchten." Ist das wirklich so? Liegen die Dinge wirklich so?
Vor allem- hat sich unter Franziskus wirklich irgendetwas geändert? Im allgemeinen wird gesagt, daß Rom immer eine höfische Umgebung war. Die Chroniken zeigen, daß die Päpste auf unterschiedliche Weise in die Entscheidungsfindung für das Leben der Kirche eingebunden waren.
Keiner hat sich wirklich wie ein Papst-König verhalten. Tatsächlich war die Aufgabe die Entweltlichung , sich neuen Formen der Regierung zu öffnen und einige Erblasten der Vergangenheit neu zu definieren. Johannes XXIII gab bald die höfischen Schemata auf , um zu besseren Diskussionen beim II,Vaticanischen Konzil zu ermutigen. Paul VI hat die Strukturen des Päpstlichen Haushaltes selbst reformiert,um sie der Zeit anzupassen. Johannes Paul II hat ebenfalls eine kollegiale Leitung für den Vatican-Staat bestimmt.
Alle Päpste haben intensiven Gebrauch von privaten oder öffentlichen Konsultationen und Konsistorien gemacht, um allgemeine Themen mit ihren Kardinälen zu diskutieren. Der Vatican wurde einfach als Hof definiert, weil er auf eine bestimmte Weise strukturiert war, wie der Hl. Stuhl sich selbst der Welt präsentiert. Er ist eine Welt der Symbole, in der alles seinen Platz hat und etwas über die Institution aussagt, die sie repräsentiert.
Es kann Risse in dieser Welt geben, ein lausiges Management und sogar Abschottungen gegenüber der Außenwelt. Der Punk ist, daß nichts dem Zufall überlassen wird.
Nichts davon unterstützt die Schlußfolgerung, daß die Strukturen als überholt betrachtet werden sollten- viel weniger als irrational. Tatsächlich ist vielleicht genau die Unfähigkeit der Verantwortlichen, die eigentliche Symbolik ihrer eigenen Organisation zu verstehen, die zur Entstehung dieses Problems beigeträgt.
Wenn es um den Hof geht, setzt Papst Franziskus die Sprache des Heiligen Stuhls herab, reduziert sie auf ein Erbe der Vergangenheit, das nicht mit der Vergangenheit übereinstimmt, und schafft so tatsächlich einen Bruch.
Aber gleichzeitig nutzt er dieselben Instrumente zur Reformierung und schafft einen eigenen Hof – einen anderen Hof– vielleicht informeller, aber immer noch ein Hof. Der sogenannte C9-Rat der Kardinalberater ist eine Mischung aus "Küchenkabinett“ und geheimen Rat und auf jeden Fall nur eine Gruppe von Leuten, die sich um den Papst versammelt haben.
Die Tatsache, daß diese Menschen ständig wechseln, wirkt nur gegen die Kontinuität und begünstigt eine Zentralisierung der Vorrechte des Papstes. In der modernen Geschichte gab es keinen Papst, der mehr Papst-König war als Franziskus, der alle päpstlichen Vorrechte genutzt hat, mit Notstandsgesetzen oder persönlichen Gesetzen (dem mittlerweile berühmten Motu proprio) und "synodalen“ Entscheidungen.
Der Papst beklagt sich darüber, daß ihm vorgeworfen wird, das Papsttum zerstört zu haben, aber in Wirklichkeit versteht er die tiefe Wurzel der Kritik nicht, die nicht ihn betrifft, sondern die Rolle des Papstes gegenüber der Rolle des Heiligen Stuhls und wie diese von außen wahrgenommen wird.. Es ist eine Nuance, eine subtilere Frage, die der Papst jedoch ad absurdum führt, so als ob er als der Papst gehalten würde, der die Institution des Pontifex ruiniert habe. Das war nie die Kritik, und wenn es solche Kritik gegeben hat, war sie zweifellos nicht angemessen nuanciert.
Es gibt jedoch eine erkennbare Diskontinuität, die mit dem Wunsch von Papst Franziskus einhergeht, seinen eigenen Standpunkt durchzusetzen. Weil der Papst entscheidet, muss man zwangsläufig mit dem Papst übereinstimmen, und man darf nicht behaupten, daß beispielsweise manche Entscheidungen immer noch einen klaren Bruch mit der Vergangenheit bewirken. In der Geschichte der Kirche hat es nie klare Brüche gegeben; Es gab immer eine historische Kontinuität, die auch in den großen Zeiten der Reformen nie versagt hat. Gleichzeitig gab es immer eine Diskussion.
Wenn man über den Widerstand gegen die Reform spricht, teilt man zwangsläufig in ein "wir“ und ein "sie“ auf. Es entsteht nicht nur ein Hof, sondern ein echtes Team, das die Reform verteidigt. Das Problem mit Franziskus´ Pontifikat besteht mit anderen Worten darin, daß es einen großen Beitrag dazu geleistet hat, das Papsttum selbst – die Institution des Papstes von Rom – in eine bloße Parteimacht innerhalb der Kirche zu verwandeln, die politisch handelt, und das weitgehend so, genau die Praxis der "Politik“ zu verteufeln, die angeblich das institutionelle Leben des Papsttums geprägt hat
Das ist vielleicht einer der großen Widersprüche des Pontifikats: es will neu sein, aber alte Werkzeuge nutzen und Dinge, die zur Tradition der Kirche gehören, als neu darstellt. Nicht, da? es keine Probleme zu lösen und zu verbessern gäbe. Im Konklave 2013 war dieser Wunsch nach Erneuerung spürbar oder wurde zumindest von Journalisten wahrgenommen. Es stimmt aber auch, daß der Wunsch nach Erneuerung vor allem funktionaler Natur war; Es handelte sich um eine Erneuerung der Strukturen, was nicht bedeutete, die Institution zu zerstören und von Grund auf neu aufzubauen. Es mussten funktionale Anpassungen vorgenommen werden, die jedoch mit einem notwendigen Mentalitätswandel einhergingen.
Papst Franziskus fordert einen Mentalitätswandel, aber die Mittel, die er einsetzt, sind stattdessen die politischen eines Papstes, der alle Entscheidungen trifft und sich darüber beklagt, daß diejenigen, die sie kritisieren, ihn nicht verstanden haben. Tatsächlich wirft er jeder möglichen Kritik Rückwärtsgewandtheit vor.
Der Papst ist zwar in erster Linie dazu berufen, Priester zu sein. Allerdings ist es auch wahr, daß seine erste Aufgabe darin besteht, die Einheit der Kirche zu gewährleisten. Denn wer wird jemals wissen, wo das Zentrum ist, wenn das Zentrum in die Vororte übergeht? Und gibt es dann eine Peripherie in der Kirche? Denn wo die Eucharistie ist, gibt es keine Peripherie: Es gibt immer das Zentrum der Kirche."
Quelle: A.Gagliarducci, Monday at the Vatican
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