Mittwoch, 3. Juli 2024

Der Intriganten-Stadl im Vatican - oder die causa Milone versus Becciu

Phil Lawler kommentiert bei catholicculture den Appell des entlassenen General-Revisors Milone an den Vaticanischen Gerichtshof, seinen erzwungenen Rücktritt als unrechtmässig zu erklären.
Hier geht ´s zum Original: klicken

"ENTLASSENER VATICANISCHER REVISOR APPELLIERT AN GERECHTIGKEIT"
    
In dieser Woche hat der frühere Vaticanische General-Revisor seinen Antrag wiederholt, um ein Vaticanisches Gericht davon zu überzeugen, daß er zu Unrecht aus seiner Stellung entlassen wurde - in einem Fall, der droht weitere Beweise für Korruption in den Vatican-Finanzen zu liefern.

Libero Milone, der erste General-Revisor, dessen Ernennung 2015 als Kernpunkt der Finanzreformen unter Papst Franziskus herausposaunt wurde, wurde im Juni 2017 abrupt von seinem Posten entlassen. Milone bezeugt, dass er gezwungen wurde, zurückzutreten- damals mit der Drohung des damalivgen Erzbischofs Angelo Becciu, dass er sonst einen Kriminalprozess erwarten müsse. 

Im Dezember 2017 wurde genau dieser Prälat - jetzt Kardinal Becciu- wegen finaziellen Fehlverhaltens von einem Vatican-Gericht verurteilt wurde, in einem Verfahren, das allgemein als "Vatican-Prozess des Jahrhunderts" bekannt wurde. Beccius Verurteilung schien den Fall der früheren General-Revisors zu stärken. Aber genau einen Monat später wies ein Vatican-Gericht die von Milone und seinem früheren Stellvertreter Ferruccio Panicco eingereichte Klage wegen der unzulässigen Entlassung zurück. 

Am 3. Juli wird Milones Anwalt diese Entscheidung anfechten. Der frühere General-Revisor schwört, dass er diesen Fall weiter führen wird- wenn nötig bis zum Europäischen Menschenrechts-Tribunal, um Gerechtigkeit zu erlangen. 

"Ich habe immer versichert"  sagt Milone, "daß wir entlassen wurden, wegen dessen, was wir herausfanden, weil wir unseren Job professionell, ethisch und korrekt innerhalb der Leitlinien der General-Auditor-Statuten gemacht haben. Er kann substantielle Beweise zitieren, um seine Behauptung zu unterstützen. 

Fall abgewiesen 

Als Milones plötzliche Entlassung die Vatican-Journalisten (und offenbar auch vaticanische Top-Offizielle) überraschte,  versuchte Erzbischof Becciu zu erklären: "Milone hat gegen alle Regeln verstoßen und hat das Privatleben seiner Vorgesetzten und seines Mitarbeiterteams ausspioniert- mich selbst eingeschlossen. Wenn er nicht eingewilligt hätte, zurückzutreten, hätten wir ihn aus strafrechtlicher Sicht angeklagt." Der Leiter der Vaticanischen Gendarmerie Domenico Giani stimmte ein: "Gegen Milone gibt es unwiderlegbare, offensichtliche Beweise". 



Bis heute sind diese Beweise nicht vorgelegt worden- nicht einmal der angeklagte Milone ist darüber informiert worden. daß ein "Dokument 61" das seine angeblichen Verfehlungen detailliert aufzählt, nicht freigegeben werden kann, weil es unter "Pontifikalem Geheimnis" steht. 

Milone bekam im Mai 2018 eine gewisse Erleichterung, als der Staatsanwalt des Vaticans in informierte, das er keine Strafverfolgung anstrebe; der Fall wurde geschlossen. Ausgestattet nut dieser Versicherung appellierte der frühere  General-Revisor an Kardinal-Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin und bat um eine Regelung, die seinen Namen reinwaschen sollte. Er schrieb auch an Papst Franziskus-sieben mal- und bat um eine Chance, sich zu seinem Fall zu äußern; er bekam keine Antwort. 

Nachdem die Regelungs-Gespräche zu nichts führten, und Milone rechtliche Schritte überlegte, nahmen die Vatican-Offiziellen die harte Linie wieder auf. Im Mai 2022 - vier Jahre nachdem ihm gesagt wurde, dass der Fall gegen ihn geschlossen war- wurde Milone informiert, daß der Staatsanwalt seine Untersuchungen wieder aufgenommen hatte. Und immer noch wurde dem früheren General-Revisor keinerlei eelege irgendeines Beweises ausgehändigt, die mögliche Anschuldigungen stützten. 

Im Dezember 2022 reichten Milone und Panicco, der sein Stellvertreter gewesen war, Klage gegen das vaticanische Staatssekretariat ein, mit der Beschuldigung, dass sie zu Unrecht entlassen wurden. Nach langem Warten- währenddessen der "Prozess des Jahrhunderts" stattfand-  lehnte der Vatican diesen Fall im Januar2024 ab, mit der Begründung daß das Staatssekretariat nicht für ihre Entlassung verantwortlich war. Das Gericht zitierte Milones eigene Aussage, daß er unter Druck von Becciu und Giani zurückgetreten war und schloss daraus, daß das Staatssekretariat "deshalb nicht verantwortlich gemacht werden könne."

Aber Erzbischof Becciu handelte zu der Zeit als Substitut: stellvertretender Staatssekretär. Er teilte Milone mit, dass der Papst sein Vertrauen in den General-Revisor verloren habe. Später bezeugte er in seinem eigenen Prozess, daß "es der Papst war, der mich bat, Milone einzuberufen und der sagte, es täte ihm leid, mir die undankbare Aufgabe zuzuweisen, Milone zum Rücktritt aufzufordern."

Trotz dieser anscheinend klaren Beweislage,  erklärte das Gericht, dass insofern er Milone zum Rücktritt drängte, er als Privatperson gehandelt habe. Aber eine Privatperson hätte nicht die Autorität gehabt, den General-Revisor zu entlassen, der direkt dem Pontifex berichtete und auf Basis eines Übereinkommens eingestellt wurde, das von Staatssekretär Parolin unterzeichnet wurde. 

Milone weist auch darauf hin, daß als Giani seinen Rücktritt verlangte, der Leiter der Gendarmerie hilfreich einen Rücktrittsgesuch produzierte, den Milone unterschreiben sollte. Als Polizei-Offizieller hätte Giani Strafanzeige erstatten können, aber ihm fehlte ganz sicher die Autorität, Gianis Rücktritt zu fordern.

Angesichts der wirren juristischen Argumente bedauert Milone: ​​„Das lässt Zweifel aufkommen, ob es im Vatikanstaat jemals echte Gerechtigkeit geben wird.“

Der Wirtschaftsprüfer trifft auf Hindernisse

Libero Milone hatte als Wirtschaftsprüfer eine eindrucksvolle Karriere gemacht, bevor er in den Vatican kam. Er hatte im UK und in den USA studiert und gearbeitet und war Partner von Deloitte Global in Italien geworden.

Als er angesprochen wurde, die neu eingerichtete Stelle eines General-Revisorsim Vatican zu übernehmen, war er zunächst zögerlich, weil er den unglücklichen Ruf des Vaticans wegen seines schlampigen Finanz-Managements kannte. Aber er war überzeugt, dass er nach Jahren lukrativer Tätigkeit- der Katholischen Kirche einen großen Dienst erweisen konnte, indem er rigorose Standards einführte.

Als er den Job übernahm, hatte Milone einen 5-Jahresvertrag- die legale Versicherung, dass er direkt dem Papst berichten würde und die starke Unterstützung durch den inzwischen verstorbenen Kardinal George Pell, der seine eigene Aufgabe, Ordnung ins Wirtschafts-Sekretariat zu bringen, sehr ernst nahm.

Der Job war beeidruckend. Als er anfing die Vatican-Agenturen zu prüfen, fanden Milone und sein Team reichlich Beweise für Nachlässigkeit.und schlimmer: finanzielle Transaktionen, die mit Bleistift auf lose Zettel geschrieben sind, Vatican-Büros, die Bargeld in riesigen Säcken sammelten, Fonds die für bestimmte Zwecke gestiftet wurden, aber für andere genutzt wurden, manchmal vielleicht unschuldig, manchmal sicherlich nicht. Er traf sich alle zwei oder drei Wochen mit Papst Franziskus und berichtete ihm, was er gefunden hatte und sagt, dass der Pontifex ihn immer unterstützte. Er erinnert sich, das der Papst bei mehr als einer Gelegenheit für einen Vatican-Mitarbeiter von Rang knapp anordnete die Fonds wieder herzustellen, die er sich fälschlicherweise zu seinen eigenen Nutzen angeeignet hatte.

Aber wie Kardinal Pell, traf auch Milone als Wirtschaftsprüfer auf Hindernisse. Einige Vatican-Büros - besonders das Staatssekretariat- widerstanden seiner Forderung nach Dokumenten über die Ausgaben. Die Schlacht zwischen Möchte-gern-Reformern und Bürokraten der Alten Garde erreichte 2016 ihren Höhepunkt, als Erzbischof Becciu in seiner Rolle als Substitut einseitig die externe Prüfung durch PricewaterhouseCoopers kündigte. Auf dem Papier hatte Becciu nicht die Autorität, diese Revision zu stoppen, die von Kardinal Pellund dem Wirtschaftsrat genehmigt worden waren. Dennoch blieb Beccius Entscheidung bestehen.

Die internen Konflikte waren frustrierend,dennoch ging die Arbeit des Revisors weiter und brachte Beweise für tiefergehende Probleme in Rom zutage. "Als Wirtschaftsprüfer" berichtet Milone " haben wir eine Anzahl von skandalösen Dingen aufgedeckt, z.B. dass der Vatican zu den Gross-Aktionären des Unternehmens gehörte, die Abtreibungs-Pillen produzieren und den Sloane Avenue-Immobilien-Skandal".(Der letzte ist die katastrophale Investition durch das Staatssekretariat, die den Weg zum "Prozess des Jahrhundert" ebnete.)

Die Wirtschaftsprüfer gruben auch Fälle von Vertuschung und Missbrauch von Fonds, illegaler s-Abkommen, nachlässigen oder fehlenden Inspektionen, unautorisierten Abhebungen grösserer Summen, Gefälligkeitsverträgen und Lücken in Sicherheit und Vertraulichkeit.

Spion versus Spion?
Es war vielleicht ironischerweise, daß eine Sicherheitslücke zur Eskalation des Konfliktes zwischen dem Büro des Wirtschaftsprüfers und dem Staatssekretariat führte. Im September 2015 fand Milone Beweise dafür, dass seine Büro-Computer gehackt worden waren. Er stelle einen externen Berater ein, der das Ausmass dieses Hackings untersuchen sollte, und den Rat eines Experten für die Büro-Sicherheit liefern sollte. Zur gleichen Zeit bat er den Berater, ihn mi Informationen über die Verwaltungsakten einiger Italiener zu verschaffen, die bei seiner Arbeit an den Vatican-Akten nützlich waren.

Zwischen seinen Berichten bot der Wirtschaftsprüfer auch die Information an, dass Erzbischof Becciu seiner Sozialversicherung Geld schuldete. Milone sagt, dass er kein Interesse an dieser Tatsache gehabt, nicht nach dieser Information gefragt habe, er sagt sie sei für seine Arbeit für den Vaican irrelevant gewesen. Aber er fühlte sich verpflichtet, die Information in einer Whistleblower-Akte zu verwahren, ohne sie je zu veröffentlichen. Dennoch beschuldigte Becciu ihn als er ihn Monate später konfrontierte beschuldigte, diese Information illegal erworben zu haben. Ausserdem wussten die Mitarbeiter der Gendarmerie als sie Monate später Milones Büro durchsuchten, wo sie den Ordner mit Beccius Sozialversicherungs-Status finden konnten. Wie fand diese Information, die in Milones Aktenschrank verschlossen war ihren Weg zu Becciu?

Milone hat eine mögliche Antwort auf diese beunruhigende Frage.Nach seinem Abgang überreichte Erzbischof Becciu einem Assistenten Rechnungen desselben externen Beraters und sagte, diese seien Beweise für Milones Spionagetätigkeit. Doch Milone beharrt darauf, dass er seinen Vertrag mit dem Berater gekündigt habe und es keine Beweise dafür gebe, dass der Berater im Auftrag des Rechnungshofs gearbeitet habe. War er also vielleicht für Becciu tätig?

Der Konflikt kann auf ein Paar passender Klagen zusammengefasst werden. Erzbischof Becciu beschuldigt Milone gegen ihn spioniert zu haben. Milone glaubt, dass Becciu das Büro des Revisors ausspioniert habe. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied. Der Job des Wirtschaftsprüfers ist es, Beweise für die finanziellen Transaktionen der von ihm geprüften Büros zu finden. Ist das Spionieren?Als er die Entlassung Milones kommentierte,sagte Kardinal Pell "Sie haben nie verstanden, dass er nur geprüft und einen guten Job gemacht hat."

Ernsthafte persönliche Schäden - und mehr

Im Oktober 2019 nachdem die Vaticanische Gendarmerie die Büros des Staatssekretariates durchsucht hatten, in einem sensationellen Höhepunkt, der zum "Prozess des Jahrhunderts" führte, trat der Leiter der Gendarmerie Domenico Giani zurück. Die Gründe für seinen Rücktritt sind nie ausreichend erklärt worden. Dann wurde Kardinal Becciu im vergangenen Jahr wegen finanziellen Fehlverhaltens verurteilt. So haben die beiden Hauptankläger Milones ihre Glaubwürdigkeit verloren.

Aber Milone selbst hat unter einer Wolke "ich kann keine Arbeit finden" wie er sich beklagt, "weil mein Ruf ersnthaft beschädigt wurde, wegen etwas, was ich nicht getan habe."

Für Feruccio Pannico. seinen früheren Stellvertreter, waren die Konsequenzen seines hastigen Rauswurfs aus dem Vatican sogar noch ernster. Als sein Büro von der Gendarmerie durchsucht wurde, wurden alle seine Unterlagen beschlagnahmt, einschliesslich des Ordners über die medizinische Behandlung seiner Prostata-Probleme. Trotz mehrfacher Anfragen wurden die Akten nie zurückgegeben. Ergebnis davon war, dass als er medizinische Betreuung in einem neuen Medizinischen Zentrum suchte, die Ärzte einige Zeit brauchten um Paniccos Diagnose zu stellen, eine bösartige Form von Prostata-Krebs. Vor seinem Tod im vergangenen Jahr im Alter von 9 Jahren, sagte Panicco "Ich schätze, dass die Verzögerung des Diagnose mindestens 12 Monate gekostet hat und ich glaube, dass ohne diese Verzögerung der Diagnose noch Zeit genug gewesen wäre, um nicht eine unheilbare Krankheit zu bekommen."

Quelle: Phil Lawler. catholicculture

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die nach der DSGVO nötige Zustimmung, dass dieser, im Falle seiner Freischaltung, auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger« Software vorgegeben ist, dass Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie diese angeben, ebenfalls gespeichert wird. Daher stimmen Sie, sofern Sie Ihre email Adresse angeben, einer Speicherung zu. Gleiches gilt für eine Anmeldung als »Follower«. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars wünschen, können Sie dies, unter Angabe des Artikels und Inhalt des Kommentars, über die Kommentarfunktion erbitten. Ihr Kommentar wird dann so bald wie möglich gelöscht.