In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci über die Bemühungen des aktuellen Pontifikates sicherzustellen, daß seine "Reformen" nicht mit ihm enden.
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"PAPST FRANZISKUS: UNTERWEGS ZU EINEM NEUEN VATICAN?"
Motus in fine citius, die alten Physiker würden sagen "am Ende beschleunigt sich die Bewegung". Schriftsteller benutzen das, wenn sie auf scherzhafte Weise sagen wollen, daß die Zeit selbst sich zu verdichten scheint und sich deshalb in Krisenzeiten schneller zu bewegen scheint- besonders in Zeiten einer finalen Krise. Wenn das generell zutrifft, paßt diese Maxime auch auf das Pontifikat von Papst Franziskus- wann immer sein Ende kommt.
Das heißt nicht, daß Franziskus´ Pontifikat sich seinem Ende nähert. Es gibt keine Nachrichten von einem bevorstehenden Tod des Papstes oder von einer möglichenAmtsverzicht. Das wäre Spekultation. Es ist offensichtlich - der Papst hat es fast wörtlich gesagt- daß Papst Franziskus alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, daß seine Reformen seine Regierungszeit überdauern, wenn sie endet.
In der Ära nach Franziskus wird alles anders sein.
Das geht auf Kosten nicht nur von Jahrhunderten Geschichte sondern auch der Struktur des Hl. Stuhls und des Vaticans und gleichzeitig des Papsttums selbst.
Schließlich hat Papst Franziskus zu Beginn seines Pontifikaters in der Apostolischen Exhortation Evangelii Gaudium und in diversen Statements davor gewarnt. sich hinter "das haben wir immer so gemacht" zu verstecken. Das ist eine gute Methode- oder kann es sein, aber sie muß ausgewogen sein. Tradition, Strukturen,Gesetze - im Grunde alles, was Papst Franziskus ausdrücklich oder nicht ausdrücklich als Teil des päpstlichen "Hofes" charakterisiert hat. und deshalb zerstört oder zur Zerstörung vorgesehen wurde- sind auch ein Instrument des Schutzes, Wege die der Institution helfen, dem Hl. Vater Einheit, Gelichgewicht und Recht aufrecht zu halten.
Nachdem das gesagt ist, haben drei Ereignisse der vergangenen Woche gezeigt, daß die Dinge sich schneller bewegen:
- Die Veröffentlichung der neuen Ordnung für das Papst-Begräbnis (die wurde nur von den offiziellen vaticanischen Nachrichtenkanäle angekündigt, aber noch nicht ganz für die Öffentlichkeit zugänglich ist).
- Die Ernennung eines einzigen Verwalters für den Vaticanischen Pensions-Fond -in der Person von Kardinal Kevin Farrell.
- Die Erennung des rechtmäßigen Oberhaupts der Diözese Rom, Pater Renato Tarantelli Baccari, zum neuen Stellverteter des Vikars der Diözese Roms.d.h. Vertreter des Vikars des Papstes für die Diözese Rom, Erzbischof ( und baldiger Kardinal) Baldassare Reina.
Das scheinen drei unzusammenhängende Fakten zu sein. In der Realität bedingen sie sich gegenseitig.
Die Veröffentlichung des Begräbnis-Rituals stellt den Wunsch von Papst Franziskus sicher aös der Papst in die Geschichte einzugehen, der den Gedanken des Papstes als Souverän anschaffte sondern die Idee von Papst als Hirten betonen wollte. Das ist keine Kaffeesatz-Leserei sondern das, was der päpstliche Zeremonienmeister Erzbischof Diego Giovanni Ravelli Vatican News mitgeteilt hat.
Deshalb findet die Todes-erklärung nicht mehr in dem Raum statt, in dem der Papst starb, sondern in der Privatkapelle- in die der Verstorbene zunächst gebracht wird. Dann muß sein Tod bestätitgt werden.was Probleme verursacht, wenn der Papst nicht direkt in der Nähe der Kapelle stirbt. Die traditionellen 3 Särge werden abgeschafft und der Papst wird nicht mehr auf einem tragbaren Katafalk - dem sog. cattaletto- aufgebahrt- sondedrn von Anfang an im Sarg, was es den Gläubigen schwer macht, ihn zu sehen. Das Ritual wird vereinfacht, obwohl es im Wesntlichen gleich bleibt. Es ist in drei Phasen unterteilt. aber ohne Aufbahrung des Papstes im Apostolischen Palast.
Das alles soll zur Idee vom Papst als einem Hirten führen.
Es bleiben jedoch die Novemdiales, die neuntägigen Trauer- und Fürbittenmessen, die ab der Beerdigung des verstorbenen Papstes gefeiert werden. Diese werden traditionell verschiedenen Gruppen anvertraut, darunter der päpstlichen Kapelle und dem Klerus von Rom und den vatikanischen Dikasterien, und zeugen von der Vielschichtigkeit der päpstlichen Funktion. Schließlich auch der des Staatsoberhaupts. Und niemand schafft das Protokoll ab, das es Königen und Regierungen erlaubt, zur Beerdigung des Papstes zu kommen.
Stattdessen geht die große Idee des Todes des Papstes verloren, der öffentlich sein muss, weil er von der christlichen Ergebung in den Tod zeugen soll. Nach seinem Tod wird der Papst ausgestellt, damit die Gläubigen ihn ehren und die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens erkennen können. Tatsächlich verlangt der Ritus der Firmung, dass der verstorbene Papst bei seinem Taufnamen und nicht bei seinem Papstnamen genannt wird.
Jede Vereinfachung bringt letztlich eine inhaltliche Entleerung mit sich, es sei denn, die Vereinfachung hat tiefe Wurzeln. Tatsächlich gab Erzbischof Ravelli zu, dass einige Teile des Ritus gestrichen wurden, weil sie schwer zu koordinieren waren. Es ist das Eingeständnis des Endes einer vatikanischen Welt, der Unmöglichkeit dieser neuen Welt, eine Tradition und Geschichte fortzuführen, weil sie sie einfach nicht mehr kennt. Dies ist nicht die Folge des Pontifikats. Wenn überhaupt, ist das Pontifikat die Folge dieses Geschichtsverlusts.
Von Anfang an hat Papst Franziskus als störendes Element gewirkt. Er hat eine Erzählung der Störung gepflegt. Es wurde sogar gesagt, dass der Papst, als er sich weigerte, die rote Mozzetta zu tragen, bevor er nach der Wahl auf den Balkon der Segnungen trat, sagte: „Die Zeit des Karnevcals ist vorbei.“ Das ist eine dieser römischen Apokryphen. In seiner Weigerung, die Mozzetta zu tragen, lag jedoch auch ein Missverständnis eines Gewandes, das nicht die weltliche Macht des Papstes symbolisiert.
Das Rot, das die Päpste trugen, war den kaiserlichen Insignien entlehnt und von ihnen übernommen worden, aber die Päpste trugen es mit Absicht: Sie wollten zeigen, dass die vom Christentum verkündete und genährte Zivilisation der Liebe das neue Reich ist, das die weltlichen Mächte übertrifft.
Das Pontifikat hat jedoch mit pragmatischen Vorschlägen Fortschritte gemacht. Dazu gehört eine Wirtschaftsreform, die eine Revolution sein sollte. Es wurden mehrere Initiativen ins Leben gerufen: ein Prozess zur finanziellen Transparenz, der bereits auf europäischer Ebene Anerkennung gefunden hatte, ein sehr fortgeschrittenes Screening-Verfahren für die Konten des IOR (der Vatikanbank) und auch eine Reform der Präfektur für Wirtschaftsangelegenheiten, die als eine Art „Finanzministerium“ konzipiert wurde.
All dies wurde im Namen der Evaluierungskommissionen (zwei für Finanzen und zwei weitere für Kommunikation) und dann im Namen neuer Strukturen, darunter auch solcher mit teuren externen Beratern, abgesagt. In der Zwischenzeit führten die Beratungen und die Bedürfnisse auch zu spekulativeren Entscheidungen. Es bestand die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, um die Finanzen des Heiligen Stuhls auf den neuesten Stand zu bringen. Nachfolgende Entscheidungen widerlegten den Ansatz, und angesichts der Probleme schob man die Schuld den Ausführenden zu.
Die Reformen in Form einer Revolution haben die finanzielle Situation verschlechtert, und COVID versetzte den letzten Schlag, da der Lockdown die liquiden Einnahmen aus den Vatikanischen Museen einstellte. Das Ergebnis ist folgendes: Vor zehn Jahren sprach Kardinal Pell bei der Vorstellung des Wirtschaftssekretariats über den Pensionsfonds und betonte, dass „der Heilige Stuhl nicht pleite“ sei und dass die Renten der nächsten Generation sicher seien, der Fonds jedoch reformiert werden müsse, um die nachfolgenden zu garantieren.
Jetzt hat Papst Franziskus genau zehn Jahre später einen Kommissar für den Pensions.-Fond ernannt und es ist ein Zeichen, daß die Reformen noch durchgeführt werden müssen oder sie haben nicht funktioniert.
Die Vatican-Mitarbeiter hätten vorsichtiger sein können. Sie hätten die bestehenden Reformen weiterführen können anstatt neue einzuführen, die ein Wachstum blockieren. Es hätte genügen können, nicht einen Bruch herbeizuführen. Die Tatsache, daß ein einziger Kommissar gebraucht wird. bedeutet, daß ein Notfall vorliegt-
Dass der alleinige Kommissar zugleich Präfekt eines Dikasteriums und Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche ist, lässt auf eine Herangehensweise schließen: Der Papst betrachtet die gewöhnliche Verwaltung nach seinem Tod als rein ökonomische Angelegenheit, und der Papst vertraut nur sehr wenigen Menschen.
Auf Farrell wartet eine anspruchsvolle Aufgabe.
Er sieht sich mit einer Wirtschaftskrise, der allgemeinen Veräußerung vieler vatikanischer Vermögenswerte, sogar der Idee, den vatikanischen Supermarkt zu verkaufen, und im Allgemeinen einem Verlust der finanziellen Souveränität konfrontiert, der durch die Tatsache bestätigt wird, dass der Heilige Stuhl seine wirtschaftliche Verwaltung zunehmend externen Unternehmen anvertraut, zufälligerweise fast immer italienischen. Zufälligerweise handelt es sich bei den Vatileaks-Prozessen, wenn man genau hinsieht, überwiegend um italienische Fälle. Und wieder zufällig ist das Urteil eines umstrittenen Prozesses wie des Becciu-Prozesses von italienischer Rechtsprechung unterwandert.
Angesichts des Verlusts der Idee des Papstes als Souverän sieht der Heilige Stuhl seine Souveränität untergraben, weil seiner praktischen Verwaltung eine tiefgründige Idee fehlt und sie nur auf Pragmatismus basiert. Nicht einmal das große Charisma eines Papstes kann diese Krise überwinden.
Das dritte Ereignis ist die Ernennung von Tarantelli Baccari zum steelvertretenden Verwalters der Diözese Rom.
Tarantelli half dem Papst bei der Reform des Vikariats, das den Vikar auf eine Stufe mit den anderen Weihbischöfen stellte – damals war der Vikar Kardinal Angelo de Donatis, der damals die Apostolische Pönitentiarie leitete. Tarantelli ist erst seit sechs Jahren Priester; er hat eine steile Karriere hingelegt.
Bei alledem verblüfft eine Tatsache: Papst Franziskus will die Weihbischöfe der Diözese Rom abschaffen. Er ernennt Bischofsvikare für die Stadtgebiete – und hat das Gebiet des historischen Zentrums abgeschafft und in die anderen eingebunden – und keiner von ihnen wird Bischof. Das ist paradox, wenn man bedenkt, dass die Diözese Rom unter Papst Franziskus bis zu acht Weihbischöfe hat.
Damit ist das Problem des neuen Vikars von Rom, der den anderen Bischöfen gleichgestellt wäre, gelöst. Papst Franziskus hat jedoch beschlossen, einen Vize-Generanten – einen weiteren Weihbischof – zu ernennen und ihn zum Erzbischof zu ernennen. Vielleicht ist die Interpretation der Entscheidung falsch oder voreingenommen, aber sie erscheint auch natürlich: Papst Franziskus belohnt diejenigen, die ihm treu sind, mit dem Bischofsamt.
Dies zeigt sich in der asymmetrischen Hierarchie des Papstes (ein Bischof ist Sekretär für die Glaubenslehre, einer nicht; ein Kardinal ist Propräfekt für die Neuevangelisierung, einer nicht) und in der Tatsache, dass alle, die der Papst in verantwortungsvolle Positionen bringen wollte, zu Bischöfen ernannt wurden. Das Bischofsamt wird zu einer Art „Preis“, wie ein Sergeant in einer Armee, die von einem General kommandiert wird. Gleichzeitig ist das Kardinalat zunehmend ein Ehrentitel und nicht eine besondere Karriere und Verdienstauswirkung.
Nun ist es klar, dass Papst Franziskus sich auf diese Weise von der alten Art und Weise distanziert, die Päpste zu regieren, indem er seine eigene Sprache verwendet. Aber es ist ebenso klar, dass er sich damit seinen eigenen persönlichen Hofstaat schafft, seine treuesten Anhänger, und das tut er außerhalb der Hierarchie oder der Funktionen. Der Papst will bei seiner Beerdigung nicht als Souverän auftreten, sondern als König auftreten, mit allem, was das mit sich bringt.
So hängen alle jüngsten Entscheidungen zusammen, so unterschiedlich sie auch sein mögen.
Wenn dann, wie gemunkelt wird, der künftige Kardinal George Koovakand zum Präfekten des Päpstlichen Hauses ernannt wird, schließt sich der Kreis. Das Päpstliche Haus wird nicht mehr die Familie des Papstes sein, sondern ein bürokratischer Organismus innerhalb der Kurie. Dies geschah bereits mit dem Apostolischen Almosenier, der zum „Dikasterium der Nächstenliebe“ wurde und damit den Sinn einer direkten Spende der Familie des Papstes verlor.
Die verworfene Sprache mag eine Frage der Semantik sein, aber das bedeutet, dass etwas Bedeutungsvolles weggeworfen wird. Sprache ist wichtig. Die Sprache, die Papst Franziskus über Bord geworfen hat, ist eine persönliche Sprache mit ihren eigenen Bedeutungen und Signalen. Paradoxerweise betont und festigt diese Bürokratisierung des Persönlichen und Vertrauten tatsächlich die persönliche Herrschaft, die ein Markenzeichen von Franziskus‘ Verhalten im Amt war.
Es ist, mit einem Wort, die Ausweitung des Persönlichen ins Offizielle. So wollte der Papst beispielsweise den Hof nicht, verschmähte aber die Ernennungen der Herren Seiner Heiligkeit nicht. In der jüngsten Runde zählte er sogar den Kommandeur und Vizekommandeur der vatikanischen Gendarmerie, Gauzzi Broccoletti und Giulietti, zu den neuen Herren
Wenn sie noch im Amt sind, müssen sie die Ankunft der Staats- und Regierungschefs weiterhin persönlich regeln. In Zukunft könnten sie dort bleiben, um die Staatsoberhäupter zu begleiten. Aber die Tatsache, dass sie bereits Gentglemen sind, zeugt von einem ziemlich skrupellosen Umgang mit Sprachen.
Man kann diesen Papst nur verstehen, wenn man versteht, dass jede vatikanische Sprache in irgendeiner Weise verwendet und umgestoßen wurde. Was Papst Franziskus hinterlassen wird, ist ein neuer Vatikan. Es ist teilweise wahr, dass alle Päpste dies getan haben. Es gibt etwas anderes in den Entscheidungen von Papst Franziskus, etwas, das mit der Neubedeutung der Rolle des Papstes zu tun hat, d. h. des Papsttums selbst und der Rolle des Papstamtes als solchem.
Die Risiken für die Zukunft sind sehr hoch."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican
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