Montag, 30. Dezember 2024

Zur Diplomatie von Papst Franziskus

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican befaßt sich Andrea Gagliarducci mit der Diplomatie von Papst Franziskus,  Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS : WIRD SEINE DIPLOMATIE DEN TEST DER ZEIT BESTEHEN?"

In seiner Urbi-et Orbi-Ansprache am Weihnachtstag hat Papst Franziskus seinen Aufruf zu einem Waffenstillstand für die Ukraine und Idas Heilige Land erneuert. Er hat auch einen Blick auf andere globale Krisen geworfen und speziell die jahrzehntelange sowohl reale als auch politiosche -also soziale- Teilung Zyperns erwähnt. Nie zuvor wurde Papst Franziskus´Diplomatie so auf die Probe gestellt wie win diesem Jubiläumsjahr.

Seine Position zu den Weltproblemen folgt den Erzählungen von Menschen  und setzt sich aus erinnerten Informationen zusammen. Der Papst erhält Berichte aus dem Staatssekretariat, unterhält eine direkte Beziehung zu den Nuntien (seinen Botschaftern ) die er periodisch empfängt und hat eine allgemeine Meinung zu den Dingen. 

Papst Franziskus unterliegt jedoch verschiedenen Einschänkungen, wo ein wirkliche diplomatisches Bemühen gebraucht wird.  Zunächst ist seine Art der Kommunikation begrenzt. Franziskus macht spontane und direkte Kommunikation zu seinem Kennzeichen, aber das kann nicht funktionieren, wenn jedes Wort gewogen werden muß. Jedes Wort, das ein Papsts- wer er auch sei- spricht, hat Konsequenzen und ruft Reaktionen hervor, einfach nur, weil der Papst es spricht- und das ist ein begrenzender Faktor (oder sollte es sein) . Schließlich gibt es beim Papst und für den Heiligen Stuhl Grenzen bei der Interpretation gegebener Situatrionen und für die Rolle, die der Heilige Stuhl auf dem Gebiet der Diplomatie spielen kann. 

Papst Franziskus´ Diplomatie befindet sich in einer kritischen Wegkreuzung, weil Papst Franziskus- mit einem Wort- weder diplomatisch spricht noch im üblichen Sinn des Wortes Diplomatie betreibt. 

Papst Franziskus hatte während seines 11-jährigen Pontifikates große diplomatische Erfolge und war hilfreich bei der Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba 2014.  Papst Franziskus erscheint manchmal als großer moralischer Führer und manchmal als religiöser Führer, der die Realität der Situation versteht und bei anderen Gelegenheiten als globaler Führer, der in der Lage ist, den Herausforderungen für die Welt- wie dem Klimawandel, zu begegnen.  

Die Bemühungen von Papst Franziskus haben jedoch dazu geführt, die päpstliche Mediation einzuschränken. Die Versuche, in Venezuel zu vermuitteln, sind gescheitert, obwohl der Papst zwei Spezial-Abgesandte geschickt hat. Die Kirche in Nicaragua erlebt eine massive Verfolgung, die auch durch wiederhiolte Aufrufe zun Sialog nicht beendet haben. Die Teilnahme der Kirche am nationalen Dialog in Nicaragua wird de facto sogar im Hinblick auf ihre bereits marginale Teilnahme zu Beginn der Krise in Land weiter geschwächt. 


Was die Ukraine betrifft, verfogt Papst Franziskus einen schwankenden Kurs.

Einerseits scheint er gegenüber der Position Rußlands mehr Sympathie entgegen zu bringen als man von einem globalen Katholischen Führer angesichts irgendeines Aggressors erwarten würde. Damit ist ganz entschieden nicht gesagt, dass Papst Franziskus die russische Aggression jemals gebilligt hätte. Tatsächlich war Papst Franziskus‘ erster Gedanke, zur Botschaft der Russischen Föderation beim Heiligen Stuhl zu gehen und um ein Ende der Angriffe zu bitten. Zu dieser Zeit gab es keinen ukrainischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, aber selbst als ein ukrainischer Botschafter kam, stattete der Papst dieser Botschaft keinen ähnlichen Besuch ab. Das führte zu einer Ungleichbehandlung. Papst Franziskus appellierte mehrfach an den Frieden in der Ukraine, traf sich mit der Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, berief ein abteilungsübergreifendes Treffen ein und empfing sogar das Oberhaupt der ukrainischen orthodoxen Kirche – ein nicht zu unterschätzendes Signal, weil es die lokale orthodoxe Kirche auf eine Stufe mit anderen orthodoxen Kirchen stellte, die sich gegen Moskau stellten.

Das alles scheint improvisiert und ziemlich verworren - es ist fast unmöglich zu sagen, wann oder wo die persönlichen Initiativen des Heiligen Vaters enden und die institutionellen diplomatischen Bemühungen des Heiligen Stuhls beginnen, oder ob überhaupt eine sinnvolle Unterscheidung zwischen ihnen besteht oder erfolgen sollte. Es handelt sich nicht um Teil einer langfristigen Strategie, sondern eher um das mehr oder weniger unmittelbare Ergebnis dessen, was der Papst an einem bestimmten Tag gehört hat und was er denkt.

Selbst bei der Situation im Heiligen Land ging Papst Franziskus nicht über Friedensappelle hinaus. Seine Diplomaten suchten nach einer Linie, die Israels Existenz verteidigen und Terroranschläge verurteilen konnte, während sie gleichzeitig jede übertriebene Reaktion verurteilten, die der Bevölkerung schadete. Während all dies geschah, setzte Papst Franziskus seine Friedensappelle fort und hielt einen direkten Draht zur Gemeinde in Gaza aufrecht, wo ein argentinischer Priester arbeitet.

Aber inwieweit ermöglicht uns ein direkter Draht zur Gemeinde, die allgemeine Situation, den Kontext und die Nuancen zu betrachten?

Papst Franziskus hat berichtet, dass Kardinal Pierbattista Pizzaballa, der lateinische Patriarch von Jerusalem, nicht in Gaza einreisen konnte. Die israelische Regierung reagierte sofort. Tatsächlich, so Israel, seien alle Genehmigungen erteilt worden. Pizzaballa war dann zu Weihnachten regelmäßig dort. Vielleicht hatte man dem Papst gesagt, dass der Patriarch erwartet wurde und aufgrund einiger Probleme noch nicht eingetroffen war, und der Papst dachte sofort daran, darüber zu berichten.

Ab und zu enthalten die Worte von Papst Franziskus wichtige Themen, die von der internationalen Welt ignoriert werden. Im Weihnachtsgruß „Urbi et Orbi“ wurde auf die Situation in Zypern verwiesen, dessen nördlicher Teil seit fünfzig Jahren besetzt ist.

Zypern ist Teil des Heiligen Landes. Der Krieg, den die Hamas am 7. Oktober letzten Jahres begann, hat die Insel zu einer Art Zufluchtsort für Flüchtlinge gemacht. Der türkisch besetzte Nordteil Zyperns läuft Gefahr, in einer zunehmend komplexen Situation zum türkischen Außenposten zu werden. Was wird der Papst tun? Wird er sich der Türkei zuwenden, wie er sich Russland zugewandt hat, um der aufstrebenden Macht zu schmeicheln? Oder wird er sich angesichts der letzten Mauer Europas auf die Seite Zyperns stellen und gegen dessen Besetzung kämpfen?

Kurz gesagt, der Diplomatie von Papst Franziskus mangelt es an verbaler Umsicht, an Kontext bei Erklärungen und manchmal auch an internationaler Vision. Die Kirche der Peripherien ist keine Kirche des Friedens, weil der Frieden, den man aus der Peripherie betrachtet, sich von dem Frieden unterscheidet, der angestrebt werden kann.

Angesichts der Rede von Papst Franziskus vor dem diplomatischen Korps am 9. Januar müssen wir über die Themen nachdenken. Die Rede wird ausgewogen sein, wie diese Reden immer sind, aber das Handeln des Papstes wird entscheidend sein. Und wie uns diese Jahre gelehrt haben, ist das Handeln des Papstes unvorhersehbar.

Letztendlich war, wie gesagt, der einzige rein diplomatische Erfolg von Papst Franziskus die Wiederherstellung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba. Allerdings fungierte die Kirche dort als Garant für zwei Staaten, die das Embargo bereits aufgehoben hatten. Die Kirche war jahrelang ein bevorzugter Kommunikationskanal zwischen den USA und Kuba gewesen. Papst Franziskus hat jahrelange Arbeit geerbt.

Papst Franziskus hatte in den Medien vor allem dann Erfolge, wenn er die Initiative ergriff. Papst Franziskus, der für seine Positionen zum Klimawandel und zu Migranten sowie zum Menschenhandel beliebt ist, versuchte, die Probleme der Welt wie immer anzugehen, d. h. mit persönlichen Entscheidungen und Sondergesandten (Zuppi in Russland und der Ukraine, in der Vergangenheit Celli und dann Tscherrig in Venezuela), aber ohne eine langfristige Strategie.

Wenn es um die wichtigen Themen geht, die die säkulare Welt heute beschäftigen, hören die Menschen und die Führer der Völker auf den Heiligen Stuhl. Wenn Papst Franziskus über Abtreibung spricht, die Genderideologie angreift oder die Familie verteidigt, könnte er genauso gut gegen eine Wand reden. Dem Heiligen Stuhl wird weniger zugehört, wenn er sich für den Frieden einsetzt.

Das Risiko besteht darin, dass der Heilige Stuhl nur als humanitäre Organisation eingesetzt wird.

Auch dies ist ein wichtiges Thema, und es wird in diesem Jubiläumsjahr und in dem, was Papst Franziskus einen „stückweisen Weltkrieg“ nennt, noch grundlegender sein. Das Thema der Souveränität des Heiligen Stuhls wird sogar innerhalb des Heiligen Stuhls selbst in Frage gestellt und – objektiv betrachtet – durch strukturelle Entscheidungen bezüglich der Regierung geschwächt, die dazu neigen, die Grenze zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Vatikanstadt zu verwischen – wie etwa die Prozesse in der Vatikanstadt mit fragwürdigen Gerichtsverfahren.

Wenn der Heilige Stuhl keine starke Souveränität besitzt, warum sollte er es dann wert sein, in der Versammlung der Nationen angehört zu werden?

Nach elf Jahren Pontifikat fangen die diplomatischen Herausforderungen des Pontifikats von Franziskus gerade erst an."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday  at the Vatican

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