Donnerstag, 18. Dezember 2025

Papst Leo XIV : Botschaft zum Weltfriedenstag

Der Hl. Stuhl hat die Botschaft des Hl. Vaters zum kommenden Weltfriedenstag veröffentlicht.          Hier geht´s zum Original:  klicken 

BOTSCHAFT SEINER HEILIGKEIT LEO XIV.ZUM 59. WELTFRIEDENSTAG, 1. JANUAR 2026

Der Friede sei mit euch allen: hin zu einem „unbewaffneten und entwaffnenden“ Frieden

"Der Friede sei mit dir!"

Dieser sehr alte Gruß, der auch heute noch in vielen Kulturen alltäglich ist, wurde am Abend des Ostertags durch den auferstandenen Jesus mit neuer Kraft erfüllt. »Friede sei mit euch!« (Joh 20,19.21) lautet sein Wort, das nicht nur einen Wunsch ausdrückt, sondern in denen, die es annehmen, und damit in der gesamten Wirklichkeit eine bleibende Veränderung bewirkt. Deshalb verleihen die Nachfolger der Apostel jeden Tag und überall auf der Welt dieser ganz stillen Revolution ihre Stimme: „Der Friede sei mit euch!“ Bereits am Abend meiner Wahl zum Bischof von Rom war es mir ein Anliegen, meinen Gruß in dieses gemeinsame Bekenntnis einfließen zu lassen. Und ich möchte es noch einmal betonen: Dies ist der Friede des auferstandenen Christus, ein unbewaffneter und entwaffnender Friede, demütig und beständig. Er kommt von Gott, dem Gott, der uns alle bedingungslos liebt.[1]

Der Friede des auferstandenen Christus

Er, der Gute Hirte, der sein Leben für seine Schafe hingibt und der viele Schafe auch außerhalb dieses Stalls hat (vgl. Joh 10,11.16), hat den Tod besiegt und die trennenden Wände zwischen den Menschen niedergerissen (vgl. Eph 2,14): Christus, unser Friede. Seine Gegenwart, seine Gabe, sein Sieg spiegeln sich in der Standhaftigkeit vieler Zeugen wider, durch die das Werk Gottes in der Welt fortgesetzt wird und in der Dunkelheit der Zeit sogar noch sichtbarer und leuchtender wird.

Der Gegensatz zwischen Dunkelheit und Licht ist nämlich nicht einfach nur ein biblisches Bild, um die Geburtswehen zu beschreiben, aus denen eine neue Welt hervorgeht: Er ist eine Erfahrung, die uns im Hinblick auf die Prüfungen, denen wir begegnen, und in den historischen Umständen, in denen wir leben, durchdringt und erschüttert. Nun, es ist nötig, das Licht zu sehen und daran zu glauben, um in der Dunkelheit nicht zu versinken. Die Jünger Jesu sind berufen, dieses Erfordernis auf einzigartige und privilegierte Weise zu erfahren, aber es weiß sich auf vielfältige Weise einen Weg in das Herz eines jeden Menschen zu bahnen. Der Friede existiert, er will in uns wohnen, er hat die sanfte Kraft, den Verstand zu erleuchten und zu weiten, er widersteht der Gewalt und überwindet sie. Der Friede hat den Atem der Ewigkeit: Während man dem Bösen entgegenruft „Genug!“, flüstert man dem Frieden zu: „Für immer!“. Diesen Horizont hat uns der Auferstandene erschlossen. In dieser Vorahnung leben die Friedensstifterinnen und Friedensstifter, die in jenem Drama, das Papst Franziskus als „Dritten Weltkrieg in Stücken“ bezeichnet hat, weiterhin der Ansteckung durch die Finsternis widerstehen, wie Wächter in der Nacht.

Das Gegenteil, nämlich das Licht zu vergessen, ist leider möglich: Man verliert dann den Wirklichkeitsbezug und überlässt sich einer partiellen und verzerrten Vorstellung von der Welt, die von Dunkelheit und Angst geprägt ist. Nicht wenige bezeichnen heute Erzählungen als realistisch, die keine Hoffnung enthalten, die blind für die Schönheit anderer sind und die die Gnade Gottes vergessen, die immer in den Herzen der Menschen wirkt, wie sehr sie auch von der Sünde verwundet sein mögen. Der heilige Augustinus ermahnte die Christen, eine unauflösliche Freundschaft mit dem Frieden zu schließen, damit sie ihn im Innersten ihres Geistes bewahren und seine strahlende Wärme überallhin verströmen können. An seine Gemeinde schrieb er: »Wenn ihr andere zum Frieden führen wollt, möget ihr ihn erst selbst in euch haben und in ihm gefestigt sein. Um andere zu entflammen, muss sein Licht in euch brennen.«[2]



Ob wir nun über die Gabe des Glaubens verfügen oder ob uns scheint, dass wir sie nicht hätten, liebe Brüder und Schwestern, öffnen wir uns für den Frieden! Nehmen wir ihn an und erkennen wir ihn, statt ihn für fern und unmöglich zu halten. Mehr als ein Ziel ist der Friede etwas Gegenwärtiges und ein Weg. Selbst wenn er in uns und um uns herum bedroht ist wie eine kleine Flamme im Sturm, wollen wir ihn bewahren, ohne die Namen und Geschichten derer zu vergessen, die ihn uns bezeugt haben. Der Friede ist ein Grundsatz, der unsere Entscheidungen leitet und bestimmt. Selbst an Orten, an denen nur noch Trümmer übrig sind und die Verzweiflung unvermeidlich scheint, finden wir gerade heute Menschen, die den Frieden nicht vergessen haben. So wie Jesus am Abend des Ostertages den Ort betrat, an dem die Jünger verängstigt und entmutigt versammelt waren, so gelangt der Friede des auferstandenen Christus mittels der Stimmen und Gesichter seiner Zeugen auch weiterhin durch Türen und Hindernisse. Er ist die Gabe, die es uns ermöglicht, das Gute nicht zu vergessen, es als siegreich zu erkennen und uns erneut und gemeinsam dafür zu entscheiden.

Ein unbewaffneter Friede

Kurz bevor er gefangen genommen wurde, sagte Jesus in einem Moment tiefen Vertrauens zu denen, die bei ihm waren: »Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch.« Und sogleich fügte er hinzu: »Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht« (Joh 14,27). Die Beunruhigung und die Furcht konnten sich natürlich auf die Gewalt beziehen, die bald über ihn hereinbrechen würde. Doch die Evangelien verbergen nicht, dass es vor allem seine gewaltfreie Antwort war, die die Jünger verstörte. Diesen Weg stellten sie alle, insbesondere Petrus, in Frage, aber bis zuletzt verlangte der Meister, ihm auf diesem Weg nachzufolgen. Der Weg Jesu bleibt ein Grund für Beunruhigung und Furcht. Und entschlossen sagt er auch dem, der ihn verteidigen möchte: »Steck das Schwert in die Scheide!« (Joh 18,11; vgl. Mt 26,52). Der Friede des auferstandenen Jesus ist unbewaffnet, weil sein Kampf unter ganz bestimmten historischen, politischen und sozialen Umständen unbewaffnet war. Die Christen müssen von dieser Neuheit gemeinsam prophetisch Zeugnis ablegen, eingedenk jener tragischen Ereignisse, an denen sie allzu oft mitgewirkt haben. Das große Gleichnis vom Weltgericht lädt alle Christen ein, in diesem Bewusstsein barmherzig zu handeln (vgl. Mt 25,31-46). Und dabei werden sie Brüder und Schwestern an ihrer Seite finden, die in unterschiedlichen Weisen auf den Schmerz anderer zu hören wussten und sich so in ihrem Inneren von der Täuschung der Gewalt befreit haben.

Obwohl es heute nicht wenige Menschen gibt, die von Herzen friedfertig sind, überkommt sie angesichts des immer unsichereren Verlaufs der Ereignisse doch ein großes Gefühl der Ohnmacht. Tatsächlich wies schon der heilige Augustinus auf ein besonderes Paradoxon hin: »Es ist schwieriger, den Frieden zu loben, als ihn zu besitzen. Denn wenn wir ihn loben wollen, brauchen wir Fähigkeiten, die uns vielleicht fehlen, suchen wir nach den richtigen Gedanken und wägen unsere Worte; wenn wir ihn hingegen besitzen wollen, haben und bewahren wir ihn ohne jede Anstrengung.«[3]

Wenn wir Frieden als ein fernes Ideal betrachten, finden wir es nicht mehr skandalös, dass er verweigert werden kann und dass sogar Kriege geführt werden, um Frieden zu erreichen. Es scheint an den richtigen Gedanken zu mangeln, an wohlüberlegten Worten, an der Fähigkeit zu sagen, dass der Friede nahe ist. Wenn der Friede keine gelebte Wirklichkeit ist, die es zu bewahren und zu pflegen gilt, dann macht sich Aggressivität sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben breit. Dann wird in der Beziehung zwischen Bürgern und Regierenden der Umstand als Verfehlung angesehen, dass man sich nicht ausreichend auf den Krieg vorbereitet, darauf, auf die Angriffe anderer reagieren und Gewalt erwidern zu können. Auf der politischen Ebene ist diese – weit über den Grundsatz der legitimen Verteidigung hinausgehende – Logik der Gegensätzlichkeit der derzeit relevanteste Umstand für die globale Destabilisierung, die jeden Tag dramatischer und unvorhersehbarer wird. Es ist kein Zufall, dass die wiederkehrenden Forderungen nach einer Erhöhung der Militärausgaben und die daraus resultierenden Entscheidungen von vielen Regierenden mit der Gefährlichkeit anderer gerechtfertigt werden. Tatsächlich stehen Abschreckungspotenzial durch Macht und insbesondere nukleare Abschreckung für die Irrationalität von Beziehungen zwischen Völkern, die nicht auf Recht, Gerechtigkeit und Vertrauen beruhen, sondern auf der Angst und der Herrschaft der Stärke. »Infolgedessen befinden sich die Völker«, wie schon der heilige Johannes XXIII. über seine Zeit schrieb, »beständig in Furcht, wie vor einem Sturm, der jeden Augenblick mit erschreckender Gewalt losbrechen kann. Und das nicht ohne Grund, denn an Waffen fehlt es tatsächlich nicht. Wenn es auch kaum glaublich ist, dass es Menschen gibt, die es wagen möchten, die Verantwortung für die Vernichtung und das Leid auf sich zu nehmen, die ein Krieg im Gefolge hat, so kann man doch nicht leugnen, dass unversehens und unerwartet ein Kriegsbrand entstehen kann.«[4]

Im Laufe des Jahres 2024 stiegen die weltweiten Militärausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 9,4 % und bestätigten damit die seit zehn Jahren anhaltende Tendenz. Sie erreichten einen Wert von 2.718 Milliarden Dollar, was 2,5 % des weltweiten BIP entspricht.[5] Darüber hinaus scheint man heute auf die neuen Herausforderungen nicht allein mit enormen wirtschaftlichen Anstrengungen zur Aufrüstung zu reagieren, sondern auch mit einer Neuausrichtung der Bildungspolitik: Statt einer Kultur der Erinnerung, die das im 20. Jahrhundert gewonnene Problembewusstsein bewahrt und die Millionen Opfer jenes Jahrhunderts nicht vergisst, werden Kommunikationskampagnen und Bildungsprogramme in Schulen und Universitäten sowie in den Medien vorangetrieben, die Bedrohungswahrnehmungen verbreiten und eine rein militärisch geprägte Vorstellung von Verteidigung und Sicherheit vermitteln.

Doch »wer den Frieden wirklich liebt, liebt auch dessen Gegner«.[6] So empfahl der heilige Augustinus, keine Brücken abzubrechen und nicht auf Vorwürfen zu beharren, sondern lieber zuzuhören und sich, soweit möglich, mit den Argumenten anderer auseinanderzusetzen. Vor sechzig Jahren endete das Zweite Vatikanische Konzil in dem Bewusstsein der Dringlichkeit eines Dialogs zwischen der Kirche und der Welt von heute. Insbesondere die Konstitution Gaudium et spes lenkte die Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der Kriegführung: »Die besondere Gefahr des modernen Krieges besteht darin, dass er sozusagen denen, die im Besitz neuerer wissenschaftlicher Waffen sind, die Gelegenheit schafft, solche Verbrechen zu begehen, und in einer Art unerbittlicher Verstrickung den Willen des Menschen zu den fürchterlichsten Entschlüssen treiben kann. Damit in Zukunft so etwas nie geschieht, beschwören die versammelten Bischöfe des ganzen Erdkreises alle, insbesondere die Regierenden und die militärischen Befehlshaber, sich jederzeit der großen Verantwortung bewusst zu sein, die sie vor Gott und der ganzen Menschheit tragen.«[7]

Wir bekräftigen den Appell der Konzilsväter und schätzen den Weg des Dialogs als den auf allen Ebenen wirksamsten ein. Zugleich stellen wir fest, dass der anhaltende technologische Fortschritt und der Einsatz künstlicher Intelligenz im militärischen Bereich die Tragik bewaffneter Konflikte noch verschärft haben. Es zeichnet sich sogar ein Prozess ab, in dem politische und militärische Führungskräfte durch eine zunehmende „Delegation” von Entscheidungen über Leben und Tod von Menschen ihre Verantwortung an Maschinen abgeben. Dies ist eine bislang beispiellose Spirale der Zerstörung jenes Humanismus in Recht und Philosophie, auf dem eine jede Zivilisation beruht und durch den sie geschützt wird. Die gewaltigen Konzentrationen privater Wirtschafts- und Finanzinteressen, die die Staaten in diese Richtung treiben, müssen angeprangert werden; doch reicht dies nicht aus, wenn nicht zugleich ein Erwachen des Gewissens und des kritischen Denkens gefördert wird. Die Enzyklika Fratelli tutti stellt den heiligen Franz von Assisi als Beispiel für ein solches Erwachen dar: »In jener Welt voller Wachtürme und Verteidigungsmauern erlebten die Städte blutige Kriege zwischen mächtigen Familien, während die Elendsviertel der Ausgestoßenen an den Rändern wuchsen. Dort empfing Franziskus innerlich den wahren Frieden, er befreite sich von jedem Verlangen, andere zu beherrschen, er wurde einer der Geringsten und versuchte in Harmonie mit ihnen zu leben.«[8] Dies ist eine Geschichte, die in uns weiterleben soll und die es erfordert, dass wir unsere Kräfte bündeln, damit wir gemeinsam zu einem entwaffnenden Frieden beitragen, zu einem Frieden, der aus Offenheit und evangeliumsgemäßer Demut entsteht.

Ein entwaffnender Friede

Die Güte ist entwaffnend. Vielleicht ist Gott deshalb Kind geworden. Das Geheimnis der Menschwerdung, das Herabsteigen Gottes bis in die Unterwelt, beginnt im Schoß einer jungen Mutter und wird in der Krippe von Betlehem offenbar. »Friede auf Erden«, singen die Engel und verkünden die Gegenwart eines wehrlosen Gottes. Die Menschheit kann seiner Liebe nur dann gewahr werden, wenn sie sich seiner annimmt (vgl. Lk 2,13-14). Nichts vermag uns so sehr zu verwandeln wie ein Kind. Und vielleicht ist es gerade der Gedanke an unseren Nachwuchs, an die Kinder und auch an jene, die so schutzbedürftig sind wie sie, der uns mitten ins Herz trifft (vgl. Apg 2,37). In diesem Zusammenhang schrieb mein verehrter Vorgänger: »Die menschliche Schwachheit hat die Kraft, uns klarer erkennen zu lassen, was Bestand hat und was vergänglich ist, was Leben schenkt und was tötet. Vielleicht neigen wir deshalb so oft dazu, unsere Grenzen zu leugnen und schwachen und verletzten Menschen auszuweichen: Sie vermögen es, den Weg, den wir als Einzelne und als Gemeinschaft eingeschlagen haben, in Frage zu stellen.«[9]

Johannes XXIII. führte als Erster die Perspektive einer umfassenden Abrüstung ein, die nur durch die Erneuerung des Herzens und des Verstandes erreicht werden kann. So schrieb er in Pacem in terris: »Allerdings müssen alle davon überzeugt sein, dass das Ablassen von der Rüstungssteigerung, die wirksame Abrüstung oder – erst recht – die völlige Beseitigung der Waffen so gut wie unmöglich sind, wenn dieser Abschied von den Waffen nicht allseitig ist und auch die Gesinnung erfasst, das heißt, wenn sich nicht alle einmütig und aufrichtig Mühe geben, dass die Furcht und die angstvolle Erwartung eines Krieges aus den Herzen gebannt werden. Dies setzt aber voraus, dass an die Stelle des obersten Gesetzes, worauf der Friede sich heute stützt, ein ganz anderes Gesetz trete, wonach der wahre Friede unter den Völkern nicht durch die Gleichheit der militärischen Rüstung, sondern nur durch gegenseitiges Vertrauen fest und sicher bestehen kann. Wir sind entschieden der Meinung, dass dies geschehen kann, da es sich um eine Sache handelt, die nicht nur von den Gesetzen der gesunden Vernunft befohlen wird, sondern auch höchst wünschenswert und überaus segensreich ist.«[10]

Dies ist ein grundlegender Dienst, den die Religionen der leidenden Menschheit erweisen müssen, indem sie wachsam bleiben angesichts der zunehmenden Versuche, sogar Gedanken und Worte zu Waffen zu machen. Die großen geistlichen Traditionen wie auch der rechte Gebrauch der Vernunft lassen uns über verwandtschaftliche oder ethnische Bande hinausgehen, über jene Verbrüderungen, welche nur ihresgleichen anerkennen und die anderen zurückweisen. Wir sehen heute, dass dies nicht selbstverständlich ist. Leider gehört es zunehmend zum derzeitigen Gesamtbild, dass Worte des Glaubens Einzug halten in politische Kämpfe, dass Nationalismus gepriesen wird und dass Gewalt und bewaffneter Kampf religiös gerechtfertigt werden. Die Gläubigen müssen diesen Formen der Blasphemie, die den heiligen Namen Gottes verdunkeln, aktiv entgegentreten, in erster Linie durch ihre Lebensweise. Deshalb ist es notwendiger denn je, zusammen mit dem Handeln das Gebet, die Spiritualität, den ökumenischen und interreligiösen Dialog als Wege des Friedens und als Formen der Begegnung zwischen Traditionen und Kulturen zu pflegen. Weltweit ist es wünschenswert, dass »jede Gemeinde […] ein „Haus des Friedens“ werden [soll], wo man lernt, Feindseligkeit durch den Dialog zu entschärfen; wo Gerechtigkeit praktiziert wird und Vergebung gelebt wird«.[11] Denn heute ist es mehr denn je nötig, durch aufmerksame und fruchtbare pastorale Kreativität zu zeigen, dass der Friede keine Utopie ist.

Andererseits darf dies nicht von der Bedeutung der politischen Dimension ablenken. Durch diejenigen, die in den höchsten und qualifiziertesten Ämtern öffentliche Verantwortung tragen, »sollte gründlich geprüft werden, wie auf der ganzen Welt die gegenseitigen Beziehungen der Staaten in menschlicherem Gleichgewicht neu zu gestalten sind; Wir meinen ein Gleichgewicht, das auf gegenseitigem Vertrauen, auf aufrichtiger Gesinnung bei Vertragsschlüssen und auf unverletzlichen Vereinbarungen gegründet ist. Diese Frage soll aber von allen Seiten so erwogen werden, dass eine Grundlage gefunden wird, auf der freundschaftliche, feste und segensreiche Bündnisse entstehen können.«[12] Dies ist der entwaffnende Weg der Diplomatie, der Vermittlung, des Völkerrechts, der leider durch immer häufigere Verstöße gegen mühsam erzielte Vereinbarungen konterkariert wird, in einem Kontext, der nicht die Delegitimierung, sondern vielmehr eine Stärkung der supranationalen Institutionen angebracht erscheinen lässt.

Gerechtigkeit und Menschenwürde sind heute mehr denn je den Machtungleichgewichten zwischen den Stärksten ausgesetzt. Wie kann man in einer Zeit der Destabilisierung und Konflikte leben und sich vom Bösen befreien? Es ist nötig, alle geistlichen, kulturellen und politischen Initiativen zu fördern und zu unterstützen, die die Hoffnung am Leben erhalten, um so der Verbreitung »fatalistische[r] Einstellungen« entgegenzuwirken, die suggerieren, dass »die herrschenden Dynamiken von unpersönlichen anonymen Kräften und von vom menschlichen Wollen unabhängigen Strukturen hervorgebracht würden«.[13] Wenn nämlich »die beste Methode, zu herrschen und uneingeschränkt voranzuschreiten, [darin] besteht […], Hoffnungslosigkeit auszusäen und ständiges Misstrauen zu wecken, selbst wenn sie sich mit der Verteidigung einiger Werte tarnt«,[14] dann begegnet man einer solchen Strategie am besten, indem man in der Gesellschaft ein entsprechendes Bewusstsein schafft sowie Strukturen verantwortungsbewusster Vereinigungen, gewaltfreie Beteiligungsformen und eine Praxis wiederherstellender Gerechtigkeit, im Kleinen wie im Großen, entwickelt. Dies hatte bereits Leo XIII. in seiner Enzyklika Rerum novarum deutlich zum Ausdruck gebracht: »Es ist die Beschränktheit der eigenen Kräfte, die den Menschen stets von selbst dazu antreibt, sich mit andern zu gegenseitiger Hilfe und Unterstützung zu verbinden. „Zwei sind besser als einer allein, falls sie nur reichen Ertrag aus ihrem Besitz ziehen. Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf“ (Koh 4,9-10). So das Wort der Heiligen Schrift. Und wiederum: „Ein getäuschter Bruder ist verschlossener als eine Festung“ (Spr 18,19).«[15]

Möge dies eine Frucht des Heiligen Jahres der Hoffnung sein, das Millionen von Menschen dazu bewegt hat, wieder neu ihr Pilgersein zu entdecken und in sich jene Entwaffnung des Herzens, des Geistes und des Lebens zu beginnen, auf die Gott schon bald mit der Erfüllung seiner Verheißungen antworten wird: »Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des Herrn« (Jes 2,4-5).

Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2025

LEO XIV.

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