Sandro Magister veröffentlicht bei Settimo Cielo einen Kommentar und eine kritische Analyse des Regierungsstils des amtierenden Pontifex.
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"DER LETZTE GROSSE DIKTATOR IST IN WEISS GEKLEIDET. EINE POLITISCH-THEOLOGISCHE ANALYSE"
Weihnachten kommt näher und mit ihm auch Papst Franziskus´ vorweihnachtliche Rede an die vaticanische Kurie, die nur dem Namen nach hoffnungsvoll ist, weil sie sich jedes Jahr in eine wütende Beschimpfung der unglücklichen Kardinäle und Amtsinhaber auflöst.
Aber - angesichts dessen, wie der Papst seine Macht ausübt. würde das Kind im Märchen anstelle des wenig angemessenen "Der Kaiser ist nackt" "Arzt heile dich selbst" rufen.
Hier die hypertrophen Befugnisse und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Papsttum und die Hierarchie der Kirche, die Professor Pietro De Marco im folgenden Text analysisert.
"DIE ´DIKTATUR` ZWISCHEN SCHMITT UND BERGOGLIO"
Das Kardinalat- vom dauerhaften zum Amt nach eigenem Ermessen?
von Pietro De Marco
"Papst Franziskus´ jüngste Aktionen gegen einige Mitglieder des Kardinalskollegiums haben- wie jede relevanten Handlungen von außerordentlichem Schweregrad der obersten Autorität-sowohl unmittelbare Auswirkungen als auch Folgen für die Rechtsordnung.
Ob wegen schwerem und bewiesenem sexuellen Fehlverhaltens im Privatleben oder in Ausübung des Hirtenamtes oder wegen anderer Vergehen bestraft wurde, kann man nicht umhin, hinter den juristischen Daten die wesentlichen inhaltlichen und materiellen Konsequenzen der administrativen und juristischen Aktionen und Strafen zu erkennen. Das heißt, daß das ein Politikum ist. Die Kirche ist eine göttlich-menschliche "Gesellschaft" und jede geordnete "Gesellschaft" ist vor allem - über die Normen, die sich die Gesellschaft gibt hinaus- eine politische Einheit- in ihrem Fall "sui generis".
Jetzt gibt es keinen Zweifel daran, daß der Beschluß, einige Purpurträger- von Theodore McCarrick bis zu Giovanni Angelo Becciu- zu bestrafen. sicher in der Kirchengeschichte nicht neu ist -aber ostentativ veröffentlicht wurde, was an einen vorsätzlichen Plan des Papstes das Kardinalskollegium in seiner Funktion und seiner Macht denken läßt,- so wie es auch einige Kreise in der Kirche höffen. Und darüber hinaus auch den Episkopat.
Man sollte nicht vergessen, daß das Kardinalskollegium in der modernen politischen Tradition ein ähnliches Bild geboten hat, das dem des Senats entspricht. z.B,. dem großen Senat von Venedig, der Einfluß auf die Politikm Europas hatte. Der Senat ist immer eine hohe Kammer von beonderer Zusammensetzung- adlig von Geburt oder durch Erwerb- ausgestattet mit stabiler Macht und nur der Autorität des Souveräns unterstellt, Aber die Freiheit über seine Zusammensetzzung zu entscheiden, steht mehr einer absolutistischen Ausübung der absoluten Souveränität zu -die etwas anderes ist- als dem absoluten Souverän.
Heute ist es schwierig, die außerordentliche, vor allem politische Komponente des Handelns Bergoglios sowohl innerhalb der "Kirchlichen Gesellschaft" als auch außerhalb gegenüber den Laien, Regierungen und der Öffentlichen Meinung der Welt, nicht zu bemerken. Der Papst hat tatsächlich a) seine Macht aus repressiven Gründen gestärkt, was sie am fürchtenswertesten macht und b) eine Bestätigung seiner Autorität auf der Ebene der Meinungen erreicht, wodurch seine charismatische Legitimität gestärkt worden ist, c) die kollektive Persönlichkeit des Kardinalskollegiums geschwächt und d) seine eigene Partei im Kollegium durch Ernennungen gestärkt- wie es den Kommentatoren aller Richtungen erscheint.
Wer der Fernsehübertragung der Sonntagsmesse vom 29. November mit den neuen Kardinälen beigewohnt hat, hatte das Gefühl - sicher dank eines Teils der sog. kirchlichen Öffentlichen Meinung- vor einer Gruppe ängstlicher Mitarbeiter zu stehen, ausgewählt vom Wohlwollen des Papstes, die aber den Stimmungen des Meisters unterworfen sind, bedroht vom Schlaf der MIttelmäßigkeit und der Gleichgültigkeit.
Der Scherz "benimm dich gut" , den Franziskus gegenüber einem der neuen Kardinäle machte, von den Zeitungen selbstzufrieden wiedergegeben, muß als unerhört betrachtet werden, eine irrationale und beleidigende Vertraulichkeit, die dem Sinn einer Zeremonie fremd ist, die keine Preisverleihung für einen Katechismus-Wettbewerb oder Hochchulabsolventen ist, sondern ein großes Ereignis in der hierarchischen universalen Kirche. An sich hätte es nicht einmal Zeit für eine -väterliche- Predigt gegeben - quasi eines Vorgesetzten vor unreifen Personen, die sich darauf vorbereiten, ins Leben einzutreten. Es gab auch noch die zigste Bestätigung dafür, daß die Themen der Kämpfe im Konzil - Kardinale und Kollegialität- nach Belieben verwendet und verworfen werden können, also instrumentalisiert, von demjenigen, der autoritärer Führer mit außerordentlichen Befugnissen ist, was in der Kirche völlig anomal ist.
Wir wissen, daß Bergoglio eine Karriere als Superior in der Gesellschaft Jesu hinter sich hat, die er gelegentlich auf unpassende Weise ausübte, was er auch vor kurzem noch bereut hat. Aber was interessiert, ist nicht der humorige, manchmal gewalttätige Zug seines Charakters - es ist kein Mangel an Päpsten, die ihm da nahe kommen, sondern der theologische und spirituelle, übernatürliche Aspekt. Das Band, das in der Kirche einen Titelträger mit dem Empfang der Autoritätsausübung verbindet, steht unter dem Zeichen der Grundlagen und der höchsten Ziele, für die es die Hierarchie gibt- in der Ordnung der Sakramente der Kirche. "Gehorsam ist die Mutter aller Tugenden" -berühmte Formulierung von Augustinus- weil er in der Kirche eine Loslösung von unserem Willen darstellt, der für die Vereinigung mit Gott nötig ist.
Die bloße und funktionale Ausübung legitimer Autorität um den anderen "politisch" zu beugen, hat also nichts mit der "ordo amoris" zu tun, die sicher kein sanftes Bad bedeutet. Die asymmetrische Liebe, wie die zwischen Vorgesetztem und Untergebenen ist ein Geflecht aus gegenseitigem Wohlwollen und Gerechtigkeit, im Grunde ein Bündnis. Wenn andererseits die "Gerechtigkeit" von Papst Bergoglio sakrosankt und frei von "caritas" zu sein scheint, eine bloße "Ausübung legitimen Zwangs" -darüber hinaus gegenüber der öffentlichen Meining angewandt, von der Papst Bergoglio beurteilt fühlt. Ein Mangel an "sensus secclesiae" -trotz der vielen Worte über Reinigung und die Bitte um Vergebung usw. in diesem Sinne.
Um diese Argumentation zu beenden:der institutionelle Stil, der plötzlich mit Bergoglios Pontifikat auftauchte und der in einem ständigen väterlichen, unaufhaltsamen Tadeln der Bischöfen der Welt besteht. wie die phantasievollen Anschuldigungen des Pelagianismus und des Formalismus gegenüber den italienischen Bischöfen in Florenz im Jahr 2015 -, diese Art von Savonarolismus des päpstlichen Throns hat perverse Auswirkungen: vor allem die Schwächung der moralischen Autorität der Welthierarchie unter den jeweiligen Völkern zum Vorteil der charismatischen Macht Roms und so dieses Papstes. Was die sogenannten "erwachsenen Katholiken" in den Jahren von Johannes Paul II beklagten, die berüchtigte Hypertrophie der Petrinischen Rolle, findet heute tatsächlich politisch statt.
Es ist klar, daß jene Bischöfe und Kardinäle, die versuchen, ihm in Stil und Ideologie zu ähneln, und solange sie dies tun, von der päpstlichen Bitterkeit befreit sind. Der charismatische Führer hat immer eine Anhängerschaft um sich und keine Institution; und wenn es institutionelle Rahmenbedingungen gibt, verwendet er diese in strengen, zwingenden Machtverhältnissen. Um die aufschlussreichen Kategorien des Verfassungsrechtlers Carl Schmitt zu benutzen, möchte der Papst, der das Kardinalskollegium umgestaltet, von Kommissaren umgeben sein, die ständig von ihm abhängig sind, und nicht von Inhabern von Ämtern, die jederzeit widerrufen werden können. Schmitt schrieb in seinem berühmten Aufsatz "Die Diktatur" von 1921 über die alte Institution des Kommissars: "Der Inhalt der Tätigkeit des Kommissars ist eng mit der erhaltenen Anweisung verbunden, der Ermessensspielraum ist streng begrenzt, der Kommissar bleibt immer und in jedem Detail direkt abhängig vom Willen des Auftraggebers, was ihm jedoch auch einen weiten Ermessensspielraum einräumen kann ".
Das ist natürlich nur ein Beispiel, an dem eine mögliche Annäherung von Bergoglios hierarchischer Kirche an bekannte politische Modelle gemessen werden kann. Weil die Regierung des gegenwärtigen Papstes nach göttlicher Verfassung nicht absolutistisch sein kann, tendiert sie zu einer "Kommissardiktatur“, deren Ermessensspielraum auf der außergewöhnlichen Natur der Zeit beruht. Aber ist "quis iudicabit“ eine Ausnahme in der Kirche? Die Krise der Pädophilie wurde analog als Pandemie bezeichnet, die außergewöhnliche Reaktionen legitimiert. Aber sind die Paladine des Papstes geeignete Richter? Konservativen Kritiker sind ihrerseits in dieser Angelegenheit die Hände gebunden, weil sie es für wichtiger hielten, die Verschlechterung der persönlichen Moral in den Generationen nachkonziliarer Geistlichkeit als Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils zu missbilligen, als die auf die Neuerungen bei der Ausübung von Befugnissen durch den gegenwärtigen Papst zu schauen.
Einige Kirchenrechtler waren über die Auswirkungen des kanonischen Rechts und der sakramentalen Theologie auf die Verurteilung des ehemaligen Kardinals McCarrick alarmiert. Man versichert mir, daß alles in Ordnung sei; es sei eine notwendige "administrative" Maßnahme gewesen. Nur daß das politische Urteil nicht so beruhigend sein kann wie das technisch-juristische. Der öffentliche Spott, der dem kanonischen Prozess vorausging, falls es einen gab, sowie der neuere Fall von Kardinal Becciu, der durch eine Skandalkampagne in der nationalen Presse verstärkt wurde, oder sogar den unschuldigen Kardinal George Pell seinem Unglück überlassen hat, bis ein Gericht ihn freisprach und ihn für den Heiligen Stuhl wieder vorzeigbar gemacht, sind Symptome einer präzisen Richtung. Über die lobenswerte Absicht hinaus, die Ziviljustiz zu respektieren, weisen sie darauf hin, daß Bergoglio die katholische Hierarchie - über die er sich Sorgen machen sollte - dem internationalen Zirkus aufgegeben hat, der bekanntlich versucht, "Brot und Zirkusse" zu zelebrieren. Und der Papst, der inzwischen "Brot" gepredigt hat, erhält vom Zirkus die Zustimmung und Stärke, die er in seiner eigenen Gerichtsbarkeit einsetzen kann, und verwandelt sein Amt - er- nicht Paul VI oder Johannes Paul II. oder Benedikt XVI. - in Befehlsmacht.
Die veraltete ekklesiologische Vision des Episkopats als Beamter des Papstes erreichte im Zeitalter des Ersten Vatikanischen Konzils weder den Grad der persönlichen und politischen Unterordnung, noch verfolgte er ihn- wie ihn der Weltepiskopat und das Kardinalskollegium heute unter dem Motiv einer Notfallsituation einer Kirche im Wiederaufbau riskieren. Darüber hinaus glaubt heute jeder, auch Ungläubige, einen Prälaten denunzieren und seinen Kopf fordern zu können, sobald er den Verdacht auf Hochverrat gegenüber der angeblichen Revolution von Papst Franziskus hat.
Ein schwacher sakramentaler und institutioneller "sensus ecclesiae", das offensichtliche Bedürfnis nach Konsens - als Lebenselixier des Pontifikats - zwischen der einflussreichen öffentlichen Weltmeinungen und internationalen Institutionen, die Neigung zur diktatorischen Ausübung seiner Macht über die Kader der Institution, sich mit "Freunden" zu umgeben, technisch gesehen Partisanen, die Absicht zur Reform, die im Kleinen wie im Großen ausgeübt wird (von den eigenwilligen Korrekturen irgendwo im Missale bis zur "Reform der Kurie", einer ewigen demagogischen Fata Morgana), das zitierte Erinnerung der Brüder im Episkopat, die als ihre eigenen Kommissare -immer "sub iudice"- gesehen, werden, schließlich der Ehrgeiz - mit den besten Absichten, aber in diesem Rahmen - lassen auch in Rom das Modell eines allmächtigen, charismattischen Vorsitzes in voller Funktion erscheinen.
Für Bergoglio wurde ein Stil zwischen nordamerikanischem und französischem Präsidentialismus, eine Art de-Gaullismus angesprochen. Der Übergang zum "Caudillismus" der spanischen und lateinamerikanischen Welt ist kurz, eine Zuordnung, die- mit Bergoglios persönlicher Geschichte verbunden-eine weniger überzeugende Bedeutung erhält, wenn man zu ihr durch Vergleich oder eine politisch-konstitutionelle Analogie kommt.
Aber es sollte die Personen, die den Papst in gutem Glauben feiern, nicht überraschen, wenn diese diktatorische Verschiebung von Bergoglio mit einer starken und motivierten Opposition in der Kirche einhergeht. Und innerhalb dieser Opposition ein schwerwiegender Autoritätsverlust des Papstes nicht aus psychologisch-charismatischer Sicht, sondern aus substanzieller Sicht. Fast als "Diktator" zu agieren, ist für die kirchliche Institution fremd, es ist eine Praxis des öffentlichen staatlichen Rechts, nicht des heiligen Rechts.
Diese Opposition gegen Papst Franziskus ist aber auch eine Reaktion auf das so viel Schlechtere, das Bessere, das heißt auf die Demütigung und Entbehrung von Kirchen und Geistlichen, auf den Schmutz den auch die noch am wenigsten autorisierten Personen auf die Kirche werfen, auf den Verdacht, der auf den Hl. Johannes Paul geworfen wurde: eine bittere Situation, auf die sich Franziskus zu verlassen scheint, um seinen Kampf zu gewinnen. Vielleicht muss ein Kardinalwähler kurz vor dem nächsten Konklave, den anderen Mitgliedern des Kollegiums einen Pakt oder eine streng verbotene "Kapitulation" vorschlagen, zumindest einen "Gedankenaustausch" - dies ist ja erlaubt und sogar von "Universi dominici gregis" gefordert“- der den Nachfolger von Franziskus zu einem anderen Einsatz der Macht Petri verpflichtet."
Quelle: Settimo Cielo, S. Magister, Prof. P.De Marco
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