Mittwoch, 28. Juli 2021

Der Papa emeritus weist -nicht nur der deutschen-Kirche den Weg aus der Verweltlichung

Luisella Scrosati analysiert in La Nuova Bussol Quotidiana das von Herder-Korrespondenz veröffentlichte Interview von Tobias Winstel mit dem Papa emeritus, das in deutschen Kirchenamtsstuben und bei Möchtegern-Theologen die üblichen altbekannten -immer sprungbereiten Abwehrreflexe ausgelöst hat. Seine Aussage, daß "nur Gott die Antwort ist" wird von Protagonisten der Amtskirche merkwürdigerweise als "bestenfalls naiv" beurteilt...
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"BENEDIKT XVI WEIST DER KIRCHE DEN WEG (NICHT NUR DER DEUTSCHEN)" 

In einem schriftlichen Interview mit der Zeitschrift Herder Korrespondenz weist Benedikt XVI auf die immer größere Distanz zwischen der authentischen kirchlichen Mission und der "Amtskirche" -bestehend aus Bürokratie  und Dokumenten ohne "Herz und Geist"- hin. Eine Situation, die nicht nur die Kirche in Deutschlald betrifft, sondern allgemeiner ist und "den Exodus aus der Welt des Glaubens" nährt. In Erinnerung an sein kostbares Jahr als Kaplan in Bogenhausen erinnert uns Ratzinger daran, daß nur Gott die Antwort auf den Totalitarismus der Vergangenheit und Gegenwart ist.  

Die Pfeile von Benedikt XVI gegen die Kirche in Deutschland in seinem jüngsten Interview für Herder Korrespondenz (8/2021) sind bereits überall abgeprallt. Die meisten ausgewählten Passagen vom Ende des Interviews, widmet der emeritierte Papst Benedikt XVI der Rekonstruktion seines Jahres als Kaplan in der Pfarrei Heiliges Blut in München-Bogenhausen  (1. August 1951 bis 1. Oktober 1952). 

In den letzten Takten zieht Ratzinger die Schlüsse, die er aus dieser 70 jährigen Erfahrung bis heute reifen lassen konnte. Als junger Priester- bei seinem ersten pastoralen Abenteuer- hat er bereits bemerkt, wie sich das Glaubensleben allmählich entleerte, aber Strukturen hinterließ, die immer unfähiger wurden, den Glauben zu nähren und zu erhalten. Ein Prozess, der weder langsam noch aufhaltbar war, der zur sogenannten Amtskirche führte, einer Kirche des Amtes, des Apparates, der Bürokratie, die wie eine seelenlose Fassade stehen blieb, nicht nur steril, sondern so unfähig, so daß sie die Keime des authentischen christlichen Lebens erstickte, die versuchten, zu leben und sich auszubreiten. Der Begriff Amtskirche wurde geprägt, um den Kontrast zwischen dem, was offiziell gefordert wird und dem was man persönlich glaubt, auszudrücken. Das Wort Amtskirche insinuiert einen inneren Gegensatz zwischen dem, was der Glaube de facto erfordert und bedeutet und seiner Entpersönlichung," 

Dieses Phänomen bezieht Ratzinger nicht nur auf die deutsche Kirche, sondern auf eine allgemeinere Lage, die sicher einen besonders bedeutsamen Ausdruck in einem "großen Teil der amtlichen Texte der Kirche in Deutschland" findet  Ratzinger / Benedikt XVÌ hat immer darauf bestanden, daß die wahre Reform der Kirche und ihre authentische Wiedergeburt von der Heiligkeit ihrer Mitglieder, der Kraft ihres Zeugnisses abhängt. Aber in diesem Interview bemerkt man eine besondere Betonung der immer radikaleren Spannung zwischen dem Amt und dem Geist. Spannung in den produzierten Dokumenten: "Solange in den institutionellen Texten der Kirche nur das Amt spricht, nicht aber Herz und Geist, wird der Exodus aus der Welt des Glaubens weitergehen." Spannungen an den entscheidenden Stellen: "In kirchlichen Einrichtungen – Krankenhäusern, Schulen, Caritas – sind viele Menschen in entscheidenden Positionen engagiert, die den inneren Auftrag der Kirche nicht unterstützen und daher oft das Zeugnis dieser Institution verschleiern“.


Nicht daß es an sich einen Unterschied zwischen Amt und Geist gäbe. aber es ist, als ob Benedikt XVI immer wieder auf diesen Punkt zurück kommen will, weil die Amtskirche inzwischen eine über das Erträgliche  hinausgehende Zahl von Dokumenten und Werken ohne "Herz und Geist" hervorgebracht hat. Eine autobiographische Interpretation dieser jüngsten Äußerungen ist nicht zu unterschätzen: er, der Papst, der einen Schritt zur Seite gemacht hat; der sich entschieden hat, auf den Berg zu steigen, wie ein neuer Moses, während unsere Epoche immer belasteter wird (denn das bedeutet auch ingravescente aetate); der nicht die Kirche verlassen hat, sondern die Amtskirche, bestehend aus Ämtern, Aufträgen, Prozeduren, ohne jedoch dieses weiße Gewand aufzugeben und der darauf besteht, den Titel des emeritierten Papstes beizubehalten.

Er gibt nicht vor, so "die Bösen von den Guten zu trennen" wie es der Donatismus in der Epoche des Hl. Augustinus machen wollte, das bedeutet aber nicht, daß es nicht die dringende Notwendigkeit gibt, die "Gläubigen von den Nichtglaubenden " zu trennen. Ein Problem. das seiner Meinung nach, heute noch offensichtlicher geworden ist". Sicher it es kein Zufall, daß Benedikt, der sein Schweigen verlassen hat, um über dieses Jahr und ein wenig mehr über seine pastoralen Erfahrungen zu Beginn seines priesterlichen Lebens zu sprechen. Zwischen zwei- mit dem subtilen Sinn  für Humor und Selbstironie, die ihn seit jeher auszeichen, -erählten Erinnerungen wirft Ratzinger wichtige Hinweise in Herz und Verstand des Lesers. Er erzählt von der großen Persönlichkeit des Pfarrers von Bogenhausen, Pater Max Blumscheid, der ihn lehrte, wie wichtig es ist. im Beichtstuhl zu sein (jeden Morgen von 6:00 bis 7:00 Uhr und Samstagsnachmittag von 16:00 bis 20:00 Uhr), weil es besser sei, dort eine Stunde ohne Beicht zu verbringen, als jemanden wegen eines leeren Beichtstuhls von der Beichte abzuhalten. Er erzählt. daß er "hautnah erlebte, wie sehr die Menschen den Priester erwarteten, wie sehr sie auf den Segen warteten, der aus dem Sakrament kommt [...]. Sie sahen in uns Menschen, die durch den Auftrag Christi berührt waren und fähig, ihn den Menschen nahe zu bringen."

Das einfache aber anstrengende Leben des Kaplans und des Pfarrers machten die Gegenwart Christi faßbarer als die Fülle der Dokumente in hölzerner -wenn nicht eiserner-Sprache wie ein Schwert (siehe das motu proprio Traditionis Custodes) -wie sie seit Jahren in der Kirche gesprochen wird. Sprache, Inhalte und Mentalität, die nicht von Christus kommen, sondern von der Welt. Deshalb erinnert Benedikt XVI an die Rede, die er anläßlich seiner apostolischen Reise nach Deutschland  2011 in Freiburg gehalten hat. in der er von der Notwendigkeit der "Entweltlichung" gesprochen hatte. Das, was manche geschrieben haben, daß Benedikt Schritte rückwärts gemacht habe, ist nicht wahr. Er hat im Gegenteil bekräftigt, daß der Prozess, sich von der Welt und ihrer Logik zu befreien, sicher ein negativer Aspekt ist,. aber für eine wirkliche Reform der Kirche immer notwendig ist. "Das Wort Entweltlichung zeigt den negativen Aspekt der Bewegung an, die ich meine: soll heißen, die Diskussion und die Begrenzungen einer Epoche zu verlassen, zu einer Freiheit des Glaubens hin. Wir können nicht vorgeben, zu fliegen, ohne die Bänder, die uns an den Boden fesseln, zu durchtrennen."

Auf die Erfahrung von Bogenhausen hat er sich auch aus einem anderem  Grund bezogen. der im Interview kaum betont wird, aber ausführlicher in der Biographie von Peter Seewald beleuchtet wird.  In der Hl. Blut-Gemeinde war er der Nachfolger von Pater Alfred Delp, der 1945 von der Gestapo im Gefängnis von Plötzensee gehängt wurde. Delp hat ein Tagebuch und einige Sätze hinterlassen, wie diesen. den er mit gefesselten Händen in die Wand seiner Zelle kratzte "Die Stunde der Geburt der menschlichen Freiheit ist die Stunde der Begegnung mit Gott. Das gebeugte Knie und die leeren, ausgestreckten Hände sind die ursprünglichen Geste des freien Menschen. Wir müssen an das Leben glauben, weil wir es nicht als Einzelne leben, sondern weil Gott mit uns lebt." 

"Worte, die sich unvergeßlich in die Seele des jungen Ratzinger eingeprägt haben und die die anthropologische Bedeutung seines Beharrens als Bischof, Kardinal und Papst auf dem Primat Gottes im Leben der Welt und der Kirche offenbaren. Denn nur Gott - schrieb Pater Delp - ist das letzte Bollwerk der Abwehr gegen jenen "despotischen Druck der Masse [...], der selbst den intimsten Raum prostituiert, das Gewissen verschlingt, das Urteil verletzt und schließlich den Geist blendet und erstickt". Wehe jener Zeit, "in der die Stimmen der Weinenden in der Wüste verstummen, vom Straßenlärm des Tages überwältigt oder verboten oder in den Rausch des Fortschritts gestürzt oder von  

Benedikt XVI hat der Kirche in Deutschland nicht einfach eine Grenze gerogen, er versucht- zum zigstenmal- den einzigen Ausweg aus dem sich zunehmend als immer tödlicheren Totalitarismus der Geschichte aufzuzeigen. Nur Gott, nur das Kruzifix ist die einzig wahre Barriere gegen das aufsteigende Böse. "

Quelle: L. Scrofati, LNBQ, Herder Korrespondenz, T. Winstel

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